zweierCarte Blanche der Alexandra Maria Lara zu im Kino des DFF Frankfurt, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie faßt man die drei Gesprächsrunden zusammen, eine kurze Vorstellung, zusammen mit Ehemann Sam Riley, eine Filmeinführung, ebenfalls mit ihm und ein langes, sehr langes und beglückendes Gespräch über die zehn Filme, die Alexandra Maria Lara ausgewählt hatte, vor jedem Filme eine Videoeinspielung mit Bemerkungen zum Film, und der spontanen, jedoch wichtigen Bemerkung: das seien ihre Filme im Jahr 2023, im nächsten Jahr würde sie vielleicht ganz andere auswählen.

Da sind wir sicher und auch sicher, daß dann wahrscheinlich ein rumänischer Film dabei wäre und vielleicht ein weiterer aus Osteuropa und...Aber jetzt geht es um diese zehn, von denen der dritte nach dem Gespräch folgt: UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT (2018), in dem sie die Hauptrolle spielt.

Doch zuvor wollte Urs Spörri für diejenigen Besucher, die nicht Lara-Experten sind, ihren persönlichen Hintergrund beleuchten, denn da gibt es Außergewöhnliches. Mit viel Liebe sprach sie von ihrem vor drei Jahren verstorbenen Vater, dem rumänischen Schauspieler Valentin Plătăreanu, der Vizedirektor des Nationaltheaters Bukarest war, der zusammen mit seiner Frau, einer Sprachwissenschaftlerin, erst nach Freiburg im Breisgau, dann nach Berlin ging, wo er beruflich reüssierte und sogar eine eigene Schauspielschule betrieb.

Alexandra Maria Lara, damals noch Plătăreanu, wuchs in den Beruf hinein, hatte schon mit 9 Jahren eine Rolle in einem Fernsehfilm und kann heute schon auf 48 Film- und 18 Fernsehrollen zurückblicken. Kaum gestreift wurde die Ehe mit Sam Riley und der gemeinsame Wohnort Berlin. Ausführlich aber die Bezüge zu den ausgewählten Filmen. Dabei war erneut die Begegnung mit Coppola Thema, das Zusammentreffen in Rumänien und das angenommene Angebot der Hauptrolle im leider nicht sehr erfolgreichen Film JUGEND OHNE JUGEND im Jahr 2007, wo sie vier Filme drehte. Übrigens geht es dabei um eine Verfilmung einer Kurzgeschichte von Mircea Eliade, einem der großen rumänischen Schriftsteller, der aber in den USA lebte, dort als Professor für Religionswissenschaften, mit einer skurrilen Geschichte, wo ein Siebzigjähriger einen Blitzschlag überlebt, aber anschließend immer jünger wird, gespielt von Tim Roth, aber auch Bruno Ganz ist dabei.

Daß man als Schauspielerin beim Filmeschauen auch immer die schauspielerischen Leistungen der Darsteller besonders registriert, ist einfach so, meint Lara Paul Newman ist der Billardspieler und Hauptfigur in THE HUSTLERS (Haie der Großstadt, 1961) und als Martin Scorsese das Thema 1986 erneut verfilmt, DIE FARBE DES GELDES , gibt Paul Newman erneut den in sein Spiel verliebten Billardspieler. Eigentlich sollte man beide Filme sehen. Was das Handwerk angeht, verehrt sie Anthony Hopkins, der in THE RAMINS OF THE DAY/Was vom Tag übrig blieb (1993) von James Ivory den Butler Stevens darstellt, der 1956 auf einer Reise durch England zu seiner alten Arbeitsstätte, dem Landsitz seines verstorbenen Arbeitgebers Lord Darlington fährt, den ein US-Kongreßabgeordneter ersteigert hat und wo er erneut als Butler arbeiten soll. Damals hatte er weder die Nazisympathien des Lords noch die Gefühle für ihn der Haushälterin Miss Kenton (Emma Thompson), noch seine eigenen für sie bemerkt, also auch nicht reagiert. Heute ist es zu spät.

Sehr angenehm verläuft der Gesprächsabend, weil Alexandra Maria Lara eine dem Publikum zugewandte, völlig ungekünstelte Schauspielerin ist, die auch Probleme anspricht, viele Details aus der Zusammenarbeit mit anderen benennen kann, durch ihre vielen Filme in mehreren Ländern auch einen internationalen Überblick hat, aber einfach ein Herz fürs Kino und für Filme. Das wirkt.

Daß ihre Auswahl, der Rest folgt, dennoch dem westlichen Mainstream folgt, so fällt der Anteil der sechs englischsprachigen Filme bei einem französischen und drei deutschen erst dann auf, wenn man sich überlegt, welche Filme hier keine Rolle spielen. Nichts aus Osteuropa, aus Italien, aus Spanien, aus dem Norden. Vom Iran ganz zu schweigen, dem Land, von dem man glauben kann, daß Filmemachen genetisch disponiert oder zumindest kulturell überliefert wird, so herausragend sind dortige Filme, die noch dazu verbotener Weise gedreht werden.

Doch, einen rumänischen hätte sie eigentlich nehmen können, sofort wußte sie auch welchen. Aber es war ihr nicht eingefallen und sie fügt hinzu, auch einen griechischen hätte sie nehmen können. Da fällt uns sofort The Angelopoulos ein, der mit THE DUST OF TIME 2008 ein europäisches Sittengemälde drehte, zweiter Teil seiner durch seinen Tod nicht abgeschlossenen Trilogie, ein schwieriger, weil viel Stoff verarbeitender Film, der das ganze 20. Jahrhundert zwischen Italien, Griechenland, Deutschland und Rußland/UdSSR behandelt und grandiose Schauspieler zeigt und ebenso Leinwandbilder, deren Choreographie man für immer im Gedächtnis behält.

Darauf muß man noch zurückkommen, warum auch eine so filmerfahrene Alexandra Maria Lara eine so einseitige Auswahl trifft. Wahrscheinlich ist das die falsche Frage, denn gerade jemand, der im Filmgeschäft arbeitet, das bei uns amerikanisch orientiert ist, greift im Falle der Auswahl von zehn Filmen auf diese zurück. Sie spiegelt also das, was unsere Kinos zeigen; nicht im Detail, denn es sind besondere Filme, aber als allgemeiner Vorgang.

Das Gespräch war so anregend und interessant, zudem mit anschließenden Fragen, daß ein zweiter Teil kommt, zuvor allerdings geht es um den ersten von ihr benannten deutschen Film UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT, ebenfalls von 2018, in dem sie die Hauptrolle spielt.

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