Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Dezember 2023, Teil
Hanswerner Kruse
München/Hamburg (Weltexpresso) - Julian Nagelsmann konnte in diesen Tagen für seine Teilnahme an der Auslosung der EM-Spiele in Hamburg weder Flieger noch Bahn benutzen. Weil die Schneemengen in München so gigantisch waren, setzte sich der kränkelnde Bundestrainer selbst ins Auto und düste acht Stunden lang einmal durchs ganze Land.
791 Kilometer. „791 km“, das ist auch der Titel des mobilen Kammerspiels im Taxi, das in dieser Woche in die Kinos kommt. In München sind die Stürme so gewaltig, dass weder Züge noch Flieger zum 791 km entfernten Hamburg starten können. Zufällig findet sich eine illustre Gesellschaft beim brummeligen, genervten Taxifahrer Josef (Joachim Król) ein, die aus unterschiedlichen Gründen am nächsten Morgen in der Hansestadt sein muss:
Die überambitionierte Tiana (Nilam Farooq) will ihre „Start-up-Präsentation,“ von der sie ständig redet, persönlich vorstellen. Althippie und Ökostreiterin Marianne (Iris Berben) hat einen wichtigen Untersuchungs-Termin, dazwischen hockt die unermüdlich plappernde, scheinbar geistig etwas behinderte Susi (Lena Urzendowsky) und Tianas Freund Philipp (Ben Münchow), ein Physiotherapeut, den nichts aus der Ruhe bringt.
Zunächst zieht sich der Film genauso wie die endlos lange Autobahnfahrt durch die Nacht. Das Paar streitet, Marianne gibt Öko-Weisheiten von sich, denen Josef mächtig wiederspricht: „Ihr wisst nicht was es heißt, arbeitslos zu werden“ und Susi kommentiert oder hinterfragt alles offenherzig und distanzlos. Schließlich plappert sie sogar noch Tianas Schwangerschaft aus, von der sie zufällig auf dem Klo hörte: „Tampons brauche ich ja jetzt nicht mehr.“
Als alle im Auto pennen und man hofft, dass Josef oder wir Zuschauer nicht auch noch einschlafen, werden die nächtlichen Ereignisse aufregender und komischer. Das Taxi gerät in eine Polizeikontrolle und Susi wird mit einem Luftballon als schwanger ausgegeben. Warum verraten wir hier nicht, jedenfalls wird das Taxi vom Polizeiwagen zur Klinik eskortiert, in dem traumartige Dinge passieren. Beispielsweise assistiert Susi als Krankenschwester bei einer Herz-OP – oder hat sie das nur fantasiert?
Wie auch immer und zu erwarten, durch Streitereien, Offenheit und viele Gespräche kommen sich während dieser nächtlichen Reise alle Beteiligten, mit all ihren Macken, Problemen und Geheimnissen einander näher – und das für uns Zuschauer glaubwürdig und nachvollziehbar. Der Film schrappt gut am möglichen sentimentalen Kitsch vorbei und ist ganz unterhaltsam, wenn auch kein Highlight der Filmgeschichte.
Kleine Warnung für Kritiker kultureller Aneignung:
Berben ist nicht dement, Urzendowsky nicht behindert, Król kein Taxifahrer und Münchow kein Physiotheraut, sie sind allesamt Schauspieler. Allenfalls Schauspielerin Farooq hat einen Migrationshintergrund...
Foto:
© Pantaleon Films Producers United Film
Info:
„791 km D 2023, 103 Minuten, FSK 12 Jahre, Filmstart 14. Dezember
Regie Tobi Baumann mit Iris Berben, Joachim Król, Nilam Farooq, Lena Urzendowsky, Ben Münchow