Harold Fry1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Oktober 2023, Teil

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der 65jährige Rentner Harold Fry erhält eines Tages einen Brief von seiner ehemalige Arbeitskollegin und Freundin Queenie Hennessy (Linda Bassett), die er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat, in dem sie ihm mitteilt, dass sie in einem Hospiz in Berwick-upon-Tweed im Sterben liegt. Weil sie früher in der gleichen Firma gearbeitet haben und sie immer gut zu ihm war, beschließt Harold, ihr einen Brief zu schreiben und macht sich zum nächsten Briefkasten auf, um ihn einzuwerfen.


Doch dann überlegt er es sich, geht zum nächsten Briefkasten und dann wieder zum nächsten Postamt. Als er sich an einer Tankstelle erfrischt, trifft er eine junge Frau, die ihm erzählt, dass ihre Tante von Krebs geheilt wurde, einfach durch positives Denken und den Glauben nicht zu verlieren, denn das könne einen Menschen wieder gesund werden lassen.

Jetzt stellt Harold plötzlich fest, dass sich ein einfacher abgeschickter Brief falsch anfühlt. Aus heiterem Himmel beschließt er, von seiner südenglischen Heimat in Knightsbridge nach Berwick-upon-Tweed an der englisch-schottischen Grenze zu laufen, um Queenie den Brief persönlich zu überreichen und ihr hoffentlich durch sein Pilgern das Leben zu retten.

Während seine Frau Maureen (Penelope Wilton) Harolds Tun überhaupt nicht verstehen kann, beginnt er seine Wanderung in der Kleidung und den Schuhen, die er gerade anhat. Allerdings hat er schon nach einigen Kilometern gleich am ersten Tag die ersten Probleme, doch er gibt nicht auf, sondern läuft immer weiter, auch wenn er zu Beginn sich nachts noch in Hotels einmietet.

Je länger seine Wanderung aber dauert, desto weniger benötigt er. Er schläft jetzt draußen in einem gefundenen Schlafsack, ernährt sich von Wildkräutern, Beeren und dem was von Bauern zum Mitnehmen an die Straße gestellt wird. Auch trifft er immer wieder auf freundliche Menschen, die ihn spontan einladen oder wie die slowakische Ärztin, die in England nicht praktizieren darf, die aber nicht nur seine wunden Beine versorgt, sondern ihm auch noch neue passendere Schuhe und Kleidung schenkt.

Dann trifft er eines Tages in einer Gaststätte auf einen Journalisten, der seine Story in den Medien verbreitet. Plötzlich scharen sich Menschen um ihn und sind bereit, ein Stück seines Weges mit ihm zusammen zu gehen. Harold ist ein Medienereignis geworden.

Während der gesamten Wanderung erinnert sich Harold an sein Leben, an seine lieblose Ehe und an seinen Sohn David (Earl Cave) und an alle Fehler, die er im Laufe seines Leben gemacht hat.

Zur gleichen Zeit versteht Maureen nicht, warum Harold diese Wanderung machen muss. Sie ist wütend und eifersüchtig, doch nach und nach steht sie voll und ganz hinter Harolds Unternehmung und ermutigt.ihn zum Durchhalten.

Wird Harold noch rechtzeitig bei Queenie ankommen und werden Maureen und Harold wieder aufeinander zugehen können?


Harold Fry2″Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry″ geht auf den gleichnamigen Debütroman von 2012 und ersten Band einer Trilogie von der Autorin Rachel Joyce zurück. Der Roman war nach seinem Erscheinen ein großer weltweiter Erfolg. Die weiteren Bände heißen
Das Geheimnis der Queenie Hennessy (2014) und Die erstaunliche Entdeckungsreise der Maureen Fry (2023). Die Autorin hat auch selbst das Drehbuch des Films geschrieben. Regisseurin ist die britische Theater-, Fernseh- und Filmregisseurin Hettie Macdonald.

Das Road-Movie ist nicht der erste Film, in dem sich ein älterer Mann aufmacht, um etwas für ihn und eine andere Person Wichtiges zu erledigen. Bereits 2022 ist der Film ″Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr″ von Regisseur Gillies MacKinnon in die Kinos gekommen. In diesem Drama reist der von mit Timothy Spall gespielte Tom nach dem Tod seiner Frau mit seinem kostenlosen Busticket für lokale Busse von John o'Groats in Schottland nach Land's End in Cornwall, um dorthin zurückzukehren, wo er und seine Frau aufgewachsen sind, um dort die Asche seiner verstorbenen Frau zu verstreuen.

