koreInternationale Filmfestspiele Berlin vom 15. bis 25. Februar 2024, BERLINALE, Wettbewerb Teil  12

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Hauptdarstellerin Isabelle Huppert wird in der Pressekonferenz sagen, sie wüßte auch nicht, was das für eine Frau ist, die wir einen Tag auf ihren Wegen in Korea begleiten. Sie geht wenig, aber irgendwie immer. Es ist Iris, eine Französin, wie man hört, aber sonst glaubt ihr niemand irgendetwas. Und wir ihr auch nicht. Allerdings gibt es da auch nichts zu glauben, denn sie äußert sich wenig. Nein, stumm ist sie nicht, aber eigentlich ist ihr Hauptmerkmal, einfach da zu sein.

Das beginnt im Park, da sehen wir sie auf eine Kinderblockflöte Töne erzeugen, sanft und manchmal schief. Sie ist selbstvergessen. Doch, man hört, das sei ihr geraten worden, beginnt gleich ein Privatunterricht. Eine junge Koreanerin will Französisch bei ihr lernen und später kommt eine weitere, eine verheiratete Frau hinzu.Was ist das für ein Unterricht? Zuerst fragt sie die junge Frau nach Vorlieben, nach verschiedenen Dingen. Und wenn diese sich äußert, fragt sie weiter, fragt nach den Einstellungen, den Gefühlen der jungen Frau für die Objekte, von denen sie spricht und sagt ihr dann die Worte auf Französisch. Denn, das ist ihre Überzeugung, man lernt die Sprache besser, tiefer, wenn man sich ihr über das Gefühl ihr annähert. Auch das wird der alles machende Regisseur – schauen Sie sich bitte unten den Stab an – im Pressegespräch erläutern, daß er diese Methode des Sprachenlernens für den Film selber erfunden hat. Sie ist lustig und auch sinnvoll. Dazu schreibt Iris auf kleine Kärtchen Begriffe und Vorgehensweisen, die sie ihren Schülerinnen übergibt. Wobei die zweite Schülerin dasselbe erhält wie die erste!

Denn wir sehen sie schnurstracks bei der 2. Schülerin. Da geht es um eine gesettelte Dame, die oben aus dem zweiten Stock nach unten ruft, sie solle sich nur hochgetrauen, das Leben findet oben statt, wo auch ein großer Balkon Luft verspricht. Denn es ist heiß, hat man den Eindruck, Sommer und Hitze in Südkorea. Oben angekommen, gibt es auch einen freundlichen Ehemann, der immer dabei sitzt und sehr neugierig wirkt. Warum lernt er nicht mit? Und warum will diese Frau Französisch lernen. Nach Europa, nach Paris fahren? Solche schnöden Alltagssachen erfahren wir aber nicht. Wir erleben stattdessen intensiv Menschen beim Versuch, sich kennenzulernen und, was die Schülerin angeht, mehr über ihre Lehrerin und vor allem über die Methode des Sprachenlernens zu erfahren.
Wer Südkorea kennt, der weiß, daß Regisseur Hong Sangsoo hier mitten ins Herz der koreanischen Lebensweise sticht. Optimierung ist fast ein Selbstzweck. Selbstoptimierung erst recht. Da sehen wir also die lernwillige, gebildet und reich wirkende Frau in mittlerem Alter, die eine Frage nach der anderen zur Lehrmethode stellt, aber immer nur vage Antworten erhält. Am stärksten trifft sie, daß es kein Lehrbuch gibt. Denn das ist etwas, woran man sich festhalten kann, was System verspricht, überprüfbar ist.

Stattdessen werden ihr Fragen gestellt, fast psychologische Fragen, was sie mag, welche Gefühle sie bei diesem und jenem empfindet. Da wird aus der sanften, zurückhaltenden Iris eine deutlich leicht autoritär Auftrumpfende, während wir sie zuvor bei der Fragebatterie nach der Lehr- und Lernmethode hilflos stammelnd erlebt hatten. Hier passieren keine goßen Sachen, keine Auftritte, sondern wir befinden uns ständig in Atmosphären, die hervorgerufen werden, Wirkung entfalten und zum Auf- oder Abtreten von Personen führen.

Und zu Makgeolli. Das ist ein traditionelles alkoholisches Getränk es sieht nach Kokusnuß aus, der milchige, cremig-weiße Eindruck täuscht, denn es ist ein einfacher Reiswein, den früher hauptsächlich das Proletariat trank, eher Makgeolli ein Renner für alle wurde. Dieser Reiswein wird Iris hier offeriert, die dankbar darauf eingeht, denn es ist ihr Lieblingsgetränk und sie trinkt es jeden Morgen. Nun fließt zwischen den Dreien der Makgeolli in großen Gläsern, eins nach dem anderen. Und schon ist die Stimmung eine andere. Französisch allerdings hört man nicht mehr.

Dann sehen wir Iris weiterwandern. Sie geht irgendwohin, wird irgendwas machen. Hoffentlich weiß sie, warum. Aber da besteht wenig Hoffnung, denn die Hauptdarstellerin sagte ja dazu, sie wissen auch nicht, was Iris wolle oder tue. Und das sei spannend gewesen, eine solche Frau zu spielen, eine Französin ohne Hintergrund in Südkorea.

Foto:
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Info:
Südkorea 2024Koreanisch, Französisch, Englisch, Untertitel: Englisch, Deutsch

Stab

Regie   Hong Sangsoo
Buch.   Hong Sangsoo
Kamera.   Hong Sangsoo
Montage.  Hong Sangsoo
Musik.     Hong Sangsoo
Produzent*in. Hong Sangsoo


Besetzung

Isabelle Huppert (Iris)
Lee Hyeyoung (Wonju)
Kwon Haehyo (Haesoon)
Cho Yunhee (Yeonhee)
Ha Seongguk (Inguk)
Kim Seungyun (Isong)
Kang Soyi (Soha)
Ha Jinwha (Ranhee)