Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Juni 2024, Teil 3
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 1755 erbittet Hauptmann Ludvig Kahlen ( (Mads Mikkelsen) nach seiner Karriere beim deutschen Militär von König Frederik V. von Dänemark ein Stück Land in der wilden Heidelandschaft Jütlands, um es zu kultivieren und auch zu kolonisieren. Der König erhofft sich davon, dass er die wilden Teile seines Landes bewohnbar machen und dadurch auch zu mehr Steuereinnahmen kommen kann. Allerdings hat es bis heute noch niemand geschafft, dauerhaft dort zu leben und den Boden urbar zu machen.
Ludvig Kahlen ist der uneheliche Sohn einer Magd und eines Adligen und hat es trotz seines niedrigen Standes beim deutschen Militär weit gebracht. Kahlen möchte kein Geld vom Staat, sondern ist bereit, alles mit seiner Soldatenrente zu finanzieren und verlangt als Gegenleistung einen Adelstitel und ein Anwesen mit Bediensteten, wenn er bei der Urbarmachung Erfolg haben sollte.
Doch es ist nicht nur die wilde Natur oder die in den Wäldern lebenden Räuber und Landstreicher, die die Arbeit von Kahlen schwierig machen, sondern da ist vor allem sein machthungriger Nachbar, der Gutsherr Frederik De Schinkel (Simon Bennebjerg), der ihm das Land streitig machen will und der als brutaler Herr in der Gegend bekannt ist, gegen den sich niemand aufzulehnen getraut.
Kahlen kommt mit nichts außer einem Pferd, einem Zelt, einer Pistole und ein paar Werkzeugen, um den harten Boden zu beackern auf seinem Grund und Boden an. Er beginnt das Land, das aus Sand und mit grobem Heidekraut besteht zu roden und findet dabei Erde, die mit Lehm aus dem Meer vermischt werden kann.
Doch er merkt auch, dass er das Land nicht allein bewirtschaften kann, doch Schinkel verbietet allen Menschen der Umgebung, als Arbeitskräfte bei Kahlen zu arbeiten.Nur der jungen Pfarrer Anton Eklund (Gustav Lindh) hält zu ihm und bittet ihn, das junge Paar Johannes Eriksen (Morten Hee Andersen) und Ann Barbara (Amanda Collin), die vor Schinkel weggelaufen sind, bei sich aufzunehmen. Kahlen engagiert auch einige der Gesetzlosen und eine Gruppe Fahrender aus den Wäldern, darunter ist auch Anmai Mus, ein junges Roma-Mädchen (Melina Hagberg). Gemeinsam bauen sie ein Bauernhaus.
Als er Kahlen nicht zum Aufgeben bringen kann, beginnt er eine Privatfehde mit dem Hauptmann. Gleichzeitig beginnt Schinkels Cousine Edel Helene (Kristine Kujath Thorp), die von ihren verarmten Eltern aus Norwegen zur Verheiratung zum Gutsherren geschickt worden ist, sich für Kahlen zu interessieren.
Als der Gutsherr erfährt, dass Kahlen Gesetzlose beschäftigt, droht er ihnen, damit sie den Hof verlassen. Es bleiben nur noch der Priester Eklund, die Hausmagd Ann Barbara und ihr Mann Johannes sowie Anmai Mus auf dem Hof.
Während Kahlen versucht, den Boden mit neuen Methoden, wie Brandrodung und dem Pflanzen von Kartoffeln, die er in Mecklenburg als ideal für sandige Böden kennengelernt hat, zum Erfolg zu kommen, versucht Schinkel, ihm weiterhin möglichst viele Steine in den Weg zu legen.
Kahlen ist bereit, um sein Land, sein Haus und seinen Adelstitel unter allen Umständen zu kämpfen, das führt zu einem erbitterten Kampf, der immer mehr Opfer fordert. Denn Ludvig Kahlen hat noch längst nicht gewonnen als er die ersten geernteten Kartoffeln an den Königshof nach Kopenhagen schicken kann oder er neue Kolonisten aus Deutschland bekommt, denn Schinkel wird zum Äußersten greifen.
