Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. April 2024, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was ist das für eine unzufriedene ältliche Frau, Etero, die ziemlich harsch mit den Frauen ihres weit in der georgischen Provinz liegenden Dorfes umgeht, sich einfach dem, was Frauen dürfen und sollen verweigert, ihren Stiefel durchzieht, wozu gehört, daß sie einen kleinen Laden mit Haushaltswaren betreibt. Nein, einen Mann hat sie nicht und vermißt auch keinen! JUnd setzt noch einen drauf: sie hatte noch nie einen! Denn Heiraten und solche untertänige Ehefrau abzugeben, wie die anderen, das wäre nicht ihre Sache. Sie ist frei und unabhängig.
Und dann passiert das? Wie immer kommt Murman (Temiko Chinchinadze) mit seinem Wagen und bringt die Waren, die sie braucht. Die Szene, wo sie unvermittelt an ihm riecht, was unwillkürlich zu einem Kuß führt, der in beiden Leidenschaft weckt, die keiner von beiden bei sich vermutet hätte. Sie lacht sich einen, daß sie nun mit 49 Jahren entjungfert wurde und ist glücklich über ihre körperliche Lust und seelische Zufriedenheit. Ja, er gefällt ihr, dieser Murman. Problem: er ist verheiratet. Nun will sie ihn ja gar nicht als Ehemann, aber es wird logistisch für Murman schwierig, sich freie Zeit zu stehlen – und das kleine Dorf kriegt sonst doch eigentlich alles mit.
Es ist hinreißend, wie wir im Film mitverfolgen können, wie aus einer verkniffenen, wenngleich selbstbewußten Frau eine glückliche wird. Sieht sie am Anfang mürrisch und eben ältlich aus, so erblüht sie durch Liebe und Lieben. Das stellen Regie und die Schauspielerin sinnlich her. Dazu gehört absolut Mut, im fortgeschrittenen Alter den nicht jugendfrischen Körper groß auf der Leinwand zu zeigen. Aber es lohnt, weil der Film dadurch eine Wahrhaftigkeit erhält, eine Ernsthaftigkeit, die einnimmt. Nach und nach erfahren wir auch mehr, warum sie so unabhängig sein will. Sie war die alte Jungfer für ihren Bruder und ihren Vater, die sie versorgen mußte und die beide verstorben sind, weshalb ihr Leben als selbständige Frau auch erst jetzt beginnt.
Wie abfällig sie von den dümmlichen Ehefrauen im Dorf behandelt wird, erleben wir bei den Frauentreffen, wo sie tatsächlich als mannlos verachtet wird. Das sind kleine, kurze Szenen, die durch Mienen und Verhalten sowie Sprüche mehr aussagen als lange Darstellungen. Das ist ein richtig gut gemachter Film, der zwischen Tragödie und Komödie zu Hause ist. Denn natürlich steht der Fortsetzung dieser echten Liebesbeziehung die Wirklichkeit erst einmal entgegen. Und gleichzeitig kann Miteinanderschlafen zu Folgen wie Schwangerschaften führen. Wie es also weitergeht, zeigt der Film auch.
Foto:
©Verleih
Info:
Georgisch · Deutsche Fassung und georgische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Schweiz / Georgien 2023 · 110 Min. · Flat 1.85 · 5.1
Besetzung
ETERO Eka Chavleishvili
MURMAN Temiko Chinchinadze
NENO Pikria Nikabadze
TSISANA Anka Khurtsidze
LONDA Tamar Mdinaradze
NATELA Lia Abuladze
Stab
REGIE Elene Naveriani
BASIEREND AUF DEM ROMAN von Tamta Melashvili
DREHBUCH Nikoloz Mdivani · Elene Naveriani
KAMERA Agnesh Pakozdi
ETERO · Eka Chavleishvili
Eka Chavleishvili absolvierte die Staatliche Universität für Theater und Film Shota Rustaveli in Georgien mit dem Schwerpunkt Schauspiel. Seit 1995 ist sie Schauspielerin am Batumi Drama Theatre. Sie wurde in etwa 13 Theaterstücken besetzt und erhielt den Adjara Theatre Society Award als beste Schauspielerin in dem Stück NUZGAR & THE MEPHISTOPHELES.
MURMAN · Temiko Chinchinadze
Temiko Chinchinadze wurde 1966 geboren. Er absolvierte die Fakultät für Schauspiel an der Staatlichen Universität für Theater und Film Shota Rustaveli. Seit 1986 ist er Künstler am Rustaveli National Theatre. Für die Aufführung DO WE LOOK LIKE REFUGEES?! erhielt er 2010 den Preis für das beste Ensemble und schauspielerische Exzellenz beim Edinburgh Festival Fringe.