Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2024, Teil 12
Redaktion
Hollywood (Weltexpresso) – Wie die Großmutter, Oscar®-Preisträgerin Helen Mirren, ihrem Enkel Julian (Bryce Gheisar) erzählt, wurde ihr idyllisches Vorkriegsleben als junges Mädchen durch die Nazi-Besetzung ihres Dorfes in Vichy-Frankreich zerstört. Ein Junge, den sie und ihre Klassenkameraden einst gemieden hatten, wird zu ihrem Freund und Retter.
Mirren geht auf Julians missliche Lage ein: „Wie viele Teenager macht er eine schwierige Zeit durch, in der er seinen Platz in der Welt nicht zu finden vermag. Als Reaktion darauf schlägt er wild um sich." Gheisar ergänzt: „Der Julian in diesem Film hat sich seit Wunder in vielerlei Hinsicht verändert. Er konnte erkennen, dass er sich falsch verhalten hat, versteht aber nicht wirklich, warum." Indem sie ihre außergewöhnliche Überlebensgeschichte und ihre Erinnerungen an die erschütternde Zeit mit ihm teilt, die sie in genau in seinem Alter durchlebt hat, hofft sie, ihm dabei helfen zu können, die komplizierten und düsteren Aspekte der Welt zu akzeptieren. „Aber wie Martin Luther King sagt, muss man das Licht in sich selbst finden. Dunkelheit kann niemals die Dunkelheit vertreiben. Das ist die Lektion, die sie ihm beibringen will, indem sie einfach ihre Geschichte erzählt."
Ariella Glaser schlüpfte in die Rolle der jungen Sara Blum, während Orlando Schwerdt Julien "Tourteau" Beaumier verkörperte, den Klassenkameraden, der Sara unter großem persönlichen Risiko versteckt. „Als ich Ariella zum ersten Mal sah, fiel mir sofort ihre Zartheit auf. Gleichzeitig wirkt sie sehr stark", erinnert sich Forster. Für ihn brachte die junge Schauspielerin genau die Eigenschaften mit, die notwendig waren, um den vielschichtigen Charakter der Sara authentisch darzustellen.
Für Glaser vermittelt WHITE BIRD die gleichen Botschaften von Güte und Mitgefühl wie Wunder, und es ist Julian, der sie in der heutigen Zeit weiterträgt. Sie erinnert sich an die ersten Gespräche mit Marc Forster: „Wir sprachen darüber, dass es fast eine Erlösungsgeschichte ist, weil er am Ende den richtigen Weg wählt." Schwerdt, der Wunder im Alter von sieben Jahren zum ersten Mal gelesen hat, und sofort zum R.J. Palacio-Fan konvertierte, war begeistert, Julien zum Leben erwecken zu dürfen. „Er ist eine zentrale Figur des Wunder-Universum, die ich wirklich geliebt habe."
Forster schreibt Schwerdt die Fähigkeit zu, sich in jeden verwandeln zu können, den er sich vornimmt. „Es ist außergewöhnlich mit den beiden zu arbeiten", sagt der Regisseur über das junge Duo. „Sie sind voll konzentriert und nehmen ihr Handwerk sehr ernst." Die Besetzung von Ariella und Orlando als Sara und Julien basierte auch darauf, dass der Regisseur wollte, dass „sich das Publikum in sie verliebt, dass man sich zu seiner ersten Liebe zurücktransportiert fühlt, dass man diese Liebe miterleben und Schauspieler haben möchte, die in der Lage sind, die Liebe zum Leben zu erwecken und sie glaubwürdig zu machen."
