Redaktion
Paris (Weltexpresso) - Fünfzehn Jahre nach Willkommen bei den Sch’tis und neun Jahre nach Super-Hypochonder ist dies ihre dritte Zusammenarbeit mit Dany Boon. War das ein Teil der Motivation, diesen Film mit ihm zu machen?
Absolut! Jedes Mal wenn Dany mir von seinem neuesten Projekt erzählte, habe ich darauf gewartet, dass er mich fragt, ob ich mitspielen möchte. Es hat tatsächlich eine Weile gedauert. Aber ich war nicht so überrascht, weil ich weiß, wie Dany denkt. Er geht seinen eigenen Weg. Dany dreht keine Filme, um seine Freunde glücklich zu machen. Mir die Rolle des Halbbruders anzubieten, war aber ein echter Volltreffer! Mit ihm zu arbeiten, ist immer eine besondere Erfahrung. Abgesehen von unserer Freundschaft gibt es jedes Mal, wenn wir zusammen am Set sind, etwas zu jubeln, wir machen einfach gute Komödie! Außerdem liebe ich die Tatsache, dass Dany als Regisseur immer besser wird.
Unsere Wege kreuzten sich eines Tages bei einer Gala, die Dany in Lille veranstaltete, um Vereine in der Region Hauts de France zu unterstützen. Wir sollten zusammen etwas singen und einen Sketch aufführen. Während der Proben kamen wir uns wieder näher und da erzählte er mir zum ersten Mal von dem Film. Ich bin mir nicht sicher, ob er die Rolle ursprünglich für mich geschrieben hatte, aber an diesem Abend hat es Klick gemacht. Es ist nicht so einfach, wieder mit jemandem zusammenzukommen, den man einerseits so gut kennt und mit dem man andererseits etwas so Außergewöhnliches wie Willkommen bei den Sch’tis kreiert hat. Dieser Film ist aber keineswegs ein Aufguss, sondern völliges Neuland. Also habe ich das Drehbuch gelesen und war sofort Feuer und Flamme. Ich sah die Komik, die Zärtlichkeit, die Poesie und die Möglichkeiten, die sich boten, in den Szenen mit Dany.
Im Film spielen Sie Louis, bei dem eines Tages Tridan vor der Tür auftaucht. Dieser bis dahin unbekannte Halbbruder verlangt die Hälfte des Gegenwerts der Wohnung ihres verstorbenen Vaters. Wie haben Sie diesen komplexen Charakter konstruiert?
Um ehrlich zu sein, habe ich erst wirklich angefangen, die Figur zu begreifen, als ich während des Shootings bei Dany übernachtet habe. Er hat es vorgeschlagen und ich hielt es für eine gute Idee. So arbeiteten wir jeden Abend gemeinsam an den Szenen des nächsten Tages und tranken dabei ein paar Gläser Wein. Die Nähe zwischen uns, kam unseren Rollen als Brüder zugute. Ich könnte tatsächlich Danys Halbbruder sein. Ich fühle mich wie ein Teil seiner Familie, also war es nicht schwer, das zu spielen! Nach und nach wurde die Figur des Louis immer klarer.
Louis ist ein misstrauischer, manipulativer und einsamer Mann. Wie bei jeder guten Komödie kokettiert seine Figur mit dem Tragischen.
Ja, er ist die dunkle Figur in unserer Geschichte, fast schon der Bösewicht. Louis hat diesen teuflischen Plan ausgeheckt, um Tridan so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Dafür arrangiert er ein fingiertes Wiedersehen mit Violette, der Jugendliebe seines Bruders. Glücklicherweise haben ist es uns gelungen, diesen verabscheuungswürdigen Kerl dank einiger großartig komischer Szenen liebenswert zu machen.
Die Komödie stützt sich auch auf die Leistung von Charlotte Gainsbourg in der Rolle der Violette. Ihr werdet zu einem unwiderstehlichen Trio.
