lichterLICHTER Filmfest Frankfurt International: von Dienstag, 16. April bis Sonntag, 21. April, Teil 19

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am letzten Sonntag ging das 17. LICHTER Filmfest Frankfurt International geradezu feierlich und sehr emotional zu Ende. Nachdem am Nachmittag die Schauspiellegende Uschi Glas das Frankfurter Filmfestival besuchte, fand am Abend die große Preisverleihung statt. Parallel wurde in Anwesenheit von Lars Eidinger der Abschlussfilm „Sterben“ gezeigt. Den Hauptpreis für den besten regionalen Langfilm erhielt die Regisseurin Aslı Özarslan für „Ellbogen“. Als bester regionaler Kurzfilm wurde „Gaze in Battle“ von der Frankfurter Künstlerin Ayla Pierrot Arendt ausgezeichnet. Den Publikumspreis gewann die Langzeitdokumentation „Frank Meyer“ über den gleichnamigen Ex-Bodybuilder. In den beiden Virtual Reality-Wettbewerben wurden Carol Liu mit „GANGA“ und Chloé Rochereuil mit „JFK Memento“ ausgezeichnet.
Vanessa Nica Mueller gewann mit „Landen“ den Videokunstpreis des Festivals, den 14. LICHTER Art Award. Dem Kurzfilm „Die nackte Wahrheit“ verlieh das Filmhaus Frankfurt seinen Nachwuchspreis. „Filmstunde_23“ von Edgar Reitz und Jörg Adolph erhielt den Jurypreis der Evangelischen Filmarbeit.

Seit dem 16. April 2024 zeigte das LICHTER Filmfest in zahlreichen Frankfurter Kinos aktuelles Weltkino zum Thema „Zukunft“, Glanzlichter des deutschen Filmschaffens, die besten Lang- und Kurzfilme der Region, Virtual-Reality-Filme und ausgewählte zeitgenössische Videokunst. Über 100 Filme, Publikumsgespräche mit Filmschaffenden und filmpolitische Panels mit Gästen aus ganz Europa im Rahmen des 4. Kongresses Zukunft Deutscher Film ließen an Hilmar Hoffmanns Slogan „Filmstadt Frankfurt“ denken. „Die Zukunft gehört dem Bewegtbild und damit auch dem Kino“ resümierte das Leitungsduo des Festivals, Gregor Maria Schubert und Johanna Süß, und spielte damit neben dem Jahresthema der diesjährigen Festivalausgabe auch auf den großen Zuspruch an: 17 ausverkaufte Vorstellung, ein durchschnittliche Saalauslastung von über 80 Prozent und insgesamt 14.000 Besucherinnen und Besucher zählte das Festival.


Der regionale Wettbewerb

Aus zehn Beiträgen im Regionalen Langfilm-Wettbewerb wurde „Ellbogen“ von Aslı Özarslan mit dem LICHTER-Bembel und einem Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro geehrt. Die Verfilmung des Debütromans von Fatma Aydemir wurde auf der Berlinale begeistert gefeiert und sorgte beim Lichter Filmfest für eine ausverkaufte Vorstellung. Von JIP Film & Verleih aus Frankfurt koproduziert und von Hessen Film & Medien gefördert, erzählt das Drama von der Selbstfindung einer jungen Deutschtürkin in Berlin und Istanbul.

„In jedem Augenblick hängen wir an der umwerfenden Hauptdarstellerin und dem tollen Ensemble des Films. Sie alle nehmen uns mit in ihre Welt, ihren Alltag und lassen uns ihre Realität nicht nur sehen, sondern spüren. [...] Ein beeindruckender Film, den wir mit dem Preis des Lichter Filmfests in der Kategorie regionaler Langfilm auszeichnen möchten,“ begründet die Jury, bestehend aus Nils Menrad (Gründer des dokKa), Bella Halben (Ehrenpreis-Gewinnerin des Deutschen Kamerapreises 2023) und Wolfgang Richter (Mitgründer der AG DOK), ihre Entscheidung.