Sara wächst in einem großbürgerlichen, jüdischen Haushalt unter der Obhut ihrer lebhaften, liebevollen Mutter Rose (Olivia Ross), einer Mathematiklehrerin, und ihrem sanften Vater Max (Ishai Golan), einem Chirurgen, in dem malerischen französischen Dorf Aubervilliers-Aux-Bois auf. Sie besucht voller Freude die École Lafayette, wo sie und ihre besten Freundinnen Mariann (Selma Kaymakci) und Sophie (Mia Kadlecova) abwechselnd Julien, auch Tourteau, die Krabbe, genannt, wegen seinen unbeholfenen, von Polio geplagten Bewegungen, ignorieren oder verspotten. Trotz seiner Krücke und den Schwierigkeiten beim Laufen, findet Julien Trost und Freude daran, samstagabends den Projektor im Cinema Mernuit zu bedienen, wo er Sara oft beobachtet, während sie sich im Publikum amüsiert.
Als plötzlich deutsche Soldaten an der École Lafayette eintreffen, um die anwesenden jüdischen Schulkinder zusammenzutreiben, flehen Pastor Luc (Stuart McQuarrie) und Saras Lehrerin Mademoiselle Petitjean (Patsy Ferran) sie an, vom Gelände zu flüchten und sich mit ihren jüdischen Mitschülern im Wald zu verstecken. Während die Soldaten Sara entschlossen verfolgen, ist es Julien, der heldenhaft einspringt, um sie über die Abwasserkanäle, die sich unter den Kellern der Schule dahinschlängeln, in Sicherheit zu bringen. Julien, der dank seines Vaters, eines Kanalarbeiters, mit dem Areal vertraut ist, führt sie durch kilometerlangen knietiefen Nebel in die Sicherheit des bescheidenen Wohnsitzes seiner Eltern im ländlichen Dannevilliers. Dort bietet er ihr an, sie auf dem oberen Heuboden ihrer verfallenen Steinscheune zu verstecken, bittet sie aber darum, die stets wachsamen Augen der Lafleurs (Miroslav Taborsky & Zuzana Hodkova) im Obergeschoss zu meiden.
Die zweifache Emmy®-Preisträgerin Gillian Anderson schlüpft in die Rolle von Juliens Mutter Vivienne Beaumier und der Brite Jo Stone-Fewings verkörpert Juliens Vater Jean Paul. Andersons erste Lektüre von Bombacks Drehbuch berührte sie sogleich zutiefst. „Wir haben Aspekte dieser Geschichte in Bezug auf die deutsche Besatzung Frankreichs schon häufiger gesehen. Auch die Auswirkungen, die so etwas auf die Gemeinschaften in den folgenden Jahrzehnten haben kann, sind uns bekannt. Aber die Konsequenzen, die es für diese individuellen Schicksale hat, die Entscheidungen, die sie treffen müssen, der Grad des Mitgefühls und der Güte, den sie einander entgegenbringen, unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Das erschien mir besonders und erzählenswert."
Trotz der harten Kriegsrationierung und ihrer immer bescheidener werdenden Mittel versorgen die Beaumiers Sara selbstlos mit Unterkunft, Decken, Essen und Wasser, sowie mit sauberer Kleidung, oft Viviennes eigener, und versprechen ihr, die vermissten Eltern zu finden. Die Jahreszeiten ziehen vorüber, aber Sara bleibt auf dem schattigen Heuboden versteckt, während draußen der Krieg tobt. Trotz des ständigen Gefühls drohender Gefahr kennt die Güte der Beaumiers keine Grenzen. Julien versorgt Sara mit Buntstiften, da er sich daran erinnert hat, dass sie gerne zeichnet.
Stone-Fewings findet, dass die Geschichte an diesem Wendepunkt besonders nachhallt, „weil es hier um Isolation geht, wie wir sie alle erlebt haben". Er fügt hinzu: „Obwohl es in erster Linie ein Film über Empathie und Charakterstärke ist, geht es doch auch darum, wie man die Isolation übersteht. Forster hörte von einem Holocaust-Überlebenden, der sich jedes Mal, wenn er eine neue Bekanntschaft machte, instinktiv fragte: „Wäre diese Person gutherzig genug gewesen, mich zu verstecken?" und in gewisser Weise wirft WHITE BIRD bei jedem von uns die Frage auf: 'Wären wir mutig genug gewesen, zu helfen?'"
