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Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Paris, den 29. Dezember 1386. Die Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jacques Le Gris (Adam Driver) stehen sich in Paris vor dem französischen König Charles VI (Alex Lawther) und seinem Hofstaat in einem tödlichen Duell gegenüber.
Doch wie ist es dazu gekommen, dass de Carrouges und Le Gris jetzt ein als Gottesurteil geltendes Duell austragen? Noch vor einigen Jahren waren sie nicht nur Freunde, sondern Jean de Carrouges hat Jacques Le Gris während eines Feldzuges das Leben gerettet und Le Gris war der Pate von Carrouges inzwischen an der Pest gestorbenen Sohnes.
Jean de Carrouges war ein hitziger, streitsüchtiger und arroganter Mann, der sein Geld in den Kriegen des französischen Königs verdiente. Er wird seiner Meinung nach von seinem Lehnsherrn, dem Fürsten Pierre d'Alençon (Ben Affleck) immer wieder gedemütigt, während Jacques Le Gris immer weiter in der Gunst des Fürsten steigt, was von de Carrouges missgünstig beobachtet wird.
Nach dem Tod seiner ersten Frau Jeanne de Tilly heiratet de Carrouges Marguerite (Jodie Comer), die reiche Erbin und einzige Tochter von Robert de Thibouville (Nathaniel Parker), einem normannischen Adligen, der allerdings beim König wegen seiner Wankelmütigkeit nicht gerade hoch angesehen ist. De Carrouges erhält nach seiner Hochzeit aber nicht den ihm zugedachten Anteil des Landes, da Thibouville gezwungen wird, damit seine Lehensschuld zu bezahlen. Der Fürst schenkt das Land an Jacques Le Gris.
Ebenso wird de Carrouges nicht der Nachfolger seines Vaters als Viscount of Bellême, auch dieser Titel und die damit verbundenen Einnahmen gehen an Le Gris.
Nachdem de Carrouges 1384 während eines Feldzuges in Schottland gegen den englischen König Richard II zum Ritter geschlagen wurde, wollte er sich nach seiner Rückkehr seinen Lohn in Paris abholen.
Durch einen unglücklichen Zufall war Marguerite am Morgen des 18. Januar 1386 allein in ihrer Burg, da ihre Schwiegermutter Nicole (Harriet Walter) im Nachbarort etwas zu erledigen hatte. Sie wurde von Adam Louvel (Adam Nagaitis) und Jaques Le Gris aufgesucht, der ihr Komplimente machte und als sie nicht darauf einging, vergewaltigte er sie.
Als Marguerite den Vorfall ihrem Mann nach dessen Rückkehr erzählt, will dieser Klage beim Fürsten Pierre d'Alençon einreichen. Der will die Sache allerdings unter den Tisch kehren und verkündet, dass Marguerite die Vergewaltigung wohl nur geträumt habe.
So sieht de Carrouges nur noch eine Chance und fordert von dem jungen französischen König Charles VI ein Gottesurteil - ein Duell zwischen ihm und Le Gris auf Leben und Tod. Denn Gott wird demjenigen, der die Wahrheit spricht, zum Sieg verhelfen. Ein solches Duell hat es in Frankreich schon seit 30 Jahren nicht mehr gegeben. Allerdings riskiert de Carrouges nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das von Marguerite, die sichtbar schwanger ist. Wenn er verliert, wird sie wegen falscher Anschuldigungen auf dem Scheiterhaufen verbrannt…
Das Drehbuch zu "The Last Duel" stammt von Nicole Holofcener, Ben Affleck und Matt Damon. Es ist das zweite Drehbuch, das Ben Affleck und Matt Damon zusammen verfasst haben nach "Good Will Hunting" (1997), für das sie einen Oscar für das beste Originaldrehbuch erhalten haben. Regisseur ist Ridley Scott, der zuletzt bei "Der Marsianer - Rettet Mark Watney" (2015) mit Matt Damon zusammen gearbeitet hat.
Das Drehbuch basiert auf dem Sachbuch The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France (2004) von Eric Jager. Jager ist Professor für Englisch und Spezialist für mittelalterliche Literatur. Die Story ist auch deshalb interessant, weil es das letzte offiziell anerkannte gerichtliche Duell in Frankreich war.