Die Jury sprach außerdem eine lobende Erwähnung für den Dokumentarfilm „Eines Vaters Liebe“ von Leon Noel Schardtaus. Der Versuch, das Medium Film als Rahmen für Gespräche zu nutzen, die man sonst nicht führen kann, sei mehr als geglückt und bilde das Fundament des Films. „Entstanden ist ein facettenreiches Bild über männliche Rollenbilder in Familien. Sprachlosigkeit, fehlende Liebe und Zuwendung sowie die Flucht in Arbeit und Beruf sind mit ziemlicher Sicherheit nicht nur in dieser Familie zu finden,“ so die Jury.

Im regionalen Kurzfilm-Wettbewerbe zeichnete die Jury, bestehend aus Luana Almeida Pees (Bildsturz Kollektiv), Natascha Gikas (Kino im Deutschen Filmmuseum) und Nikita Diakur (Filmemacher), „Gaze in Battle“ von Ayla Pierrot Arendt mit dem LICHTER-Bembel und einem Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro aus. Der Film dokumentiert die Erfahrungen der Regisseurin in Israel und Palästina im Sommer 2023 während eines dreimonatigen Stipendiums. Darin zeichnet sie ein eindringliches Bild vom Leben am Rand von Terror und Krieg ohne Partei zu ergreifen.

Zur Entscheidung sagte die Jury: „Wir zeichnen dieses genreüberschreitende Filmprojekt dafür aus, dass es mit einer persönlichen, sensiblen und verletzlichen Perspektive eine differenzierte und mehrdeutige Betrachtungsweise entwickelt und damit einer komplexen Realität auf künstlerisch eindrucksvolle Weise gerecht wird.“


Der LICHTER-Publikumspreis

Wie in den vergangenen Jahren konnte das Publikum auch dieses Mal wieder für seinen Film-Liebling abstimmen. Nach jeder Vorstellung vergaben die Besucherinnen und Besucher Schulnoten von 1 (großartig) bis 5 (geht gar nicht). Letztlich fiel die Wahl auf den Dokumentarfilm „Frank Meyer“ über den gleichnamigen Ex-Bodybuilder. Riccardo Dejan Jurkovic und Leonhard Hofmann begleiteten Meyer zehn Jahre lang und dokumentierten seine Schicksalsschläge und Erfolgsmomente gleichermaßen. Bei der Filmvorführung waren die beiden Regisseure und Frank Meyer anwesend und beantworteten im Anschluss Fragen des Publikums. Nun dürfen sich Jurkovic und Hofmann über den LICHTER-Bembel und ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro freuen.


Der 8. VR Storytelling Award in zweifacher Ausführung

Zum ersten Mal teilte sich der VR Storytelling Award in zwei Kategorien auf: der VR Interactive Storytelling Award und der VR 360 Storytelling Award. In der Kategorie VR Interactive Storytelling Award kürte die Jury bestehend aus Sebastian Oschatz(Mitgründer und Kreativdirektor bei MESO), Philip Hausmeier (Leiter des Studiengangs Augmented and Virtual Reality Design an der Hochschule Darmstadt) und Franziska Nori (Leiterin Frankfurter Kunstverein) den VR-Film „JFK Memento“von Chloé Rochereuil zum Sieger.

Der Film zeigt das Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy in einer neuartigen, virtuellen Rekonstruktion. In ihrer Begründung nannte die Jury die beeindruckende Integration von historischem Material in digitale und dreidimensionale Szenerie. Der Film erschaffe eine kluge Verknüpfung multipler Erzählstränge zu einer einzigen Erzählstruktur. Ebenso lenke er die Aufmerksamkeit der Betrachter durch „Points of Interest“, Licht und Überblendungen.

