Hanswerner Kruse
Barbieland (Wektexpresso) -Der Film „Barbie“ beginnt mit dramatischer Richard-Strauss-Musik wie Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Eine riesige Barbie erscheint in der Savanne, in der kleine graue Mädchen leben, die nun ihre Babypuppen zerschlagen (Bild unten):
Sie wollen nicht nur zukünftige Mütter sein, sondern erkennen durch Barbie, dass Frauen alles werden können!
In der liebreizenden matriarchalischen Barbiewelt aus Plastik haben die arbeitenden Frauen das Sagen, die Kens sind nur Statisten. Doch plötzlich gibt es einen Riss zwischen ihrem Universum und der nicht so hübschen Menschenwelt, in der die Kinder mit ihnen spielen. Im täglichen Mädel-Abend, bei dem die Kens ausgeschlossen sind, stolpert Barbie (Margot Robbie) beim Tanzen. Todesgedanken überfallen sie. Am nächsten Tag hat sie Plattfüße und kann nicht mehr auf Spitzen stehen( Foto oben). Ihre Community sieht nur eine Chance, sie muss in der wirklichen Welt das Kind finden, das sie so zugerichtet hat.
Gemeinsam mit Ken (Ryan Gosling) überschreitet sie die Grenzen zur Realität und ist von unserer Macho-Welt erschrocken, während ihr Begleiter sich sauwohl fühlt. Endlich begegnet er Frauen, die wenigstens mal nach der Uhrzeit fragen. Einen tollen Job kann er aber nicht bekommen: „Mann sein reicht nicht mehr“, macht ihm ein Boss klar. Die Puppenfirma Mattel ist beunruhigt und will die Entlaufene einfangen. Doch im letzten Moment wird Barbie von einer Mutter und deren Kind gerettet, das mit ihr bis zum fünften Lebensjahr spielte.
Die drei unterschiedlichen Frauen reisen gemeinsam ins Barbieland, das durchaus divers ist: Barbies aller Hautfarben, mollige Puppen oder Rollstuhlfahrerinnen leben hier. Doch mittlerweile haben Ken und die anderen Kens die Macht an sich gerissen. Wie Hip-Hop-Stars gerieren sich die Jungs, während die Frauen ihnen die Füße kraulen oder Bier holen. In der Gegenrevolte versuchen die Weiber durch List und Kampfgeist ihre Macht wieder zu erringen... Wir lassen das Ende offen - aber klar, in einem typischen Hollywoodfilm wird immer alles gut.
Man verlässt das Kino hin- und hergerissen, einerseits ist vieles süßlich amerikanisch, sehr pinkig und unheimlich liebreizend. Das wird häufig jedoch durch viel Selbstironie aufgebrochen. Überdies werden interessante Themen angerissen: kann die Puppe auch altern oder wie kann Ken es schaffen, er selbst zu werden? Barbie staunt über ihre ersten Tränen, seitdem schwebt durch den Film ein Hauch von „City of Angels“ oder „Himmel über Berlin“, in denen einst die Engel von den echten Tränen und tragischen Gefühlen der Menschen bewegt wurden.
Die oft witzigen oder dramatischen Begebenheiten werden anspruchsvoll und verschachtelt erzählt. Der Film ist kein Mattel-Werbestreifen und setzt nicht die Reihe der unsäglich affirmativen Barbiefilme fort. Aber klar, der Streifen ist auch keine große Kinokunst, obwohl er - von den Akteuren bis zur Technik - hochkarätig besetzt ist. Man kann sagen, ein unterhaltsamer Familienspaß, der Eltern und Kindern Lust auf gemeinsame Gespräche machen wird.
Fotos:
© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc.
Info;
„BARBIE“, USA 2023, 114 Minuten,
Regie Greta Gerwig mit Margot Robbie, Will Ferrell, Ryan Gosling, Emma Mackey und anderen.