Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Februar 2024, Teil 2
Redaktion
London (Weltexpresso) - Haben Sie sofort an Juliette Binoche und Benoît Magimel für die Rollen von Eugénie und Dodin gedacht?
Ich habe sofort an Juliette gedacht. Benoît kam erst später dazu. Juliette hat eine unglaubliche Präsenz. Sobald sie auftaucht, wird alles real, interessant und bewegend. Da sie im wirklichen Leben eine moderne, engagierte Frau ist, bringt sie eine innere Stärke in die Rolle ein, die ihren Widerstand gegen Dodins Begierden umso greifbarer macht. Sie ist sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber an den Tagen, an denen sie drehte, herrschte am Set eine bessere Disziplin. Und um ehrlich zu sein, wäre der Film ohne ihre Hilfe nie zustande gekommen. Sie blieb dem Projekt durch dick und dünn treu.
Benoît kam später, in letzter Minute. Er war ein großer Glücksfall. Er ist der entspannteste und lustigste Schauspieler, mit dem ich je gearbeitet habe. Er hat das große Talent, loslassen zu können und es ist einfach, mit ihm zu arbeiten. Wir haben gelegentlich Dialoge überarbeitet, wenn er sich mit einer Zeile nicht wohl fühlte. Ich habe sie dann ein paar Minuten vor dem Dreh umgeschrieben, und schon konnten wir loslegen
Die beiden wieder zusammenzubringen, nachdem sie zwanzig Jahre lang nicht zusammengearbeitet hatten, war etwas ganz Besonderes.
Sie müssen sehr präzise Handgriffe ausführen. Wie haben Sie sie im Vorfeld vorbereitet?
Sie waren sehr beschäftigt und hatten daher wenig Zeit. Zum Glück sind sowohl Juliette als auch Benoît im wahren Leben anspruchsvolle Feinschmecker. Sie kochen beide und erwiesen sich am Set als äußerst ausdrucksstark und präzise. Sie brauchten keine langen Vorbereitungen.
Es wurde also am Set geprobt?
Wir haben nicht viel geprobt. Wir haben uns direkt an die Arbeit gemacht. Ich glaube aber, dass sie aufgrund meiner Art zu filmen oft von meinen Sequenzaufnahmen mitgerissen wurden, wenn die Musikalität der Szene in ihren Händen lag. Sie nahmen die Figuren auf bemerkenswerte Weise in Besitz, ohne dass ich sie dazu aufforderte. Es war leicht, mit ihnen zu arbeiten.
Emmanuel Salinger, Patrick d'Assumçao, Fréderic Fisbach und Jan Hammenecker bilden das Quartett der Freunde und Dinnergäste. Wie haben Sie sie ausgewählt?
Jeder hat seinen eigenen Ton und sein eigenes Temperament. Emmanuel Salinger fand ich wunderbar als mittelmäßigen Arzt, aber großen Weinkenner. Mit seinem Humor hat Patrick D'Assumçao die Kraft, die Gruppe zu entspannen. Frédéric Fisbach, der auch Regisseur ist, verbindet alle miteinander. Und ich wollte unbedingt die ausländische Note, die der Belgier Jan Hammenecker mitbringt. Seine Anwesenheit zeigt, dass die Menschen damals reisten. Jan ist der Griesgram, ein wenig zurückgezogen, nicht unbedingt sehr sympathisch. Diese Freunde spielen eine sehr wichtige Rolle bei einer der beiden Taktiken, um Dodin zu helfen, die Trauer zu überwinden und sich nach Eugénies Tod mit dem Leben zu versöhnen. Die andere ist das Versprechen, das er Pauline gegeben hat.
Alle haben eine äußerst freundschaftliche Beziehung zu Eugénie ...
Die Freunde von Dodin sind auch die Freunde von Eugénie. Sie haben einen enormen Respekt vor ihr, wie die Szene zeigt, in der sie ihr einen genauen Bericht über das zu reichhaltige und chaotische Essen des Prinzen von Eurasien geben ...
... was eine Gegenoffensive von Dodin auslöst. Er, der Mann der vier Gänge, lädt ihn zu einem Pot-au-feu auf seine Art ein – in vier Gängen.
Und das ist für mich die Gelegenheit, endlich die Stärke der Beziehung zwischen Dodin und Eugénie zu zeigen. Er liest ihr das Menü vor, das er sich für den Prinzen wünscht, bittet sie um ihre Meinung, sie hört ihm zu und antwortet ihm. In diesem Moment wird deutlich, wie sehr die Leidenschaft für die Gastronomie die beiden verbindet.
Mit der Kunst des Essens entdeckt man auch die Kunst der Konversation ...