Beim hier besprochenen Film ist es der Drehbuchautorin und der Regisseurin gelungen, den leisen Humor und auch die warme und liebevolle Grundstimmung vom Roman in den Film zu übertragen. Harolds Begegnungen während seiner Wanderung wirken zwar häufig ein wenig märchenhaft, aber sie lösen auch Erinnerungen in ihm aus, so auch an seinen Sohn David und an die Gründe, warum die Ehe mit Maureen gerade auf dem Tiefpunkt angekommen ist. Letztendlich werden sich die Rückblenden zu einem dramatischen Ganzen zusammensetzen.

Auf Harolds Weg von Süd- nach Nord-England fängt die Kamerafrau Kate McCullough die wunderschönen Landschaften Englands sehenswert aber glücklicherweise ohne zu viel touristischen Kitsch ein. Dabei wird aber auch immer wieder deutlich was Harold von seiner Pilger-Wanderung eigentlich erhofft.

Mit Oscar-Gewinner Jim Broadbent konnte der perfekte Schauspieler für die Hauptrolle des Harold Fry gewonnen werden. Denn der Darsteller schafft es, dass die poetisch-leichten Erzählung nie ins allzu dramatische abgleitet. Broadbent kann mit wenigen Gesten hervorragend die Melancholie und das Bedauern über die verpassten Chancen darstellen, dadurch verkörpert er einen Mann zwischen Altersmilde und Alterstrotz, der nie gelernt hat, über seine Gefühle zu sprechen und der alles mit sich selbst ausmachen wollte.

Penelope Wilton spielt Maureen Fry, die als Ehefrau ganz plötzlich zurückgelassen wird und die zuerst einmal nicht versteht, was da eigentlich passiert und was die Hintergründe für Harolds Wanderung sind. Wilton zeigt aber auch meisterlich, wie Maureen langsam aus ihre Starre auftaut und sich zwar über Harold entrüstet und ihn beschimpft, aber nach und nach ihn versteht, ihn bestärkt und ihm beisteht.

Harold Fry3Die Bestselleradaption ist von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat ″besonders wertvoll″ ausgezeichnet worden, da sie mit poetischer Leichtigkeit, brillierenden Hauptdarstellern und zartem britischen Humor die Geschichte eines Mannes erzählt, der durch das Laufen Hoffnung schöpft - für seine todkranke Freundin, aber auch für sich. Ein tief berührender Film über das Resümee eines Lebens - mit allen Freuden und Fehlern.

Insgesamt ist ″
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry″ ebenso bewegende, wie universelle Geschichte über die Liebe. Es ist ein Film voller Wärme, Zuversicht, sanftem Humor und einer ordentlichen Portion Beharrlichkeit. Dabei nimmt das Road-Movie sein Publikum von Anfang bis Ende mit. Dadurch ist ein Film entstanden, der nicht nur glücklich macht, sondern den man sich auch unbedingt im Kino ansehen sollte.

Foto 1: Harold Fry (Jim Broadbent) und seine Frau Maureen (Penelope Wilton) © Constantin Filmverleih GmbH
Foto 2: Harold (Jim Broadbent) verzichtet auf seinem langen Weg auf jeglichen Luxus und übernachtet sogar im Freien © Constantin Filmverleih GmbH
Foto 3: Wilf (Daniel Frogson) und ein streunender Hund schließen sich der Pilgerreise an © Constantin Filmverleih GmbH

Info:
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry (Großbritannien 2023)
Originaltitel: The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry
Genre: Drama, Road-Movie, Romanverfilmung
Filmlänge: ca. 108 Min.
Regie: Hettie Macdonald
Drehbuch: Rachel Joyce, basierend auf ihrem Roman
The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry (2011)
Darsteller: Jim Broadbent, Penelope Wilton, Linda Bassett, Earl Cave, Joseph Mydell u.a.
Verleih: Constantin Filmverleih GmbH
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 26.10.2023