Great Place1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Februar 2024, Teil 6

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) – Milton (Ben Kingsley) ist 78 Jahre alt, lebt in einer Kleinstadt in Pennsylvania in einem großen Haus und ist seit einigen Jahren Witwer. Er wird regelmäßig von seiner Tochter Denise (
Zoë Winters) besucht, der auffällt, dass Milton doch etwas vergesslich wird. Er ist aber nicht bereit, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen.


Seinen unaufgeregten Lebensabend verbringt er zwischen Gartenarbeit, Gemeindetreffen und Gedächtnistraining. Außerdem geht er regelmäßig zu den Treffen des Gemeinderates und stellt immer wieder die gleichen Anträge, die schon lange nicht mehr Ernst genommen werden. So meint er zum Beispiel, dass das Städtchen dringend einen passenderen Slogan bräuchte, da ″A Great Place to Call Home″ einfach zu ambivalent sei.

Doch dann macht eines Nachts ein UFO eine Bruchlandung in seinem Azaleenbeet und zerstört auch noch sein Vogelhäuschen. Zuerst traut sich Milton nicht mehr in seinen Garten und als er die Notrufzentrale anruft, glaubt ihm niemand. Als dann aber der kleine menschenähnliche Alien aus dem Raumschiff herauskommt und zusammengerollt neben dem beschädigten Raumschiff auf Miltons Terrasse liegt, hat der alte Mann Mitleid und gibt ihm zuerst einmal eine Decke und ein Glas Wasser. Als der Außerirdische dann frierend neben der Terrasse kauert, lädt Milton ihn dann doch in sein Haus ein.

Bei einem ausgiebigen Frühstück zeigt sich, dass der extraterrestrische Besucher nur Äpfel isst und Wasser trinkt. Allerdings glauben ihm aber weder seine Tochter, der Kassierer im Supermarkt und schon gar nicht der Gemeinderat, dass er einen seltsamen Gast zu Hause hat.

Bald darauf entdecken aber Miltons leicht schrullige ältere Nachbarinnen Sandy (Harriet Sansom Harris) und Joyce (Jane Curtin), dass Milton seit Neustem einen ungewöhnlichen und stummen Mitbewohner hat. Sie schließen ihn sofort ins Herz. Sandy nennt ihn ″Jules″. Jules sitzt mit ihnen beim Frühstück oder vor dem Fernseher, er spricht selbst nicht, hört aber den Gesprächspartnern verständnisvoll ist und versucht nebenbei sein Raumschiff zu reparieren.

Währenddessen berichten die Fernsehnachrichten, dass die Regierung nach einem angeblichen Wettersatelliten sucht, der in der Nähe der Stadt abgestürzt sein soll. Doch dann vermutet man, dass es ein unbekanntes Flugobjekt sein könnte und beginnt in Miltons Umgebung nach dem Alien zu suchen.

Great Place2Milton, Sandy und Joyce versuchen den Außerirdischen bei der Reparatur zu unterstützen. Mit einigen Bildern erklärt Jules seinen Freunden, dass er sieben tote Katzen für die Reparatur seines Raumschiffs braucht. Also machen sich Milton und Sandy auf den Weg in der Umgebung nach überfahrenen Katzen zu suchen (dabei finden sie das eine oder andere überfahrene Säugetier). Letztendlich fehlt noch eine Katze, bei der die Drei überlegen müssen, wo sie die herbekommen können, damit Jules mit seinem Raumschiff verschwinden kann, denn die National Security stehen schon vor Miltons Haustür…


Marc Turtletaub erzählt in seinem zweiten Langfilm als Regisseur (bisher war er vor allem als Produzent tätig) nach dem
Drehbuch von Gavin Steckler einen wunderbar kauzigen Film mit viel Witz, großer Wärme und einem außerirdisch starken Gespür für zwischenmenschliche Gemeinschaft.

Die kluge und berührende Komödie über den späten Sinn im Leben und die Lust am Abenteuer lebt neben den witzigen und teilweise schwarz-humorigen Szenen vor allem von den bewegend prägnanten Darstellungen der vier Hauptdarsteller:innen Ben Kingsley als Milton,
Harriet Sansom Harris als Sandy, Jane Curtin als Joyce und Jade Quon als Extraterrestrischer Jules. Dies gilt vor allem für die eigentlich als Stunt-Double bekannte Jade Quon, denn Jules ist rührend liebenswert, obwohl er während des gesamten Films kein Wort spricht, aber mit seinen Augen kommuniziert. Daneben besitzt er - wie man im Laufe des Films erfährt - auch ein paar sehr nützliche telekinetische Fähigkeiten.