Das ist etwas, das mich sehr berührt hat, als ich das erste Mal nach Frankreich kam. Ich saß mit einer Familie am Tisch, die sich unterhielt, sogar darüber, was ihr Fünfzehnjähriger gerade las. Ich zitterte vor Aufregung, dass ich gleich an der Reihe sein würde und über meine momentanen Interessen sprechen müsste. Würde ich der Aufgabe gewachsen sein? Ich fand es wunderbar, anregend und beängstigend zugleich, dass man seine Meinung sagen konnte, ohne sich gegenseitig zu zerfleischen, und dass man sich dann anlächeln konnte, ohne dass der Ton aggressiv wurde. Das erschien mir außergewöhnlich.
Erzählen Sie uns von Pauline, die später Dodins Lehrling wird ...
Die kleine Bonnie Chagneau-Ravoire ist wunderbar. Wenn man ein Kind – oder einen Erwachsenen – vor die Kamera holt, dann wird das Bild plötzlich stimmig oder nicht, verdichtet sich oder nicht. Bonnie hat diese Eigenschaft. Ihre andere, beeindruckende Tugend ist, dass sie gut kauen kann. Es läuft einem das Wasser im Munde zusammen, wenn man sie kauen sieht und das war sehr wichtig für den Film. Pauline steht für die Weitergabe von Wissen. Aber auch aus erzählerischer Sicht ist es Eugénies Versprechen an Pauline, sie als Lehrling einzustellen, das den Freunden den Mut gibt, eine Liste von Kochkandidaten vorzuschlagen, die Dodin kurz zuvor noch abgelehnt hatte. Um Pauline auszubilden, braucht Dodin eine talentierte Köchin.
Es ist eigentlich ein Film über den Austausch und die Weitergabe ...
Ich komme aus Asien, wo die Menschen ihr Wissen nicht so gerne weitergeben. Wir nehmen es lieber mit ins Grab. Nach dem Tod von Eugénie sind Dodins Freunde davon besessen, ihm zu helfen, sich mit dem Leben zu versöhnen. Dodin trauert noch immer und lehnt es kategorisch ab, eine neue Köchin einzustellen. Erst Eugénies Versprechen, Pauline als Lehrling einzustellen, zwingt ihn dazu, eine Köchin zu finden, die Pauline ausbildet. Die Weitergabe des Wissens an Pauline und Dodins Rückkehr ins Leben gehen also beide auf denselben Erzählstrang zurück.
GELIEBTE KÖCHIN wurde in einem Schloss in Anjou gedreht ...
Ich hatte sehr wenig Zeit für die Vorbereitung und das Glück, dieses Schloss am zweiten Tag der Drehortbesichtigung zu finden. Es hatte eine wesentliche Eigenschaft: die Leichtigkeit, mit der zwischen den Räumen zirkuliert werden konnte, was die eiligen Aktivitäten zwischen der Küche und dem Esszimmer, zwischen Dodins Zimmer und dem von Eugénie usw. ermöglichte. Dodin läuft durch die Flure und über die Treppen, um zu Eugénie zu gelangen. In vielen Szenen sieht man, wie er nach ihr sucht und sie ihm entflieht.
Das Esszimmer von Dodin Bouffant war für seine extreme Raffinesse bekannt. Der Speisesaal im Film ist außergewöhnlich. Haben Sie sich von seinen Beschreibungen inspirieren lassen?
Nein, ich habe sie nicht berücksichtigt. Mein Team und ich wollten, dass die Schönheit aus der Genauigkeit entsteht. Wir mussten so nah wie möglich am Alltag der damaligen Zeit sein. Toma Baquéni, der Set-Designer, hat in der kurzen Zeit, die ihm zur Verfügung stand, großartige Arbeit geleistet.
Verwenden Sie Referenzen, wenn Sie Ihre Filme vorbereiten?
Ich benutze nie welche bei meiner Arbeit. Stattdessen machen die Deko- und Kostümteams untereinander, was sie wollen: Sie zeigen mir ihre Entscheidungen und ich bestätige sie. Mein Glück war, dass ich Tran Nu Yên Khê, die künstlerische Leiterin und Kostümdesignerin, hatte. Sie hat ein großartiges Auge und sieht sofort, was gut und was schlecht ist. Bei der Vorbereitung verlasse ich mich voll und ganz auf sie. Aber ich profitierte auch während der Dreharbeiten von ihrem Auge. Sie stand neben mir hinter der Kombo und überwachte alles, was auf der Leinwand erschien.
Jonathan Ricquebourg ist der Kameramann. Wie haben Sie beide zusammengearbeitet?
