Neu auf DVD und Blu-ray ab Freitag, 28. April 2023
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sebastian (Robinson Mensah Rouanet) ist 10 Jahre alt und lebt mit seiner allein erziehenden Mutter Cécile (Caroline Anglade) in Paris. Jetzt hat er, um einem anderen Jungen zu helfen, wieder mal über die Strenge geschlagen. Seine Mutter, die dringend zu einem Termin nach Prag reisen muss, fragt deshalb ihre Schwester Noémie (Alice David), ob Sebastian bei ihr den Sommer verbringen kann.
Als Cécile den Jungen auf dem Bergbauernhof in den französischen Alpen abgibt, muss Noémie allerdings sofort weg, denn sie betreut zusammen mit ihrem Freund Gas (Syrus Shahidi) bergsteigende Touristen. Sie lässt den Jungen bei ihrer nicht gerade begeisterten Mutter Corinne (Michèle Laroque) zurück.
Sebastian soll auf dem Hof seiner Großmutter bei der Arbeit mit den Tieren helfen, doch er stellt sich recht ungeschickt an. Auch sonst ist nicht gerade viel los, womit sich ein 10jähriger Junge aus der Stadt gerne beschäftigen möchte.
Als er von den Jungen des Dorfes zu einer Mutprobe herausgefordert wird, trifft er auf dem Hof von Yves (Aurélien Recoing) auf eine schneeweiße Hündin, die dort gefangen gehalten wird und sich als recht angriffslustig erweist. Nachdem sie Sebastian angegriffen hat, wird sie in einen Käfig gesperrt. Sebastian, der sich dafür verantwortlich fühlt, will der Hündin helfen, die aber durch eine Unachtsamkeit wieder davon läuft.
Am nächsten Tag brechen Corinne und Noémie mit ihren Schafen zu den Sommerweiden auf. Dort muss Sebastian lernen, die Schafe zusammen zu halten, denn es gibt in der Gegend Wölfe. Doch dann begegnet Sebastian der weißen Hündin wieder. Das kluge Tier und der abenteuerlustige Junge werden unzertrennlich und streifen gemeinsam in den Bergen herum, auch wenn Gas, der Besitzer des Hundes, den Sebastian Belle nennt, nach ihm sucht. Denn der Junge ist wild entschlossen, Belle vor ihrem prügelnden Besitzer zu beschützen - besonders da Belle in der Lage ist, die Schafe vor den Angriffen von Wölfen zu schützen.
Doch wird Sebastian die Hündin auf die Dauer vor Gas verstecken können und wie wird der junge aggressive Mann reagieren, der selbst ein Geheimnis hat, wenn er herausbekommt, wer für das Verschwinden seines Hundes verantwortlich ist? Und was hat Gas’ Geheimnis für Sebastians Großmutter und die Umwelt für Auswirkungen?
Die Geschichten rund um Sebastian und die weiße Pyrenäenberghündin Belle sind im Laufe der letzten mehr als 50 Jahre mehrmals verfilmt worden. Entwickelt wurden die beiden Charaktere von der französischen Schauspielerin, Kinderbuchautorin und Fernsehregisseurin Cécile Aubry. So entstand zwischen 1965 und 1970 eine französischen Fernsehserie mit 39 Folgen in 3 Staffeln, zu denen Cécile Aubry zwischen 1968 und 1973 auch 3 Kinderbücher veröffentlichte.
Weitere Adaptionen waren eine japanische Animationsserie ab 1981 und eine französisch-kanadische Animationsserie aus dem Jahr 2017 mit 52 Folgen, die ihre deutsche TV Premiere 2018 bei KiKA hatte und dort gerade auch wieder zu unregelmäßigen Zeiten läuft. Am 16.01.2023 vormittags begann die Serie wieder mit Folge 01 ″Der weiße Drache″.
Am bekanntesten wurden allerdings 3 französische Realverfilmungen, die während und kurz nach dem 2. Weltkrieg spielen: ″Belle & Sebastian″ (2013), ″Sebastian und die Feuerretter″ (2015) und ″Belle & Sebastian - Freunde fürs Leben″ (2017).