Sie ist absolut umwerfend. Was für eine Freude es ist, dies mit ihr zu teilen. Ich hatte sie schon einmal getroffen, konnte aber nicht viel Zeit in ihrer Gegenwart verbringen. Auch wenn es sich wie ein Klischee anhört, mit Charlotte zu spielen, war das pure Vergnügen! Sie ist selten im komischen Fach unterwegs, aber sie sticht immer hervor und trägt etwas bei, das so effektiv und wirklich lustig ist. Charlotte geht Risiken ein. Charlotte war mittendrin und hat unsere Kameraderie, unser unkontrollierbares Lachen sowie unsere Freude an der Zusammenarbeit geteilt. Sie fühlte sich nie ausgeschlossen. Ich weiß, dass sie die Stimmung am Set wirklich genossen hat, und sie trug mit ihrer Großzügigkeit dazu bei.
Hat die Kameradschaft, von der Sie sprechen, dem Film geholfen und zum Beispiel Gags inspiriert, die nicht geplant waren?
Natürlich! Es war auch ein großes Glück, dass wir keine Ego-Probleme hatten und alle das getan haben, was für den Film am besten war. Wenn du genau weißt, was dein Partner will, und wo seine Grenzen liegen, kannst du deine Entscheidungen darauf abstimmen. Genau das passiert bei Dany. Ich kann mir mit ihm Improvisation in gewissem Rahmen erlauben, wenn auch nicht systematisch, denn sein Film ist sehr detailliert geschrieben. Einige dieser spontanen Improvisationen haben es in die Endfassung geschafft, wie zum Beispiel die Szene mit der Zahnbürste.
Neben der Komödie beschwört VOLL INS LEBEN auch einige nostalgische Themen, wie die Kindheitsliebe, die uns jahrelang verfolgen kann, der Lauf der Zeit oder wie schwer es sein kann, eine Familie zu gründen. Welche davon hat Sie am meisten berührt?
Es gibt eine entscheidende Sache, mit der ich mich besonders identifizieren konnte. Ich war selbst G.O. im Club Med! In den Achtzigern wurde ich als Bandleader angeheuert, um eine Musikgruppe in verschiedenen Feriendörfern zu leiten. Wir spielten in der Schweiz, später auch in Guadeloupe, für Cocktailpartys und Shows. Wie Tridan habe ich versucht, die Leute zum Lachen zu bringen. Ich schlenderte am Strand entlang, trug einen Sarong und Perlen und spielte Gitarre. Das ist es, was mich abgeholt hat. Ich kenne noch einige G.O.s von damals, die diesen Lebensstil beibehalten haben, die nichts anderes kennen und die völlig aus dem Konzept geworfen werden, wenn sie in ein normales Leben zurückkehren sollen. Das ist ein schrecklicher Moment für sie.
Sie haben es bereits erwähnt, die Schauwerte des Films sind sehr ausgeklügelt, in Bezug auf die Sets und die Kameraarbeit. Im Grunde oszilliert die Geschichte zwischen Satire und Poesie. Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Dany als Regisseur im Lauf der Zeit?
VOLL INS LEBEN erfüllt alle Kriterien, man lacht, man weint, und es gibt eine auffällige Eleganz, eine unglaubliche Anmut auf der Leinwand, dank Glynn Speeckaerts Kamera. Die Szenen mit Dany und Charlotte im Restaurant sind besonders berührend. Die Emotion tritt in seinen Filmen immer mehr in den Vordergrund. Es ist eine große Leistung und übertrifft alles, was er zuvor erreicht hat, obwohl Willkommen bei den Sch‘tis auch großartig war. Hier spürt man, dass er sein Fach meisterhaft beherrscht.
Foto:
© Verleih
Info:
Drehbuch & Regie Dany Boon
Besetzung
Tridan Lagache Dany Boon
Louis Kad Merad
Roxane Charlotte Gainsbourg
Didier Lagache Maxime Gasteuil
Francoise Lagache Caroline Anglade
Francoise Lagache (70) Aurore Clément
Abdruck aus dem Presseheft