202403796 2 RWD 2400Vor der Berlinale 2024 (5)

Hanswerner Kruse 

Berlin (Weltexpresso) - Gestern gab es weitere Filme der Sektion Generation zum Vorabsehen für Journalisten, diesmal im Bereich Kplus, also für Kinder unter 14 Jahren. Der deutsche Eröffnungsfilm „Sieger sein“ dieser Reihe, spielt in einer Schule im Stadtteil Wedding, in der jeder gegen jeden kämpft. Die Kids untereinander, Mädchen gegen Jungen und alle zusammen gegen Lehrerinnen und Lehrer.

 

Da ich hier im Wedding wohne, gibt es einen direkten Bezug: Erneut ein langer Bahn-Streik, auch bei der S-Bahn, dadurch ist der Stadtteil mal wieder vom Rest Berlins abgeschnitten. Zum Glück fährt die U-Bahn untendrunter und mit den Bussen kurve ich tatsächlich durch den einst roten Wedding, den ich dadurch besser kennenlerne: „Roter Wedding / grüßt Euch Genossen / haltet die Fäuste bereit!“, hieß es in den 1920er Jahren, denn dieser Stadtteil war der ärmliche der Proletarier. 100 Jahre später leben hier die multikulturellen Underdogs, während sich an den Rändern die reicheren Stadtteile der Hauptstadt in den Wedding hinein gentrifizieren.

202403796 3 RWD 2400In diesen Kiez, wie die Stadtteile in Berlin heißen, gerät das syrisch-kurdische Flüchtlingsmädchen Mona und wird in der Schule von den anderen Kids gemoppt und körperlich angegriffen. In ihrer Heimat war sie eine gute Fußballspielerin, ihre Eltern flohen vor dem Assad-Regime, während sich ihre geliebte Tante dem kurdischen Widerstand gegen Assad anschloss. Zum Abschied schenkte sie dem Mädchen einen Ball. In der Schule hat sie zunächst keine Chance beim Fußball mitspielen zu dürfen, aber klar, Filme sind Märchen und nach allerlei Unbilden schafft sie schließlich den Anschluss.

Als die Stadtteilschule Wilmersdorf gegen die Schule 7 Wedding im Finale steht, erleben wir hier den Kampf der ewigen Gewinner gegen die ewigen Loser…

Natürlich kann diese kurze Inhaltsangabe überhaupt nicht die großartige Atmosphäre des Filmes wiedergeben. Doch mehr können wir hier sowieso nicht verraten, weil der Film auf der Berlinale seine Weltpremiere haben wird. Vorher dürfen wir ihn nicht öffentlich gründlich besprechen und kommentieren. Er ist unglaublich vielschichtig und dadurch recht lang (120 Minuten), obwohl er bereits für Kinder ab 9 Jahren geeignet ist.

Erzählt wird „Sieger sein“ wie ein Märchen und endet auch so. Thematisiert wird sehr sinnlich und bewegend das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen, die Rolle von Flüchtlingskindern in der neuen Heimat und der pädagogische Umgang mit ihnen. Der Widerstand der Kurden gegen das Assad-Regime in der Ferne wird ebenso deutlich, wie typische Kinder- und Jugendprobleme: Umgang mit Konflikten, Auseinandersetzungen mit den Eltern und Lehrern, erste Lieben, Schwulsein usw. Erzählt wird das alles durch Rückblenden, Erinnerungen und das gelegentliche Anhalten des Films, wenn Mona sich direkt an das Kinopublikum wendet. 

Hier in Generation gibt es also auch ganz großes Kino – und die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Film auch in die Kinos und später in das TV kommt. Die Vermarktung ist ein wichtiger – und in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommener – Zweig der Berlinale. Ich werde noch darüber berichten.

In Kplus werden bei ausländischen Filmen die Übersetzungen live auf deutsch hineingesprochen, in diesem Jahr gelegentlich bei manchen Filmen auch auf syrisch/arabisch oder ukrainisch.

Fotos:
© Stephan Burchardt / DCM
 Mona in Kurdistan beim Fußballspiel (oben), Mona im Gespräch mit ihrem einfühlsamen Lehrer und Trainer