St. Ingberter Kurzfilmfestival ehrt zum sechsten Mal junge Filmschaffende und ihre Werke
Redaktion
St. Ingbert (Weltexpresso) - Drei spannende Festivaltage, fünf hochqualifizierte Jury-Teams, 14 Preise und über 70 Filme – vom 15. bis 18. Juni 2023 haben sich Zuschauer·innen und Jury die Kurzfilme von Filmschaffenden aus dem ganzen deutschsprachigen Raum angeschaut und bewertet. Nach der Preisverleihung in der Stadthalle in St. Ingbert stehen nun die Preisträger·innen fest.
Filmreif – Preis für den besten Film
Der Filmreif-Preis für den besten Film 2023 geht an das Team des herausragenden Werks Stille Wasser unter der Regie von Kevin Koch. Eine warmherzig düstere Endzeitparabel über die Flutkatastrophe im Ahrtal. Zum einen mit kindlichem Gemüt, zum anderen mit prophetischer Bitterkeit erzählen die Protagonisten ihre Geschichte, versuchen mittels Sprache die einzelnen Scherben ihres Überlebens zu kleben.
Filmreif – Publikumspreis
Auch die eifrigen Zuschauer·innen des Festivals haben mitgeredet und fleißig ihre Stimmen für den Publikumspreis abgegeben. Das Rennen um den Filmreif-Publikumspreis hat Sweet Freedom für sich entschieden. Regisseur Dominik Wittrin hat eine einfache Message, die in großen Debatten eine Rolle spielt, aber auch genauso in einer Tankstelle in Altenbeken: Tut euch zusammen und hört gegenseitig auf eure Bedürfnisse!
Filmreif – Preis für einen besonderen gesellschaftlich relevanten Film
Den Filmreif-Preis für einen besonders gesellschaftlich relevanten Film gewinnt das Team um Regisseur Joshua Neubert für den Film Granica. Ohne dabei Stellung zu beziehen oder zu werten, konfrontiert der Film mit fiktiven sowie realistischen Geschichten in der Sperrzone zwischen Polen und Belarus. Die Protagonist·innen erleben Zerrissenheit zwischen ihrem Drang Flüchtenden zu Helfen und sich dabei in Gefahr zu begeben, in einem Umfeld, in dem humanitäre Hilfe eine politische Grauzone darstellt.
Filmreif – Preis für eine besondere Regieleistung
Den Filmreif-Preis für eine besondere Regieleistung erhält Philip Müller für den Film Am Sonntag auf dem Mond. Ein Film, erzählt in einer nüchternen Sachlichkeit, die es den Zuschauer·innen erlaubt, sich ausschließlich auf den Protagonisten zu konzentrieren. Der Regie gelingt es, eine seelische innere Entfremdung in äußerster Strenge zu erzählen, denn in den wenigen Minuten, in denen wir in dieses Leben des Protagonisten hineinschauen, sind wir im Kern seines Seins.
Filmreif – Preis für eine besondere schauspielerische Leistung
Den Filmreif-Preis für eine besondere schauspielerische Leistung geht an Barbara Wysocka für die Hauptrolle im Film Granica. Die Protagonistin steht vor der Entscheidung, die Tür ihres Hauses zu öffnen, um einen Migranten zu retten. Mit feinem Mienenspiel und wenigen Worten spielt Wysocka einen tiefen Konflikt äußerer Bedrohung und innerem Drang zum Handeln – einen Konflikt, den sie erschütternd überzeugend, sensibel und zutiefst glaubwürdig darstellt.
Filmreif – Drehbuchpreis
Was muss ein gutes Drehbuch können? Es greift Themen auf und verwandelt sie in nahbare Geschichten und Charaktere. Es spricht nicht einfach aus, was geschieht, sondern übersetzt den Plot in Lebendigkeit und Dialoge. Es lässt Figuren Raum sich zu entfalten und einander zu begegnen. Ein gutes Drehbuch hat die Kraft, auf eine Reise mitzunehmen, die nicht mehr loslässt. Der Filmreif-Drehbuchpreis geht an Drehbuchautorin Linda Kokkores von Die Farbe der Bäume.
Filmreif – Innovationspreis
Mit dem Filmreif-Innovationspreis zeichnet die Jury den mit ästhetischem Mut und außergewöhnlich innovativ erzählten Film Territory von Regisseur Julian Quentin aus. Dem Film gelingt es mit Bravour, technische Möglichkeiten weiterzuspinnen und auszureizen sowie Genregrenzen zu sprengen. Die Macher·innen schaffen es mit ihrem Film, einen Blick über den Tellerrand zu geben und trotzdem ein schlüssiges Gesamtkunstwerk abzuliefern.
