Redaktion
Hollywood (Weltexpresso) - Im Jahr 2018 liest Borgli von einem Professor, der seinen Lehrauftrag verlor, vor Gericht eine hohe Abfindung erhielt und zum Sprecher der sogenannten „Cancel Culture“ wurde. „Damals gab es noch kein Wort für das, was mit ihm passierte, aber mich interessierte, wie Studenten ihm über den Campus folgten und sein Auto demolierten", so Borgli. „Es klang wie ein alter Western, in dem jemand aus einer Stadt verbannt oder von Dorfbewohnern mit Heugabeln vertrieben wird wie Frankenstein. Dieses Szenario hatte für mich etwas sehr Filmisches.”
Borgli stellt fest, dass es noch andere Professoren mit ähnlichen Geschichten gab, die in Podcasts auftraten, um sich selbst zu erklären. „Einige von ihnen behaupteten in einem oft narzisstischen und fast wahnhaften Tonfall, sie seien um Nobelpreise oder akademische Ehren betrogen worden", so Borgli. „Ich war regelrecht besessen von diesen Figuren. Alle waren völlig überrascht von ihrer Entlassung, denn sie waren der Meinung, dass sie nichts Falsches getan hätten und dass alle Vorwürfe nur in den Köpfen ihrer Studenten existierten. Und so nahm eine Idee Gestalt an.”
Borglis bisherige Filme sind Satiren oder, wie Borgli es nennt, „ein konstruktives Mobbing unseres kollektiven Verhaltens“. „Ich habe die Hoffnung, dass sich unser Verhalten allein durch das Anschauen verbessert", so Borgli. „Als ich ‚Sick of Myself‘ schrieb, wurde mir klar, dass man ein Phänomen am besten durch Komik entlarven kann, indem man zeigt, wie nackt und roh etwas sein kann, wenn man die Aufmerksamkeit darauf lenkt.“ Als „Sick of Myself“ erste Erfolge feiert, wird Borgli dem Produzenten Lars Knudsen vorgestellt, der bereits mit den Filmen von Ari Aster und Robert Eggers erfolgreich war. „Ich bin Norweger, Lars ist Däne, und die Leute, die mich empfohlen hatten, dachten, wir würden gut miteinander auskommen, weil wir beide Skandinavier sind“, berichtet Borgli.
Die beiden Skandinavier treffen sich zum Abendessen und verstehen sich tatsächlich prächtig. „Als die Zeit reif war, schickte ich ihm ‚Dream Scenario‘", so Borgli. „Lars hatte gerade mit dem Autor, Regisseur und Produzenten Ari Aster seine Firma Square Peg gegründet. Er leitete das Buch an Ari weiter, dem es gut gefiel, und dann hatte ich ein Gespräch mit beiden Produzenten. Sie erwiesen sich als großzügige Unterstützer meiner Arbeit.“
In „Dream Scenario“ gibt es, genau wie im Vorgängerfilm, eine Hauptfigur, die anfangs völlig unscheinbar und harmlos daherkommt, im Laufe der Geschichte aber immer zweideutiger wird und zum dritten Akt hin völlig aus den Fugen gerät. Beide Protagonisten leben in grünen, idyllischen Vororten und scheinen alles zu haben, was ein glückliches Leben ausmacht. „Paul ist ein Gentleman und ein zutiefst nachdenklicher Mensch, dem seine Arbeit und seine Schüler am Herzen liegen, der aber aufgrund persönlicher Unsicherheiten nicht wirklich zu etwas gebracht hat", so Cage. „Er möchte etwas veröffentlichen und weiß nicht genau, was ihn daran hindert. Er sucht die Schuld bei anderen.“
Borgli fügt hinzu: „Paul hat ein schönes Haus und eine Familie, die ihn liebt, er arbeitet an einer Universität, die vielleicht nicht Harvard ist, aber auch nicht irgendein herunter- gekommenes Community-College. Dennoch hat Paul den Eindruck, dass in seinem Leben etwas fehlt.“
Dann fangen plötzlich mehrere Menschen an, von Paul zu träumen, und sein häusliches Leben verändert sich. „Paul ist kein Mann, dem im Leben viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, daher ist er völlig aus dem Häuschen, wenn die Leute in einem überfüllten Restaurant ihn anschauen“, so Nicholson. „Doch Janet steht diesen Veränderungen von Anfang an skeptisch gegenüber. Sie möchte, dass Paul sich zurückhält und das Ganze für sich behält.“
„Er ist der Letzte, von dem man denken würde, dass alle von ihm träumen“, befindet Cage. „Er ist kein Adonis, kein Rockstar, kein Fußballheld - er ist einfach nur dieser unbeholfene, wenn auch intelligente Vater – ein absolut durchschnittlicher Kerl, den normalerweise niemand übermäßig beachten würde.“
Matthews erlangt im Verlauf der Handlung sogar internationale Berühmtheit und erregt damit die Aufmerksamkeit der zwei eifrigen Branding-Manager Mary und Trent (Michael Cera und Kate Berlant). Sie versuchen, Matthews' Ruhm auf skurrile Weise zu Geld zu machen. „Mary und Trent sind begierig darauf, aus Pauls Entwicklung Kapital zu schlagen, und haben bei seinem Anblick sofort Dollarzeichen in den Augen“, so Berlant. „Selbst als der Wirbel um Paul nachlässt, passen sie ihre Strategie daran an, damit sie trotzdem an ihm verdienen können."
Doch als sich die kollektiven Erscheinungen in blutige Albträume verwandeln, wendet sich zuerst Pauls Familie und dann die ganze Welt gegen ihn. „Sobald die Menschen Albträume von Paul haben, ist jedes Familienmitglied sofort unmittelbar davon betroffen“, so Nicholson. „Das ist eine interessante Idee: sich keiner Schuld bewusst zu sein, aber die ganze Welt gegen sich zu haben.“ In „Dream Scenario“ finden Borgli und Cage eine gelungene Balance zwischen Komödie und Horrorfilm, indem sie Pauls Aufstieg und Fall persiflieren, aber auch die dunkle Seite seines Werdegangs aufzeigen. „Paul ist eine lustige Figur, aber es ist auch herzzerreißend und erschreckend, was er im Laufe des Films erlebt", so Cage. „Ich habe großen Respekt vor Kristoffers Fähigkeit, ein Gesamtkunstwerk aus seinen eigenen Gedanken heraus zu erschaffen.“
Borgli fügt hinzu: „Ich sage meinen Schauspielern, dass sie in ein Drama verwickelt sind - sie wissen nicht, dass es eigentlich eine Komödie ist. Und so wird der Film aus der Sicht des Publikums zu einer Komödie. Die Hauptfigur ist mit derart bedrohlichen Umständen konfrontiert, dass die Lage tatsächlich todernst wird. Aber gerade an diesem Punkt entsteht für mich die Komik. Die befreiendsten Lacher entstehen in Situationen, in denen man versucht, nicht zu lachen.“
Fortsetzung folgt
Foto:
©Verleih
Info:
Buch und Regie
Kristoffer Borgi
Besetzung
Sophie Matthews. Lily Bird
Paul Matthews. Nicolas Cage
Janet Matthews. Julianne Nicholson
Hannah Matthews. Jessica Clement
Greta. Star Slade
Andy. David Klein
Miles Kaleb Horn
Avery Liz Adjei
Sheila Paula Boudreau
Claire. Marnie McPhail Diamond
Jessie. Noah Lamanna
Brett. Tim Meadows
Richard. Dylan Baker
Abdruck aus dem Presseheft