Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Dezember 2011
Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) –Wo die Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation verläuft, kann man nicht generell beantworten. Oft erlebt es der Zuschauer anders, als das Vorhaben eigentlich war und ist. An zwei Beispielen kann man das diese Woche gut verfolgen: an der kubanischen Langzeitdokumentation über eine Familie und dem dppelbödigen Spielfilm, in dem die Geschichte von Kolumbus als Film eine Rolle spielt.
UND DANN DER REGEN
Die Regisseurin Icíar Bollaín traut sich was. Da inszeniert ein spanisches Filmteam einen Film über Kolumbus, der genauso politisch korrekt daherkommt, wie das immer sein muß: die bösen Spanier überlisten die arglosen Indianer, denn der Mythos Kolumbus soll endgültig zerstört werden. Man erlebt den Beginn, die Aufbauarbeiten in Bolivien, wo die Kulissen grandios werden, das gemeinsame Essen, wie Schauspieler vorsprechen. Fernsehkulturprogramm also.
Aber da hat sich der Zuschauer geschnitten. Denn eigentlich geht es um das heutige Verhältnis der damaligen Protagonisten, in das auch der Zuschauer automatisch einbezogen wird. Regisseur Sebastían (Gael García Bernal), noch sehr jung, und Costa (Luis Tosar), der Produzent und gestandene Mann (hombron) haben Glück, denn die Einheimischen, die für die Produktion des Films über Christoph Kolumbus angeheuert werden, sind willig und billig. Wenn da nicht Daniel (Juan Carlos Aduviri) wäre, der schon so ausschaut, wie man sich einen der frühen Aufständischen vorstellt und der deshalb den Volkshelden Hatuey spielen soll.
Das muß er auch sogleich im wirklichen Leben, denn am Drehort will ein Großkonzern die Wasserrechte erwerben und teuer verscherbeln. Für die Einheimischen ist aber das Wasser das ihre, Geld dafür hätten sie sowieso nicht. Die Regisseurin läßt diese beiden Geschichten, das Filmdrehen und die aktuelle Dorfgeschichte erst einmal parallel verlaufen, bis wir mittendrinn sind und der Kampf der Einheimischen gegen die Eroberer nicht mehr von dem gegen die Wasserherren zu unterscheiden ist. Als dann Daniel als Volksaufwiegler verhaftet wird, steht das Filmprojekt in Frage.
Da geht es aber „nur“ um das Geld, das in das Projekt hineingesteckt wurde, für die Bevölkerung geht es beim notwendigen Wasser um ihr Leben. Bürgerkrieg ist die Folge. Die Zerrissenheit der Filmmannschaft ist deutlich zu spüren. Sie geben der indigenen Bevölkerung recht, brauchen aber Ruhe zum Drehen. Wie soll man sich entscheiden. Für das Gewissen oder für das Durchsetzen des Projektes, des Geldes, des Prestiges? Diese Zuspitzung fühlt auch der Zuschauer.
A LETTER TO THE FUTURE
Ganz im Heutigen bleibt die kubanische Dokumentation von Renato Martins über die Familie Torres. Sie spielt in Havanna, vier Generationen leben in einem Haus. Dabei ist schon das Leben für sich schwierig, mit den Alltagskonflikten von Stromausfall, mangelnden Lebensmitteln und das Verhältnis zur Ideologie des Systems. Aber Familie bleibt Familie.
ICH REISE ALLEINE
Jarle ist Student der Literatur und auf einmal Vater einer siebenjährigen Tochter, an deren Erzeugung er sich deshalb nicht erinnert, weil er volltrunken war. Lotte soll nun den Vater kennenlernen und der mit ihr Geburtstag feiern, was mit dem bisherigen Partyleben des Jarle nichts mehr zu tun hat und ihm neues Verhalten und ein neues Verhältnis zum Leben aufzwingt.
DARKEST HOUR
Da fallen Leuchtwölkchen vom Himmel, sind aber Außerirdische. Und das noch in Moskau, wo die Discogäste sich nicht mehr einholen. Darunter sind zwei Amerikaner, die in Moskau das dicke Geld machen wollen, und nun zeigen, was der Westen zu leisten imstande ist, denn die meisten Moskauer sind schon gestorben und sie kämpfen nun mit zwei Angebeteten, ja natürlich, Moskauerinnen sind schön, und einem Nebenbuhler allein gegen die fast Unsichtbaren. Da braucht man Tricks wie Licht, um ihnen Gestalt zu geben, was der Film lustvoll durchexerziert.
BLUTZBRÜDER
Zwei Freunde wollen Rapper werden. Da es sich um Sido und B-Tight handelt, sind dann alle froh, daß sie es werden.
SAMSON & DELILAH
Im Reservat für Aborigines fühlten sich die beiden Teenager nicht als etwas Besonderes. Nun aber in der Großstadt, wird ihre Individualität von draußen bestimmt. In dieser Situation lernen sie, was sie aneinander haben: Gesellschaftsdrama und Liebesgeschichte.