Jules ist vergleichsweise klein aber von humanoider Gestalt, mit Armen, Beinen und Gesicht. Er wirkt geschlechtslos und hat eine bläulich-weiße Haut, die in speziellen Situationen aber deutlich nachdunkelt. Seine dunkelbraunen Augen scheinen verständnisvoll zu sein und sein Gesichtsausdruck ist ernst. Er spricht nicht und es ist lange nicht klar, was er eigentlich versteht, aber er schafft es mit seiner zurückhaltenden Art das Vertrauen und die Zuneigung von Milton, Sandy und Joyce zu gewinnen. Da Jules schweigt, neigen die drei Menschen um ihn herum dazu, sich zu öffnen, um die Stille zu überbrücken und vertrauen ihm Informationen aus ihrem Leben an. Dies führt z.B. dazu, dass Milton versucht, nach Jahren wieder mit seinem entfremdeten Sohn zu telefonieren.

Gerade in diesen Szenen sind
Harriet Sansom Harris als Sandy und Jane Curtin als Joyce wunderbar. Besonders bei Joyce erfährt man viel über ihre Vergangenheit in einer großen Stadt und ihre heutige Einsamkeit. Aber auch Ben Kingsleys Leistung als Milton ist herausragend, denn Milton muss letztendlich begreifen, was eigentlich mit ihm passiert und dass er am Ende eine Entscheidung für seine Zukunft treffen muss.

Daneben zeichnet Jules immer wieder Piktogramme von Katzen für Milton, die der zuerst einmal nur an den Kühlschrank hängt, bevor die drei Senioren endlich herausfinden, was es mit den Katzen auf sich hat. Denn ein Raumschiff, das tote Katzen als Treibstoff nutzt, ist schon eine ziemlich skurrile Idee. Dabei gibt es dann doch eine Szene mit recht schwarzem Humor, die aber dann doch sehr liebevoll gestaltet ist, vor allem auch weil die am stärksten Betroffene einsieht, warum es richtig ist, so und nicht anders zu handeln.

Great Place3Insgesamt ist ″A Great Place To Call Home″ ein einfühlsamer, intelligenter und niedlicher Film, der vom Regisseur Marc Turtletaub mit beachtlicher Integrität gefilmt wurde, denn er achtet sehr genau darauf, dass in zwei wichtigen Szenen nichts gezeigt wird, was man als Zuschauer nicht unbedingt sehen muss. Auch Jules ziemlich gefährliche, sogar tödliche Kräfte werden nicht negativ behandelt, denn er nutzt sie nur, um seine menschlichen Freunde zu schützen. Dabei hat die Tragikomödie zwar
viele tolle Lacher über die Art und Weise, wie die Charaktere mit dem Außerirdischen interagieren, aber es wird auch nicht die Probleme des Alterns – vor allem bei Milton - vergessen. Der charmante, schrullige und lustige Film ist im Kino unbedingt sehenswert – und das nicht nur für ältere Zuschauer.

Foto 1: v.l.n.r.: Joyce (Jane Curtin), Sandy (Harriet Sansom Harris) Milton (Ben Kingsley) und Jules (Jade Quon) © Neue Visionen Filmverleih
Foto 2: Denise (Zoë Winters) und Milton (Ben Kingsley) © Neue Visionen Filmverleih
Foto 3: v.l.n.r.: Milton (Ben Kingsley), Joyce (Jane Curtin) und Sandy (Harriet Harris) wollen Jules (Jade Quon) geheim halten © Neue Visionen Filmverleih

Info:
A Great Place To Call Home (USA 2023)
Originaltitel: Jules
Genre: Tragikomödie, Fantasy, Science-Fiction
Filmlänge: ca. 87 Min.
Regie:
Marc Turtletaub
Drehbuch: Gavin Steckler
Darsteller: Ben Kingsley, Harriet Sansom Harris, Jane Curtin, Jade Quon, Zoë Winters u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 01.02.024