Sara, von klein auf eine begabte Künstlerin, verbringt einen Großteil ihrer Zeit auf dem Heuboden, um in ihr geliebtes Skizzenbuch zu zeichnen oder zu singen, wobei ihre nie versiegende Kreativität ihr immer ein Gefühl der inneren Sicherheit vermittelt. Noch etwas gibt ihr Halt, als sie den Überblick über die Monate und Jahre verliert: Juliens nächtliche Besuche in der Scheune, um mit ihr den Unterricht des Tages und das Kartenspielen nachzuholen. Langsam wird die Scheune zu Saras ganzer Welt und Julien zu deren Mittelpunkt. „Es war unglaublich, diesen Film mit Ariella zu realisieren. Wir gehen unterschiedlich an die Arbeit heran, aber das hat sich zu unserem Vorteil ausgewirkt. Julien und Sara lernen, sich zu verstehen, obwohl sie sehr unterschiedliche Hintergründe haben. Ariella bringt eine wunderbare Energie in jede Szene ein und es ist einfach wundervoll, mit ihr zu arbeiten."
Manchmal klettern die beiden auf den Vordersitz des rostigen alten Autos, das in der Scheune steht, und unternehmen imaginäre Fahrten zu weit entfernten Orten. Anderson äußert sich über Saras und Juliens besondere Beziehung: „Sie verbringen viel Zeit miteinander. Einiges spielt sich nur in der Fantasie ab, während sie so tun, als wären sie mit dem Auto unterwegs. Den Projektor auf dem Dach aufzustellen, war eine entzückende Idee, romantisch und magisch zugleich. So entsteht eine Leichtigkeit und ein Vergnügen, trotz der dunklen Zeiten, die sie umgeben."
Newcomer Jem Matthews spielt Vincent, den gutaussehenden, ziellosen Tyrannen der École Lafayette, der zusammen mit seinen Freunden Jerome (Jordan Cramond) und Henri (Yelisey Kazakevich) Julien schon immer gequält hat. Matthews dazu: „Man sieht an der Art, wie Vincent Julien in der Schule behandelt, den Grad der Manipulation, der Vincent unterzogen wurde, um ihn glauben zu machen, Julien sei kein menschliches Wesen." Vincent wird bald vollständig von der französischen Miliz indoktriniert und erhält ihre charakteristische schwarze Uniform sowie ein Gewehr. Er wird dazu ermutigt und sogar dafür belohnt, Julien und Sara zu terrorisieren, so wie alle anderen Juden und Mitglieder des Widerstands, die ihm unter die Augen kommen. Nach Saras Verschwinden aus der Schule findet Vincent bei Julien einen ihrer persönlichen Gegenstände. Vincent wird dadurch zu einer größeren Bedrohung für Saras Sicherheit als je zuvor.
Nachdem Sara Julien von dem weißen Vogel erzählt hat, der sie besucht und den sie als Unterstützung sowie fast als göttliche Gegenwart begreift, schenkt er ihr zum Geburtstag eine Holzschnitzerei, die sie für den Rest ihres Lebens in Ehren halten wird. Forster sieht in ihrer Beziehung zu dem weißen Vogel die Verbindung mit dem Rest der Welt und letztlich mit der Liebe ihres Lebens. „Ich glaube dieser kleine weiße Vogel bietet Sara Schutz."
Foto:
©Verleih
Info:
White Bird (USA 2024)
Originaltitel: White Bird
Genre: Drama, Historiendrama, Romanverfilmung
Filmlänge: ca. 120 Min.
Regie: Marc Forster
Drehbuch: Mark Bomback, basierend auf dem Roman ″White Bird″ (2019) von R.J. Palacio
Darsteller: Ariella Glaser, Orlando Schwerdt, Gillian Anderson, Jo Stone-Fewings, Helen Mirren, Bryce Gheisar, Jem Matthews, Jordan Cramond, Yelisey Kazakevich u.a.