Filmreif – Nachhaltigkeitspreis
Der Film Die Farbe der Bäume lässt einen als Zuschauer·in die Hitze auf der Haut der Figuren und ihre klebrigen Haare spüren, er lässt Ascheflocken durch die Luft wehen und digitale Verbindungswege zusammenbrechen. Ohne erhobenen Zeigefinger und doch mit großer Wucht gibt der Film ein Gefühl für die neue Realität des Klimawandels, in der wir uns befinden. Deshalb gewinnt der Film von Marina Dumont-Anastassiadou den Filmreif-Nachhaltigkeitspreis.
Filmreif – Preis der Nachwuchsjury
Ganz im diesjährigen Festivalmotto „Aufbruch in neue Welten“ sah die Nachwuchsjury ihren Favoritenfilm. Territory, ein in schwarz-weiß gehaltener Experimentalfilm, beschreibt mit eindrucksvoller Bildgewalt eine Reise ins Ungewisse. Auf poetische Weise wird die Sehnsucht ausgedrückt, aus einem sicheren Gefängnis und heteronormativen Geschlechtskonzepten auszubrechen. Julian Quentin gewinnt dafür den Filmreif – Preis der Nachwuchsjury.
Filmreif – Serienpreis
Zum zweiten Mal in Folge wurde dieses Jahr der Filmreif – Serienpreis verliehen. Die Jury wählte für den Preis das Projekt BLACK SAVIOR (R: Johannes Krug) aus. Der Serienpilot aus dem Wettbewerb junge Piloten wurde für die erbrachte aller Gewerke ausgezeichnet. Ein großes, unbewältigtes Thema wird in diesem Projekt der Ausgangspunkt für eine Alternativweltgeschichte, die der Dominanzgesellschaft im Genre der Farce den Spiegel vorhalten soll.
Filmreif – Stoffentwicklungspreis
Im Stoffentwicklungswettbewerb junger Pitch drehten sich dieses Jahr alle Beiträge um die Frage der Selbstermächtigung. In den Augen der Jury am beeindruckendsten gelungen ist dies laut Jurymeinung Daniela Magnani Hüller mit ihrem Projekt Ein kleiner Moment, für das sie den Filmreif – Stoffentwicklungspreis erhalten hat. In der Laudatio heißt es: „Eine junge Frau muss nach einem Schicksalsschlag ihr Leben neu aufstellen und ermächtigt sich schließlich ihrer Geschichte, indem sie sie filmisch bearbeitet. Formal klar, mutig und mit spannenden Ideen für ein Setting, das dem von ihr gewählten Fokus Geltung verschafft. Ein sehr persönliches Projekt, das dennoch den Blick in eine gesellschaftlich relevante Dimension öffnet.“
Filmreif – Musikvideopreis
Der Filmreif – Musikvideopreis geht dieses Jahr an Paul Sies – Maschinenbauergemetzel. Gedreht wurde der Clip in einer einzigen Einstellung. Er zeigt den radikalen Monolog einer jungen, wütenden Frau, die im Club von einem Typen betatscht wird, der ihr NEIN konsequent ignoriert. Dann werden wir Zeuge, wie ihr der Kragen platzt. Voller Leichtigkeit und Spielfreude schildert die Schauspielerin Amelie Kriss-Heinrich ihr Blutbad der Rache, während sie ihre Lippen perfekt synchron zur Stimme von Paul Sies bewegt.
Filmreif – Newcomerpreis
Die Jury für den Newcomerpreis lobte in ihrer Laudatio alle vier Wettbewerbsbeiträge. Mit Respekt, Klugheit und Wertschätzung für ihre Figuren würden die Filmemacher·innen bis 21 Jahre von ihren Protagonist·innen erzählen. Schließlich konnte sich Die Mehrweg Affäre in der Regie von Derik Rodrigues durchsetzen. In der Laudatio der Jury wurden unter anderem die Hingabe des Regisseurs, die große Klaviatur filmischer Stilmittel, das liebevoll gestaltete Szenen- und Kostümbild und das gekonnte Spiel hervorgehoben.
Filmreif – Preis für den schrägsten aller Filme
Der Filmreif – Preis für den schrägsten aller Filme wurde am Samstagabend live im Open-Air-Kino verliehen. Im Anschluss an das Screening der skurrilsten Einreichungen des Jahres wurde der Siegerfilm per Applausometer ermittelt. Hier konnte Leon Stanislawski mit seinem Film Gusch überzeugen.
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