zimmer 1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am Donnerstag, 16. Mai, Teil 2

Redaktion

Berlin  (Weltexpresso) -    Kannten Sie den Roman „Das Zimmer der Wunder“ von Julien Sandrel, bevor Sie beschlossen, ihn zu verfilmen?

 
Als der Roman erschien, hatte ich ihn nicht gelesen und vor Drehbeginn wollte ich ihn auch nicht lesen. Ich konzentrierte mich ganz auf das Drehbuch von Juliette Sales und Fabien Suarez, das ich mir dann zueigen machte. DAS ZIMMER DER WUNDER ist mein erster Film, für den ich nicht das Drehbuch geschrieben habe. 

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Warum hat Sie dann ausgerechnet diese Geschichte so mitgenommen? 

 

Das Projekt kam in einem Moment meines Lebens, als ich mir selber auf die Nerven ging. Ich wollte kein Kino mehr machen, damit aufhören, immer so persönliche Filme zu drehen. Nach „Ausgeflogen“ um eine von Sandrine Kiberlain gespielte Mutter, die damit klarkommen muss, dass ihre ältestes Tochter nach dem Abi in Kanada studieren wird, hatte ich das Gefühl, alles erzählt zu haben. Mein letztes Kind war ausgezogen, mir schien es, als hätte ich nichts mehr mitzuteilen, als würde ich einfach nur älter. Kurz gesagt, für mich war es so, als befände sich mein Kino in den Wechseljahren. 

 

Es war dann der Produzent Philippe Rousselet, der mir diesen Film bei einem privaten Treffen vorschlug. Ich bat ihn, mir das Drehbuch zu schicken, dann kam eins zum anderen. Man glaubt ja immer, dass man sich die Filme aussucht, die man macht, aber es ist genau das Gegenteil. Und dann kam hinzu, dass Alexandra Lamy die Hauptrolle spielen wollte. Wir sind seit mehr als zehn Jahren befreundet und wollten schon immer einmal zusammenarbeiten. Bei ihr wusste ich, dass die gemeinsame Arbeit Spaß machen würde, auch wenn das Thema des Films ziemlich ernst ist. 

 

Gewisse Themen wie das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern findet man auch in Ihren bisherigen Filmen. Was kam diesmal dabei hinzu?

 

Ich entdeckte Seiten an mir, mit denen ich mich kaum befasst hatte. Bisher erzählte ich in meinen Filmen viel vom Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern. Dabei habe ich auch einen Sohn und das Mutter-Sohn Thema bisher nie angepackt. Hinzu kommt die Figur der Großmutter, die von Muriel Robin gespielt wird. Es war meine Idee, dass die Beziehung zwischen Thelma und ihrer Mutter herzlicher und wärmer ist. Ich machte aus ihr eine Verbündete. Das liegt sicherlich daran, dass meine Mutter (die bekannte Schauspielerin Marie Laforêt, Anm. d. Übersetzers) gerade gestorben war und ich mich von den Verletzungen aus meiner Kindheit geheilt fühlte. Muriel verkörpert so eine idealisierte, ausgedachte Mutter, die lieber und sanfter ist.

 

Wie wollten Sie die unterschiedlichen Etappen des Films angehen? 

 

Ich habe vor und während der Dreharbeiten das Drehbuch stark umgeschrieben. Zu Beginn war die Geschichte viel mehr als Komödie angelegt, aber beim Filmen der Krankenhausszenen wurde mir und Alexandra Lamy bewusst, dass gewisse Dialoge einfach unpassend waren. Als Regisseurin wird einem manchmal beim Drehen klar, dass die Realität stärker ist als das, was im Buch steht. Darauf geht man dann ein. So haben wir die Rolle des Vaters ausgebaut, und auch die Großmutter taucht im Film bereits viel früher auf als vorgesehen. Wenn ein Enkelkind einen schlimmen Unfall hat, dann begibt man sich ja als Großmutter sofort ins Krankenhaus.

  

Zeigen diese Szenen im Krankenhaus wie wichtig der Zusammenhalt der Familie in Krisensituationen ist? 

 

Ich verlor meine Eltern in sehr kurzer Zeit. Meine Mutter starb kurz vor den Dreharbeiten und mein Vater kurz danach. Drei Jahre verbrachte ich damit, regelmäßig ins Krankenhaus zu gehen. Da stellen sich dann ein gewisser Alltag, eine Routine ein. Der Ort wird zu einem zweiten Zuhause, einer zweiten Familie. Daher dankt man bei Beerdigungen dem Pflegepersonal. Es hat sich ja um die Angehörigen gekümmert und man hat sich irgendwie auch angefreundet. 

 

Thelma reist für ihren Sohn durch die Welt: nach Portugal, Schottland oder Japan. Wie wichtig war dieser Aspekt des Reisens?