Ridley Scott, der mit "Königreich der Himmel" (2005) und "Robin Hood" (2010) schon für andere Mittelalterdramen verantwortlich war, zeigt hier die ganze Story in drei Kapiteln: ″Die Wahrheit nach Jean de Carrouges″, ″die Wahrheit nach Jacques Le Gris″ und ″die Wahrheit nach Marguerite de Carrouges″. Dabei werden immer wieder die gleichen Begebenheiten aus den Perspektiven von Jean de Carrouges, Jaques Le Gris und zuletzt von Marguerite de Carrouges erzählt. Ganz sicher ist Marguerites Version die interessanteste, denn hier wird doch einiges von der Selbstverliebtheit und Überheblichkeit der Männer relativiert.
Jean de Carrouges ist nicht allzu intelligent. Er fällt - auch durch sein aufbrausendes Wesen - bei seinem Lehnsherrn in Ungnade. Dabei wäre er doch gerne das erfolgreiche Familienoberhaupt, doch er muss darauf warten, dass ihm Marguerite - wie seine erste Frau - nach 5 Jahren Ehe endlich einen Sohn schenkt und der missgünstig den Aufstieg seines ehemaligen Freundes beobachtet.
Jacques Le Gris wäre gerne mehr als nur der vom Fürsten unterstützte, gebildete Frauenheld, der nicht nur an den Gelegen des Fürsten Pierre teilnimmt, sondern er möchte Marguerite allein mit seinen Auftritt und seiner Bildung verführen, da er doch im Gegensatz zu de Carrouges Lesen und Schreiben kann und außerdem auch noch Latein spricht.
Und da ist die selbstbewusste Marguerite, die zwar eine treue Ehefrau ist, die aber im Bett keine Freude empfindet und die das Anwesen eigentlich viel besser als der großsprecherische Gatte verwalten kann. Da die Vergewaltigung hier nie in Frage gestellt wird, liegt das Interesse darauf mit welchen Nuancen die drei Beteiligten ihre Geschichte aus der Täter- und Opfersicht darstellen.
Fürst Pierre d'Alençon, der von einem blond gefärbten Ben Affleck als selbstherrlichen Lebemann gespielt wird, hat nur seine Orgien und Frauengeschichten im Kopf. Außerdem ist er ein Mensch, der seine Macht regelmäßig missbraucht, wohl wissend, dass ihn seine Verwandtschaft zum König schützen wird. Denn schließlich war er für seinen Vetter König Johann II. von Frankreich eine Zeitlang als Geisel in England. Später kämpfte er gegen die Engländer in Aquitanien und eroberte Limoges (die Schlacht, bei der de Carrouges Le Gris das Leben rettet).
Doch auch wenn der Fürst erst einmal die Klage gegen seinen Schützling abwehrt, am Ende muss er dem Duell zustimmen, denn de Carrouges hat seine Klage gegen Le Gris nicht nur bis vor den König gebracht, sondern er besteht auch den kirchlichen Würdenträgern gegenüber auf einem Gottesurteil. Denn da letztendlich Aussage gegen Aussage steht, bleibt nur noch der Zweikampf als ein Gottesurteil übrig.
Im Zentrum stehen natürlich Matt Damon als Jean de Carrouges, Adam Driver als Jacques Le Gris und vor allem Jodie Comer als Marguerite. Matt Damon spielt den Ritter nicht nur mit schrecklicher Frisur und einer Narbe im Gesicht, sondern auch als einen zwar guten Soldaten aber doch nicht allzu intelligenten oder feinfühligen Mann, der zwar ständig von Ehre redet, aber vom Leben und der Politik keine Ahnung hat und der eigentlich auch nicht in der Lage ist, seine Güter vernünftig zu verwalten.
Adam Driver wiederum spielt Le Gris mit einer interessanten Ambivalenz als intellektuell-abgründigen Verführer, der es genießt von seinem Lehnsherrn gefördert zu werden und der auch den Ruhm als Frauenverführer genießt. Ob Le Gris wirkliches Interesse an der Frau seines ehemaligen Freundes hat, oder ob der diesen durch die Vergewaltigung nur demütigen will, wird nicht deutlich und ist letztlich auch unwichtig.