Er ist ein junger Kameramann, der wie ich und viele andere bei diesem Film von der École Louis Lumière kommt. Die Arbeit mit ihm war einfach. Ich sagte ihm: „Das Licht ist die Schönheit des Bildes, und das gehört dir. Aber der Rahmen, das ist die Dramaturgie, und die entsteht aus meiner Regie, aus dem, was ich als Regiedispositiv bezeichne.“ Am Set akzeptierte ich also spontan jede Beleuchtung, die Jonathan vorschlug. Dafür stimmten wir uns sehr stark über die Rahmung ab.
Was bedeutet der Schnitt für Sie?
Ich würde sagen, dass der Schnitt siebzig Prozent der Intuitionen bestätigt, die ich schon beim Schreiben des Drehbuchs hatte. Beim Schreiben empfinde ich den Film als eine musikalische Bewegung, als ein Tier, das sich auf eine bestimmte, anmutige Weise bewegt. Diese körperliche Empfindung stimuliert mich während der Dreharbeiten. Ich beobachte, wie die Bilder am Set Gestalt annehmen, ohne etwas zu ahnen. Der Schnitt bestätigt diese Intuitionen. Und die anderen dreißig Prozent sind dann die Entdeckung. Erst der Schnitt offenbart, wie solide das Gebäude ist, wie gut man die spezifische Sprache des Kinos verwendet hat, wie präzise der Übergang von einer Einstellung zur nächsten ist, der nicht einfach nur der erzählerischen und thematischen Notwendigkeit entsprechen sollte. Fehler lassen sich beim Schnitt leicht ausradieren. Und es gibt das Vergnügen, Qualitäten zu entdecken, die wie das Sahnehäubchen auf dem Kuchen auftauchen. In dieser Phase habe ich zum Beispiel entdeckt, was für eine großartige Schauspielerin Galatéa Bellugi ist, die Violette spielt. Ich war während der Dreharbeiten so sehr mit Benoît und Juliette beschäftigt, dass ich sie ihren eigenen Weg gehen ließ. Erst beim Schnitt habe ich gemerkt, wie gut sie den Ton getroffen hat, wie einfallsreich sie war und wie perfekt ihr Timing. Und was für eine wunderbare Präsenz. Der Tontechniker sagte mir, dass es am meisten Spaß gemacht hat, sie aufzunehmen! Der andere wichtige Teil des Schnitts ist der Ton.
Abgesehen von der Klaviertranskription eines Auszugs aus Jules Massenets Oper „Thaïs“ am Ende des Films gibt es in GELIEBTE KÖCHIN keine Musik. Und doch hat man das Gefühl, einen echten Soundtrack zu hören: das Brutzeln von Fleisch, der Wind, Vogelgezwitscher ...
Ich habe noch nie einen Film drehen müssen, der aufgrund seines gastronomischen Inhalts so viel Materialität beinhaltet wie dieser. All diese Materialien (rohes und gekochtes Fleisch, Gemüse, Federn, Fett, Butter, Erde, Wasser, Feuer, Holz, Metall usw.), mit denen unsere Figuren hantieren, haben die Musik bei der Komposition des Films natürlich zurückgewiesen. All diese materielle Realität ist so ausdrucksstark, dass sie unsere Figuren fest im täglichen Leben verankert. Musik hätte das untergraben. Aber am Soundtrack wurde sorgfältig und einfallsreich gearbeitet. Ich sage meinen Mitarbeitern oft, dass der Ton der Geschmack des Bildes ist: Das Bild hat seine Bedeutung, aber wenn man den Ton gut bearbeitet, hat man seinen Geschmack.
Sie haben seit 2016 und ETERNITY nicht mehr gedreht.
Ich würde gerne mehr drehen. Alle zwei Jahre wäre ein idealer Rhythmus für mich. Ich träume von dem alten Studiosystem. Man kommt jeden Tag in die Studios wie ins Büro, man arbeitet jeden Tag. Das würde mir sehr gefallen.
REGISSEUR / TRẦN ANH HÙNG Filmographie (Auswahl)
2023 GELIEBTE KÖCHIN
2016 ETERNITY
2010 NAOKOS LÄCHELN 2000 EIN SOMMER IN HANOI 1995 CYCLO
1993 DER DUFT DER GRÜNEN PAPAYA
Foto:
©Verleih
Info:
REGIE & DREHBUCH
Trần Anh Hùng
BESETZUNG
Eugénie / Juliette Binoche
Dodin / Benoît Magimel
Rabaz / Emmanuel Salinger Grimaud / Patrick D’assumçao
Abdruck aus dem Presseheft