 

Ich wusste, dass mir reisen gut tun wird in dieser Zeit der Trauer. Manchmal musste man sich an die Einschränkungen und Ausgangssperren durch Covid anpassen. Bei Japan war bis zum Schluss nicht klar, ob wir dort drehen können. Ein dreizehnjähriger Junge wie Louis liest bestimmt Mangas und will wie alle Kids in seinem Alter nach Japan. Aber das Land hatte sich sehr abgeschottet und man kann diese Szenen nicht wirklich woanders drehen. Im Sommer 2022 öffnete sich dann plötzlich ein Zeitfenster, obwohl der Film bereits abgedreht und die Montage abgeschlossen war. Aber diese Szenen in Japan sind wichtig. Da geht es für die Mutter nicht nur darum, die Wunschliste des Sohnes abzuhaken. Mit jeder Reise und jeder Herausforderung entwickelt sie sich weiter. Ansonsten würde ja alles, was sie durchmacht, nutzlos sein. 

 

Mussten Sie dann vor Ort improvisieren?

 

Auf jeden Fall. Wir waren nur zu viert und dann stellte ich mir dieses Wolfssymbol vor, das „Totem-Tier“ von Louis. Es war die Energie des Wolfes, die mich antrieb. Wir hatten ja kaum Zeit, die Dreharbeiten vorzubereiten. Die Japaner sagten uns auch, vor Ort wäre es sehr kompliziert, wenn man nicht über ein Riesenbudget oder viel Vorbereitungszeit verfügt. Das Ganze war wie eine Kamikaze-Aktion. 

 

Wie kam es, dass Sie mit drei Kameramännern, DOP’s gedreht haben?

 

Ich möchte die großartige Arbeit meiner drei Kameramänner loben... Da hatte ich richtig Glück, was auf die mitunter komplizierten Dreharbeiten und die Tatsache zurückzuführen ist, dass nicht immer alle Zeit hatten! Guillaume Schiffman war für die Pariser Dreharbeiten verantwortlich, Christophe Offenstein für die Aufnahmen in Portugal und schließlich Léo Hinstin für die Dreharbeiten in Japan.

 

Wie unterschiedlich haben Sie mit den Schauspielern gearbeitet?

 

Ich weiß, über welche enormen, schauspielerischen Möglichkeiten Alexandra Lamy verfügt und zweifelte nie daran, dass sie diese vor der Kamera abruft. Mir ist es wichtig, dass sich meine Schauspieler am Set wohlfühlen, wenn sie ihre Figur spielen. Ich möchte sie auch nicht „führen“. Dem jungen Hugo strich ich viele Stunden am Set, weil es mir wichtig war, seine Drehtage zu verkürzen, damit er nicht stundenlang im Krankenhausbett liegen muss, wenn dafür keine Notwendigkeit bestand. Bei den Szenen zu Beginn des Films, vor dem Unfall, haben wir sehr intensiv miteinander gearbeitet. Ich fügte sogar einige Szenen hinzu, damit seine Figur für die gesamte Geschichte präsenter wirkt. Für Hugo entschied ich mich beim Casting. Dort entstehen immer die wichtigsten Dinge. Mit Kindern muss man keine großen, erschöpfenden Gespräche über ihre Figur oder den Kontext führen, sondern den Augenblick festhalten, wenn sie instinktiv spielen. 

 

Muriel verfügt über eine starke Persönlichkeit, aber das war nie ein Grund zur Sorge. Im Gegenteil. Wir verstanden uns gut und sie war sehr liebenswürdig. Auch mit ihr war es wie mit Alexandra eine echte Zusammenarbeit. Wir überlegten uns immer, wie sich diese Frau anziehen könnte, was ihre Vorgeschichte ist.

 

Kommen Sie aus dieser Arbeit anders heraus?

 

Dieser Film gab mir die Freiheit, über mein Leben nachzudenken. Durch den fast gleichzeitigen Verlust meiner Eltern waren viele Fragen offen geblieben... Das Leben ist ein Tanz mit seinen Träumen, gleichzeitig der Realität verbunden mit den Fragen, was das mit einem macht, wie man sich dabei verändert. Wenn ich den Film pitchen sollte, dann habe ich oft gesagt: „Es ist die Geschichte einer Mutter, die sich, um ihren Sohn zurück ins Leben zu holen, ihr eigenes Leben wieder holen muss.“ 

Foto:
©Filmverleih

Info:
BESETZUNG

Thelma ALEXANDRA LAMY
Odette MURIEL ROBIN
Louis HUGO QUESTEL
Etienne XAVIER LACAILLE
Nadege MARTINE SCHAMBACHER
Agent von KGI HIROKI HASEGAWA
Louis mit 20 MARCEL GITARD
Matthew RAFI PITTS
Amara CLARA CANESHE

STAB
Regie LISA AZUELOS
Drehbuch und Dialoge JULIETTE SALES, FABIEN SUAREZ

Abdruck aus dem Presseheft