Doch es wird letztendlich Ann Barbara sein, die die Fehde der beiden Männer entscheidet, selbst wenn es ihre eigene Freiheit kosten wird. Doch ist es den Preis wirklich wert, damit Ludvig Kahlen eine bessere Stellung in der Gesellschaft erhält und wer zahlt letztendlich die Zeche?
″King’s Land″ (im Original ″Bastarden″) ist ein historisches Filmdrama von Nikolaj Arcel, das im September 2023 bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig seine Premiere hatte. Das Drehbuch stammt von Anders Thomas Jensen und Nikolaj Arcel, nach dem Roman Kaptajnen og Ann Barbara von Ida Jessen (2020).
Nikolaj Arcel konnte als Hauptdarsteller den dänischen Superstar Mads Mikkelsen gewinnen, der für seine Darstellung des Ludvig Kahlen 2023 mit dem Europäischer Filmpreis als bester europäischer Darsteller ausgezeichnet wurde. Daneben erhielten auch noch Rasmus Videbæk für die beste Kamera und Kicki Ilander für das beste Kostümdesign einen Europäischer Filmpreis. ″Bastarden″ war Dänemarks Beitrag für die Oscarverleihung 2024 als bester Internationaler Film. Er kam in die Vorauswahl der besten 15 Filme, wurde dann aber nicht für die letzten 5 Filme nominiert.
Dies ist nicht die erste Zusammenarbeit von Mads Mikkelsen und Nikolaj Arcel, denn Mikkelsen spielte bereits in dem Historiendrama ″Die Königin und der Leibarzt″ (2012) die Hauptrolle als Johann Friedrich Struensee bei der Arcel sowohl für das Drehbuch als auch für die Regie verantwortlich war. Das war der Film, für den Nikolaj Arcel bei den Internationalen Filmfestspielen 2012 in Berlin den Silbernen Bären in der Kategorien Bestes Drehbuch gewonnen hat.
Auch mit Drehbuchautor Anders Thomas Jensen hat Mads Mikkelsen in ″Men & Chicken″ (2015) und ″Helden der Wahrscheinlichkeit″ (2020) schon zusammen gearbeitet, in beiden Filmen war Jensen auch der Regisseur tätig.
Zentrum des Films ist Mads Mikkelsens Ludvig Kahlen, der vom Schauspieler ausgesprochen zwiespältig dargestellt wird. Denn für Kahlen ist der Aufstieg in eine Klasse, der sein Vater angehört hat und die ihm als uneheliches Kind verwehrt geblieben ist, zu Beginn Wichtiger als alles andere. Dafür ist er bereit, beinahe alles andere zu opfern. Doch im Laufe der Story verliert Kahlen zwar nie sein Ziel aus den Augen, als gleichgesinnter von der herrschenden Schicht anerkannt zu werden, aber er entwickelt auch Mitleid und es entsteht auch eine ganz besondere Beziehung zum Romamädchen Anmai Mus, die er zuerst wegen der Ängstlichkeit der ersten Kolonisten versteckt, der er aber später ein verständnisvoller Vater ist.
Auch sein Verhältnis zu Ann Barbara verändert sich im Laufe des Films. Allerdings ist die Rolle der Ann Barbara doch während des ganzen Films sehr zurückhaltend angelegt. Amanda Collin spielt Ann Barbara als eine Person, die jederzeit präsent ist und im Hintergrund die Aktionen immer beobachtet, die aber nie eingreift. Erst ganz zum Schluss gewinnt sie endlich Profil, als sie bereit ist, sich gegen den Gutsherrn nicht nur aufzulehnen, sondern ihn blutig zu bestrafen.
Melina Hagberg ist als Romamädchen Anmai Mus selbstbewusst und manchmal auch vorlaut. Sie ist aber auch bereit, sowohl bei Ann Barbara als auch bei Ludvig Kahlen zu lernen, so dass sie am Ende nicht nur Lesen und Schreiben kann, sondern auch in der Lage ist Kahlens Bücher zu führen.
