Redaktion
Paris (Weltexpresso) - OMEN erzählt die verflochtene Geschichte von vier kongolesischen Charakteren die sich als Hexen bezeichnen. Warum haben sie dieses Thema gewählt?
In Swahili bedeutet mein Name, Baloji, „Zauberer“, oder „Zauberer, der die Kräfte aller anderen Zauberer übernehmen kann“. Es ist ein furchtbarer Name, in allem Ernst. Es ist, in Belgien ist es als würde man “Teufel“ oder „Dämon“ getauft werden. Weil das mein Name ist, und weil Leute mich damals als Zauberer gelabelt haben, bin ich von der Hexerei immer fasziniert, und von Leuten die als andersartig angesehen werden. Das ist warum Koffi, der Hauptcharakter des Films, einen Portwein-Fleck auf dem Gesicht hat: Ich wollte das Gehalt dieses Labels visualisieren.
Warum haben Sie sich entschieden den Fokus auf mehrere Charaktere zu legen, anstatt auf einen Protagonisten?
Ich wollte verschiedene Formen von Zuweisung zeigen, damit ich das Thema in einem breiteren Spektrum beleuchten kann. Für eine Frau wie Tshala, ist als Hexe bezeichnet zu werden, eine größere Bürde als für einen Mann. Für ältere Frauen wie Mujila ist es noch schlimmer. Das war das Wichtigste für mich zu zeigen: wie die Gesellschaft für Männer ist und wie sie versucht weibliche Körper zu kontrollieren. Was passiert, wenn ein junges Mädchen keine Kinder haben will? Oder wie eine Frau komplette zur Seite geschoben wird, wenn sie älter wird. Ich habe mich viel mit Feminismus auseinandergesetzt. Ich denke, das ist meine Pflicht als Mann, weil ich Teil des Problems bin. Und ich bin auch Teil der Lösung. Auf dieselbe Weise wie Rassismus das Problem von Weißen Menschen ist: es kann nicht gelöst werden, wenn Weiße Menschen nicht darüber sprechen.
Paco, einer der Hauptcharaktere, ist ein Junge der als Zauberer gilt.
Wenn Eltern Geldprobleme haben, ist der Aberglaube, dass das jüngste Kind daran schuld ist, die angelblich die Familie verflucht haben. In diesen Fällen werden die Kinder oft von den Familien weggeschickt, und sie landen auf der Straße. Das passiert mit Paco. Aber er geht mit dieser Situation sehr anders um als Koffi, der sich schämt und denkt, dass es das Schlimmste ist, was ihm je passiert ist. Paco hat gelernt diesen Umstand für sich zu nutzen: er vollführt Zaubertricks und verschreckt Leute. Er ist stolz auf diesen Titel.
Spiegelt das Ihre eigne Einstellung dazu wider? Als Kind sind Sie auch Zauberer genannt worden und heute machen Sie Filme, die ja auch eine Art Zaubertrick sind.
Ja, ich habe schlussendlich akzeptiert, dass ich mein Name bin. Im Kongo habe ich gelernt, dass mein Name ursprünglich „Mann der Wissenschaft“ ist, also eine positive Bedeutung hat. Erst mit dem Kolonialismus wurde “Baloji” mit etwas Negativem konnotierten. Jetzt kann ich damit umgehen. Und als ich anfing Filme zu machen, habe ich beschlossen, ein wenig Magischen Realismus miteinfließen zu lassen. Er ist Teil von mir, und deshalb muss er auch Teil meines kinematischen Ausdrucks sein.
Sie haben schon so viele verschieden Dinge in Ihrem Leben gemacht: Sie haben als Obstpflücker gearbeitet, waren Teil der erfolgreichen belgischen Hip-Hop Gruppe Starflam, haben geschauspielert... Wann haben Sie davon angefangen zu träumen Regisseur zu werden?
Von 1998 bis 2006, habe ich über einem Musik- und Videoladen in Brüssel gewohnt. Jeden Tag habe ich unten meine Post abgeholt und dann mit den Typen, die im Laden abhingen, über Filme gesprochen. Sie haben mir Filme wie Gus Van Sants GERRY gezeigt, die einen sehr anderen Rhythmus haben. Das war meine Filmschule. Über Jahre hinweg, habe ich jeden Tag Filme geschaut. Und da ich schon Interesse an Musik, Mode und Kunst hatte, war Film der perfekte Platz für mich, weil es alle meine Leidenschaften vereint in einer Kunstform.
Biografie Baloji
1978 in Lubumbashi (Demokratische Republik Kongo) geboren und sesshaft in Belgien, ist Baloji (nicht zu verwechseln mit dem Fotografen Sammy Baloji) ein preisgekrönter Musiker, Filmemacher, vielseitiger Künstler, der als Art Director arbeitet, und außerdem Kostümdesigner für Mode und andere visuelle Kunstformen ist.
Die Bedeutung des Namens Baloji bezieht sich auf okkulte und böse Kräfte. In Suaheli bedeutete er ursprünglich „Mann der Wissenschaft“, aber in der Kolonialzeit wurde er zu „Mann der okkulten Wissenschaften/Zauberer“. Diese Zuordnung und schwere Bürde hat Balojis gesamtes Werk beein- flusst und war gleichzeitig Antrieb für einen spielerischen und empirischen Ansatz, er gestaltet Balojis Vision des Imaginären, welche zwischen Oneirismus und magischen Realismus angesiedelt ist; dies geschieht vor allem durch die Arbeit an der Maske und Symbolen, durch Assoziationen von Farben und Klängen, welche durch seine Synästhesie hervorgerufen werden.
Als Filmemacher veröffentlichte Baloji seinen ersten Spielfilm AUGURE / OMEN (in der offiziellen Auswahl Cannes 2023), der von einem vierteiligen Soundtrack begleitet wird, bei welchem jedes Album aus dem Blickwinkel einer der Hauptfiguren geschrieben ist. Das Projekt wird außerdem von einer Wanderausstellung begleitet, die die Kostümentwürfe und Fotos des Projektes zeigen. Der Film OMEN folgt mehreren Kurzfilmen, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen und weltweit vertrieben wurden, unteranderem ZOMBIES (London FF).
Als Musiker hat Baloji zwei von der Kritik hochgelobte Alben und zwei EPs veröffentlicht, die neuste EP „Avenue Kaniama“ wurde bei Bella Union Records (Father John Mistry, Fleet Foxes) veröffentlicht.
Filmografie Baloji
2023 - OMEN, Regie & Drehbuch Cannes Un Certain Regard
2019 - ZOMBIES (Kurzfilm), Regie & Drehbuch
Kuzfilmtage Oberhausen – Hauptpreis / London Film Festival / Clermont-Ferrand Short Film Festival / Mubi Awards – Best Short Film
2018 - PEAU DE CHAGRIN, BLEU DE NUIT (Kurzfilm), Regie & Drehbuch Clermont-Ferrand Short Film Festival
Foto:
©Verleih
Info:
Stab
Regie und Drehbuch. Baloji
Kamera. Joachim Philippe
Besetzung
Marc Zinga Koffi
Yves-Marina. Gnahoua Mama Mujila
Marcel Otete. Kabeya Paco
Eliane Umuhire. Tshala
Lucie Debay. Alice
Abdruck aus dem Presseheft