Belle ist ein Patou genannter Pyrenäenberghund. Dies ist eine uralte Rasse von Herdenschutzhunden, die in Frankreich offiziell Chien de Montagne des Pyrénées und in Spanien Mastin del Pirinero heißen. Sie haben schon immer die Schafherden in den Bergen vor Wölfen, Bären und zweibeinigen Dieben verteidigt, daneben bewachen sie auch die größeren Anwesen. Sie gehören zum französischen Kulturerbe und sind normalerweise recht wild. Das war auch einer der Probleme des Films, denn es war nicht so leicht den Hund für den Film zu zähmen.
Jetzt gibt es also eine neue Verfilmung des Stoffes. ″Belle & Sebastian - Ein Sommer voller Abenteuer″ ist im Gegensatz zu den letzten Verfilmungen, die während und kurz nach dem 2. Weltkrieg spielen, in der Gegenwart angesiedelt, was auch mit dem französischen Originaltitel ″Belle et Sébastien: nouvelle génération″ deutlich gemacht wird.
Regisseur beim hier besprochenen Film war Pierre Coré nach einem Drehbuch des Regisseurs zusammen mit Alexandre Coffre.
Auch wenn hier zum x-ten Mal die Geschichte um eine Freundschaft zwischen einem schwierigen Jungen und einem großen verfolgten Hund erzählt wird, haben die Drehbuchautoren versucht, die Erlebnisse von Sebastian in den französischen Alpen in die Gegenwart zu transferieren.
Dabei ist ein spannender Abenteuerfilm für ältere Kinder und Jugendliche entstanden, der es wunderbar schafft, neben der Freundschaft zwischen dem Jungen und der Hündin auch Themen wie Tierwohl, Naturliebe, Umweltproblematik und Belastung durch den Tourismus in die Story zu integrieren.
Es wird in dem Film auch versucht, die handelnden Personen nicht zu Stereotypen werden zu lassen. Natürlich wird Sebastian von ungelenken Stadtkind zu einem Jungen, der sich nicht nur mit einem riesigen Hund anfreundet, sondern er lernt auch, mit den Schafen seiner Großmutter umzugehen und er beginnt, sich in der Bergwelt wohlzufühlen.
Seine Großmutter Corinne steht dem Jungen zuerst ablehnend gegenüber und es wird erst im Laufe des Films deutlich, was hinter ihrer Ablehnung steht, während seine Tante Noémie zwar sofort bereit ist, ihrer Schwester zu helfen und Sebastian aufzunehmen. Sie kümmert sich dann aber nicht um das Kind, sondern lässt es einfach bei ihrer Mutter zurück. Doch alle drei kommen sich näher, wenn sie sich dann in den Bergen, um die Schafherde kümmern und auch versuchen müssen, die herum streichenden Wölfe von ihren Schafen fern zu halten.
Positiv ist, dass der Bösewicht des Films, Gas der Besitzer von Belle, der den Hund regelmäßig quält, nicht wie in vielen Kinderfilmen als Monstrum oder als lächerlicher Schwächling gezeigt wird, sondern als jemand, der versucht, von seinem Vater Yves erlernte patriarchale Strukturen bei dem Hund anzuwenden. Er gibt damit den innerfamiliären Druck, den man in einigen Szenen deutlich sieht, an Belle weiter.
Mit Yves, der versucht Corinne übers Ohr zu hauen und Gas, der seine Unbeherrschtheit am Hund und später auch an Sebastian auslässt, sind die Antagonisten Männer, während die selbstbestimmten Protagonisten Frauen sind, die versuchen, die Traditionen der älteren Generation aufzubrechen. Hier wird von der Originalgeschichte abgewichen, denn dort ist Sebastians Großvater seine Bezugsperson.
