kolibriSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am Donnerstag, 16. Mai, Teil 5

Francesca Archibugi

Berlin  (Weltexpresso) - „Ich liebe Sandro Veronesis Roman. Ich wollte dem Buch treu bleiben, aber gleichzeitig eine persönliche Geschichte erzählen. So wie ich sie beim Lesen des Romans gefühlt habe.

Stilistisch ist der Roman experimentierfreudig. Zusammen mit Laura Paolucci und Francesco Piccolo wollten wir nicht nur dieser Experimentierfreude gerecht werden, sondern sie neu aufleben lassen. Die Geschichte besteht aus einem Strom von Ereignissen, auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Vorfälle treten scheinbar plötzlich und gehäuft auf, sind aber stattdessen durch innere, manchmal unbewusste Fäden miteinander verbunden. 

Ich habe bewusst jedes Datum, jeden konkreten Bezug auf eine Zeit oder Ära ausgespart. Ich wollte, dass der Fluss der Ereignisse allein durch die Schauspieler erzählt wird. Selbst bei den Schauplätzen, den Häusern, haben wir bei der Möblierung, die wir zusammen mit dem Setdesigner Alessandro Vannucci und der Inneneinrichterin Cristina Del Zotto gewählt haben, darauf geachtet, dass sich nicht viel verändert. Sie sind genauso statisch wie das Haus meiner Großeltern, in dem über Jahrzehnte alles gleich geblieben ist. Der Kameramann Luca Bigazzi und ich haben uns auch dafür entschieden, die verschiedenen Zeitebenen nicht durch unterschiedliche Farbkonzepte zu kennzeichnen. Wir wollten die gleiche Einheit abbilden, wie sie auch in unseren Erinnerungen herrscht.

Für die Geschichte war es wichtig, sorgfältig ein Fragment mit dem anderen zu verknüpfen. Esmeralda Calabrias Schnitt verbindet sie nicht nur auf erzählerischer, sondern auch auf visueller Ebene.

Die wichtigste Aufgabe für mich als Regisseurin war die Schauspieler zu finden, die in der Lage sind, die Geschichte, die so stark mit den Figuren verwoben ist, zu erzählen. Dabei sind nicht nur die Hauptrollen elementar, sondern auch die Nebenrollen. Vor allem natürlich der Schauspieler, der Marco Carrera spielt und den gesamten Film trägt. 

Allein die Kleidung der Figuren (nicht die Kostüme), für die Lina Taviani verantwortlich zeichnet, nimmt Bezug auf eine bestimmte Ära. Dabei ist die Kleidung aber kein Fashion-Statement, sondern einfach die Kleidung zu einem bestimmten Lebensabschnitt. Die Welt um sie herum, die Häuser, die Straßen, die Bilder, das Licht, die Jahreszeiten, die eine auf die andere folgen, sollten die Figuren wie einen Reisemantel einhüllen.

Bei diesem Film wie auch bei den vorherigen war es mein Wunsch, die Kamera zu „canceln“, sprich den Eindruck zu vermitteln, dass die Geschichte sich praktisch selbst erzählt. Keine leichte Aufgabe für die Regie. Manchmal ist die schwierigste Einstellung, um den Subtext von etwas zu vermitteln, das Gesicht eines Mannes, einer Frau, eines Kindes. Und am Schwierigsten ist es, das Unsichtbare zu filmen.“

Foto:
©Verleih

Info:
Regie: Francesca Archibugi – Laufzeit: ca. 127 Min. – Italien & Frankreich / 2022 – OmU / dtF – FSK: ab 12 Jahren freigegeben