Die Jury lobte ebenso ausdrücklich die Arbeit „Die wenige Zeit“ von Christoph Zipfel für ihre historische Relevanz, gesellschaftliche Bedeutsamkeit und politischen Auftrag. Für diesen Film wurde die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer dreidimensional mit der Kamera eingefangen. Während sie über ihre Erfahrungen spricht, verwandelt sich der Raum in die Orte, von denen sie erzählt.

In der Kategorie VR 360 Storytelling Award wurde ein Publikumspreis vergeben. Vier Tage lang konnten Besucherinnen und Besucher in Ausstellungen und Screenings im Festivalzentrum in virtuelle Welten eintauchen. Am Ende fiel die Entscheidung: „GANGA“ von Carol Liu gewann den LICHTER-Bembel und 1.000 Euro Preisgeld. Der Film zeigt die Arbeit der Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Müll an den Ufern des Ganges einzusammeln. Als Angehörige der untersten Kaste erfahren sie dadurch weder Unterstützung noch Aufmerksamkeit.


Der 14. LICHTER Art Award

Eine Woche lang wurden die fünf nominierten Arbeiten des 14. LICHTER Art Awards im Festivalzentrum ausgestellt. Bei der Preisverleihung am Sonntag kürte die Jury dann die Gewinnerin: Vanessa Nica Mueller darf den Bembel und ein Preisgeld von 1.000 Euro mit nach Hause nehmen. In ihrer Videoarbeit „Landen“ begibt sich die Protagonistin auf eine poetische Reise vom Wattenmeer über die libanesische Küste bis zum Ufer des Beirut-Flusses. Dabei beobachtet sie den sich abzeichnenden wirtschaftlichen und sozialen Untergang des Libanon.

Die Jury des diesjährigen LICHTER Art Award, bestehend aus Marie Oucherif, Kuratorin und Kunsttheoretikerin, Iryna Yaniv, Kulturmanagerin und Kuratorin (Cinémathèque Leipzig) und Saul Judd, Kurator des LICHTER Art Awards, betonten in ihrer Laudatio Muellers überzeugenden Ansatz, Dokumentarisches zu verwenden und dadurch „einen Essayfilm entstehen zu lassen, der an der Schnittstelle zwischen Inszenierung und Beobachtung immer eine Offenheit in der Erzählung beinhaltet.“ Ihre Arbeit verbindet digitales Filmmaterial mit analogen Aufnahmen und verarbeitet dabei Fragen zum Thema der Ökologie und Gesellschaft.


Nachwuchspreis des Filmhaus Frankfurts

Bereits zum dritten Mal verlieh das Filmhaus Frankfurt auf dem Lichter Filmfest den Nachwuchspreis zur Förderung des talentierten Nachwuchses. Das „Filmhaus-Gerippte“ und 500 Euro als Seminar- und Technikgutschein beim Filmhaus Frankfurt gingen an den regionalen Kurzfilm „Die nackte Wahrheit“ von Lena Grobusch. Ihr Film zeigt eine Aktmalerei mit der Grobusch die Objektifizierung der Frau infrage stellt. Sie provoziert eine Neubewertung des weiblichen Körpers, hin zu Selbstbestimmung und Authentizität.


Jurypreis der Evangelischen Filmarbeit

Die Jury der Evangelischen Filmarbeit verlieh zum zweiten Jahr in Folge den Lila LICHTER-Bembel an einen regionalen oder internationalen Langfilm aus dem Festivalprogramm. Der diesjährige Preis, dotiert mit 500 Euro, ging an „Filmstunde_23“von Jörg Adolph und Edgar Reitz. 1968 schuf die Autorenfilmlegende Edgar Reitz mit einem Filmteam für vier Wochen eine Umgebung, in der die Klasse eines Münchner Mädchengymnasiums das Medium Film kennenlernen und selbst mit Super-8-Kameras experimentieren durften. Der prämierte Film dokumentiert ein Klassentreffen 55 Jahre später, bei dem die Schülerinnen von damals die Erfahrung und ihr filmisches Schaffen reflektieren.

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