Neben der recht differenzierten Story lebt der Film vor allem von den fantastischen Naturaufnahmen von Kameramann Gilles Porte, der die Schönheit der abwechslungsreichen Landschaft, die wunderbaren Lichtverhältnisse und die besonderen Farben der Berge zeigt, den bemerkenswerten Hundeszenen und den sehr guten Schauspieler:innen - das schließt Robinson Mensah Rouanet in seiner ersten Hauptrolle als Sebastian ein. Als kleiner Kritikpunkt gibt es dann doch ein paar Szenen, die etwas übertrieben sind (Sebastian mit dem Gleitschirm), aber das stört den Gesamteindruck des Films nicht allzu sehr, denn das hohe Erzähltempo bietet jede Menge Spannung in den meisten Actionsequenzen.
Die Jury der deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) zeichnet den Film mit dem Prädikat ″Besonders wertvoll″ aus, da er zwar seine heile Welt baut, dabei aber doch Brüche zulässt. Damit ist ″Belle & Sebastian - Ein Sommer voller Abenteuer″ ein erstaunlich differenziert erzählter Kinderfilm. Die FBW Jugend Filmjury vergibt 4,5 von 5 Sternen, da im Film eine Geschichte erzählt wird von unzertrennlicher Freundschaft, Freiheit, Familienzusammenhalt und Geldgier, die die Menschen verändert. Trotz dieser vielen Themen ist der Film nicht zu vollgepackt. Deshalb sollten sich Kinder ab 8 Jahren und ihre Familien den tollen und idyllischen Abenteuerfilm unbedingt anschauen.
Insgesamt ist das Drama ein gelungener emotionaler Film, mit hohem Erzähltempo und jeder Menge Spannung in ausgesprochen gut funktionieren Actionsequenzen. Er ist für Kinder und Jugendliche absolut sehenswert. Erwachsene, die sich den Film zu Hause ansehen, werden sich ganz sicher auch nicht langweilen.
Foto 1: Cover Blu-ray © Splendid Film
Foto 2: Sebastian (Robinson Mensah Rouanet) mit Belle © Thibault Grabherr / Splendid Film
Foto 3: Gas (Syrus Shahidi) und Sebastian (Robinson Mensah Rouanet) © Thibault Grabherr / Splendid Film
Foto 4: v.l.n.r.: Belle, Sebastian (Robinson Mensah Rouanet), Tante Noémie (Alice David), Großmutter Corinne (Michèle Laroque) und Sebastians Mutter Cécile (Caroline Anglade) © Thibault Grabherr / Splendid Film
Info:
"Belle & Sebastian - Ein Sommer voller Abenteuer" ist ab dem 28.04.2023 als DVD und Blu-ray im Handel erhältlich. Die DVD enthält eine deutsche und eine französische Sprachfassung in Dolby Digital 5.1, die Blu-ray in Deutsch und Französisch in DTS-HD 5.1 Master Audio. Die Untertitel sind bei beiden Formaten in Deutsch. Das Bildformat ist bei der DVD in 16x9 anamorph (2:39:1) und der BD in 1080p HD 16:9 (2:39:1). DVD und Blu-ray enthalten keine deutsche Hörfilmfassung.
Extras auf der Blu-ray sind (in Französisch mit deutschen Untertiteln):
Hinter den Kulissen - Die Filmcrew und die Berghündin (14:12 Min.
Belle & Sebastian - Ein Sommer voller Abenteuer (Frankreich 2022)
Originaltitel: Belle et Sébastien: nouvelle génération
Genre: Abenteuer, Jugendfilm, Familienfilm, Drama
Filmlänge: ca. 96 Min.
Regie: Pierre Coré
Drehbuch: Alexandre Coffre und Pierre Coré, nach den Werken von Cécile Aubry
Darsteller: Robinson Mensah Rouanet, Michèle Laroque, Alice David, Caroline Anglade, Syrus Shahidi, Aurélien Recoing u.a.
Verleih: Splendid Film GmbH
Vertrieb WVG Medien GmbH
FSK: ab 6 Jahren