Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. April 2024, Teil 10
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die zurückhaltende und dadurch menschlich ergreifende Darstellung von Kirsten Dunst als Kriegsfotografin Lee Smith rettet den ganzen Film, der eine wüste Dystopie eines weiteren, nun mit allen technischen Mitteln geführten Bürgerkrieges in den Vereinigten Staaten darstellt. Der Trick des britischen Drehbuchschreibers und Regisseurs Alex Garland ist nun, daß wir alle bei diesen Bildern erst einmal an die nicht für möglich gehaltene Erstürmung des Kapitols angesichts des das Präsidentenamt verlierenden Trump denken müssen, aber im Kern eine Neuauflage des Sezessionskrieges von 1861-65 stattfindet, die diesmal erfolgreich scheint. Die Bundeshauptstadt, der Präsident und damit die herkömmlichen USA werden untergehen.
Also geht es mitnichten um die heutigen politischen Kontroversen und handfesten Auseinandersetzungen zwischen Republikanern (rot) und Demokraten (blau), wobei die Farbsymbolik nicht mit denen unserer und anderer europäischen Staaten verglichen werden darf, sondern darum, daß zwei Bundesstaaten, das blaue Kalifornien und das rote Texas, den Aufstand gegen den amtierenden Präsidenten angefangen hatten, „Western Forces“ genannt, die nun siegreich gegen Washington marschieren und dort vor den Toren stehen, um den Präsidenten zu exekutieren.
Eile ist für Reutersreporter Joel (Wagner Moura) geboten, denn er hat als einziger einen Interviewtermin mit dem noch amtierenden Präsidenten ( ) vereinbart. Das teilt er der befreundeten Fotografin Lee mit, die mit ihm fahren wird. Ihr alter dicker Kollege Sammy (Stephen McKinley Henderson) von der New York Times rät ab, viel zu gefährlich, doch als am nächsten Morgen der gecharterte Wagen losfährt, sitzt er hinten drinnen. Dabei ist auch, die Vorgeschichte hatten wir verfolgt, die junge Fotografienovizin Jessie (Cailee Spaeny), die ein Fan der zwei Lees ist, der sagenhaften Lee Miller und eben der lebendigen Lee Smith. Dabei hatte Lee ihrem Kumpanen Joel ausdrücklich von Jessies Mitfahrt ab, raten, ja geradezu verboten, denn sie hatte durch Geistesgegenwart am Tag zuvor der töricht jungen Jessie das Leben gerettet. Doch die weiß, was sie will und was sie von einem Mann wie Joel auch bekommt ,und darf mitfahren.
Im Kern haben wir nun ein Roadmovie, wobei wir nicht durch blühende Landschaften, sondern Kriegsgebiet fahren und die Vier immer wieder in brenzlige Situationen geraten, die vom Technischen her die Vernichtung der Welt auf die Leinwand bringen. Was hier explodiert, wie Häuser sich in Luft auflösen, Menschenfetzen durch die Gegend fliegen, ist äußerst hart. Und tatsächlich kann man das Ganze nur vertreten, weil die Darstellertruppe der Vier, allein voran Kirsten Dunst, die menschliche Seite solcher durch Technik definierten und gewonnen/verlorenen Kriege zwingend zum Tragen bringt.
Die einzelnen gefährlichen Momente aufzuführen, ist hier unerheblich, auf jeden Fall ist es eine explosive Fahrt, außen das Kriegsgebiet, in das sie immer wieder geraten, im Autoinneren Auseinandersetzungen zwischen den Menschen, denn nach wie vor ist Lee nicht einverstanden, daß die junge Frau sich in solche Gefahr begibt. Bei den langen Autofahrten hat auch die Zuschauerin Gelegenheit, sich über Kriegsfotografen Gedanken zu machen. Was hat den Alten bewegt, mitzufahren, was er auch nicht überleben wird. Die Junge ist diejenige, deren Motive man am besten versteht. Sie ist unbedarft und kann die Gefahren der Fahrt durchs Kriegsgebiet – immer wieder werden Nebenwege gesucht, die offizielle Route ist mit Leichen und liegen gebliebenen Fahrzeugen gepflastert – überhaupt nicht einschätzen, warum eben die einzig Vernünftige, Lee, ihrem Kollegen Joel die Mitnahme des jungen Mädchens übel nimmt. Der nun wiederum ist halt ein Mann, der einem jungen Mädchen nicht widerstehen, sondern gerne von ihr wahrgenommen werden will. Gleichzeitig erleben wir aber auch mit den Vieren verschiedene Arten, den Beruf auszuüben: Sensation, notwendige Berichterstattung, Text und Bild und auch die drei Lebensalter sind vertreten: richtig alt, richtig jung und zwei dazwischen.
Absurdes passiert auf der Fahrt auch, sie kommen in Gegenden, wo alles beim Alten ist, denkt man, denn die Leute verhalten sich so, aber oben auf den Dächern stehen Scharfschützen. Gefahr ist überall, Sicherheit nirgends. Bisher für die Vier in ihrem Wagen, der gut durchkommt und auch in Washington noch mit drei Personen ankommt. Dann schlägt die Stunde der Kirsten Dunst, die für mich den ganzen Film trägt. Ihr einerseits stoisches, völlig nach innen gewandtes Gesicht trägt den Ausdruck vom Leid der ganzen Welt, ohne dabei sentimental zu wirken oder irgendwie gestellt. Wie es einer Schauspielerin gelingt, durch zurückgenommene Mimik und Gestik eine derartige Müdigkeit und ein solches Erledigtsein ob der grauenhaften Zustände, die sie dauernd vor das Kameraauge bekommt, darzustellen, ist wirklich Schauspielkunst. Daß sie dann auch noch Jessies Leben erneut rettet, auch wenn es sie das eigene kostet, kann gar nicht anders sein, denkt man am Schluß. Welchen Schluß hätte es sonst gegeben?
Ach ja, der Präsident ist auch längst gefangengenommen und wird erschossen, das Interview ist eh geplatzt, die Fahrt war umsonst. Die beiden Überlebenden, Jessie und Joel interessieren nicht weiter. Der Film darf enden.
Foto:
©Verleih
Info:
Besetzung
Präsident. Nick Offerman
Lee. Kirsten Dunst
Joel. Wagner Moura
Dave. Jefferson White
Tony. Nelson Lee
Bohai. Evan Lai
Jessie. Cailee Spaeny
Sammy Stephen McKinley Henderson
Stab
Regie Drehbuch Alwex Garland