In einer kleineren Rolle ist Kristine Kujath Thorp als Schinkels Cousine Edel Helene zu sehen, die versucht sich Kahlen zu nähern, damit sie der drohenden Verheiratung mit Schinkel entgehen kann, denn sie weiß, dass ihre Eltern hoffen, dass sie mit dem reichen Vetter eine gute Partie macht und damit nicht mehr der verarmten Verwandtschaft auf der Tasche liegt.
Kahlens Gegenspieler ist der Gutsherr Frederik De Schinkel, der von Simon Bennebjerg als der perfekte Bösewicht gespielt wird. Schinkel ist sich seiner Rolle als Gutsherr, der sich einen Titel anmaßt durchaus bewusst, denn er weiß, dass der König weit weg ist und ihn seine Handlungen nicht interessieren. Er ist ein arroganter, verwöhnter und übermäßig gewalttätig Psychopath. Er wirkt gefährlich, da niemand bereit ist, sich ihm in den Weg zu stellen, aber gleichzeitig auch nervig und dadurch auch ungewollt lächerlich.
Insgesamt kann ″King’s Land″ als eine ″nordischer Western“ beschrieben werden, der sich auf die Besiedlung der Heide Jütlands fokussiert. Dabei zeigt der Historienfilm zwar keine Überraschungen, aber er überzeugt durch die Schauspieler und durch wunderbare Bilder von Kameramann Rasmus Videbæk, in denen die Unwirtlichkeit der flachen, kalten Landschaft Jütlands durch die in braun gehaltenen Bilder ebenso spürbar wird wie die Überheblichkeit der Adligen, bei denen die Tische stets reich gedeckt sind (was in meist hellen und bunten Farben gezeigt wird). Bei aller Kritik lohnt es auf jeden Fall, sich den dänischen Historienfilm im Kino anzusehen.
Zusatz: Der Charakter des Ludvig Kahlen geht auf eine reale Person zurück, denn er war einer der ersten Landwirte der jütländischen Heide und hat das ″Königshaus″ wirklich gebaut (auch wenn man heute nicht mehr weiß, wo genau es gestanden hat).
Ludvig Kahlen wurde um 1700 in Lauenburg geboren und starb 1774. Er hatte Erfahrung in der Landwirtschaft und als Landvermesser gesammelt. Nach seinem Militärdienst interessierte er sich für die Bewirtschaftung der Heide. Als seine Bewerbung genehmigt wurde, baute er 1755 das ″Kongenshus″. Die ersten Kolonisten kamen 1759 an, sie flohen aber bald wieder. Danach beschäftigte er örtliche Bedienstete, doch auch diese verloren den Mut. Kahlen selbst gab nach acht Jahren des Pflügens und Säens mit nur geringem Ertrag wieder auf. Er ging 1766 zum Militär zurück und starb 1774.
Foto 1: Trotz aller Zweifel am Hofe erhält der einstige Soldat Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) das Einverständnis des Königs das Brachland Jütlands zu kultivieren © Plaion Pictures
Foto 2: Die Hausmagd Ann Barbara (Amanda Collin) hat nichts mehr zu verlieren © Plaion Pictures
Foto 3: Der skrupellose Gutsherr Frederik De Schinkel (Simon Bennebjerg) greift zu allen Mitteln, um Ludvig Kahlen zu beseitigen © Plaion Pictures
Foto 4: Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen) findet in dem Geistlichen Anton Eklund (Gustav Lindh) einen Verbündeten © Plaion Pictures
Info:
King’s Land (Dänemark, Deutschland, Schweden, Norwegen 2023)
Originaltitel: Bastarden
Genre: Action, Drama, Historie, Literaturverfilmung
Filmlänge: ca. 127 Min.
Regie: Nikolaj Arcel
Drehbuch: Anders Thomas Jensen & Nikolaj Arcel, nach dem Roman Kaptajnen og Ann Barbara von Ida Jessen (2020)
Darsteller: Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Simon Bennebjerg, Kristine Kujath Thorp, Gustav Lindh, Morten Hee Andersen, Melina Hagberg u.a.
Verleih: Plaion Pictures
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 06.06.2024