Jodie Comer schafft es in ihrem Part die vorher schon zwei Mal gesehene Story, in der auch keine neuen Infos geliefert werden, durch oft nur minimale Details trotzdem spannend zu halten. Allein durch ihr Minenspiel sieht man vor allem die Vergewaltigungsszene in einem ganz andern Licht.
Regisseur Ridley Scott und sein regelmäßiger Kameramann Darius Wolksi zeigen die französischen Ritterburgen so wie sie damals wohl waren - zugig, kalt und dunkel. Von Seiten der Oberen herrschen Willkür und Gewalt, Recht gibt es nicht, schon gar nicht für Frauen. In den meisten Szenen sind Landschaft und Innenräume dunkel und grau, es gibt eigentlich kaum Szenen, in denen die Sonne scheint und es warm wirkt.
Da der Film auf einer realen Begebenheit beruht hier noch einmal eine historische Einordnung: Die Kriege gegen die Engländer, an denen de Carrouges und Le Gris teilnahmen waren Teil des "Hundertjährigen Krieges". König in England war zur Zeit des Duells, Richard II (dessen Ende William Shakespeare in seinem gleichnamigen Königsdrama unsterblich gemacht hat). Auch der zur Zeit des Duells 18jährige französische König Charles VI (Alex Lawther), der später unter anderem den Beinamen der Wahnsinnige hatte, wird vor allem durch seine Geisteskrankheit noch eine große Rolle in der Geschichte Frankreichs spielen und der ebenfalls in Shakespeares Historiendrama ″Heinrich V.″ unsterblich gemacht wurde.
Als geschichtlicher Hintergrund ist auch interessant, dass von kurz nach dem Duell noch bis 1992 immer wieder Marguerite de Carrouges Aussage über den Vergewaltiger in Zweifel gezogen wurde und regelmäßig behauptet wurde, dass ein Anderer Marguerite vergewaltigt haben könnte und dass man Le Gris die Tat nur angehängt hätte.
Die Drehbuchautoren und auch der Regisseur lassen aber in ihrer Darstellung keinen Zweifel aufkommen, dass sie Le Gris für schuldig halten, auch wenn er in seinen letzten Atemzug die Tat bestritten hat. Es wird auch deutlich gezeigt, dass er sich mit den Kirchenoberen abgesprochen hat, die ihm letztendlich zu seiner Aussage geraten haben.
Insgesamt ist "The Last Duel" ein Film, der hervorragend zur augenblicklichen MeToo Debatte passt. Die Story mag bekannt sein, aber das ändert nichts daran, dass Ridley Scott ein spannendes Drama gedreht hat, das in dem titel-gebenden Duell zum Schluss noch ein brachiales Highlight erlebt. "The Last Duel" mag ein Historienfilm sein, aber er sagt mit seiner Story aus der Vergangenheit doch eine Menge über die Gegenwart aus. Das macht den Film auch im Fernsehen unbedingt sehenswert.
Foto 1: Jean de Carrouges (Matt Damon, l.) und Jacques Le Gris (Adam Driver) © RTL / 2021 20th Century Studios
Foto 2: Marguerite de Carrouges (Jodie Comer) © RTL / 2021 20th Century Studios
Foto 3: Jacques Le Gris (Adam Driver) © RTL / 2021 20th Century Studios
Foto 4: Jean de Carrouges (Matt Damon) © RTL / 2021 20th Century Studios
Info:
The Last Duel (USA, Großbritannien 2021)
Originaltitel: The Last Duel
Genre: Drama, Mittelalter, Historienfilm, Gottesurteil, Duell, Sachbuch-Verfilmung
Filmlänge: ca. 137 Min.
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Ben Affleck, Matt Damon, Nicole Holofcener - basierend auf dem Sachbuch The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France (2004) von Eric Jager
Darsteller: Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck, Nathaniel Parker, Harriet Walter, Marton Csokas, Sam Hazeldine, Michael McElhatton, Alex Lawther, Adam Nagaitis u.a.
FSK: ab 16 Jahren
″The Last Duel″ wird am So. 11.08.2024 um 23:30 Uhr als deutsche Free-TV Premiere bei RTL gezeigt.