Bildschirmfoto 2024 09 05 um 22.55.06Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos am 5. September 2024, Teil 7
 
Corinne Elsesser

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Hazal ist eine junge Frau, die ihren Weg im Leben sucht. In der Schule will sie eher keinen Abschluss machen, obwohl ihre Familie das gerne sähe. Sie sucht derweil nach einer Arbeitsstelle, es ist ihr nicht so wichtig, welche und im Bewerbungsgespräch mit der Leiterin eines Altenheims meint sie, sie wolle gern einmal mit alten Menschen arbeiten. Das klingt nicht sehr überzeugend für eine ernsthafte Bewerbung und sie bekommt die Stelle nicht.

Als sie endlich 18 wird, will sie erst mal feiern. Zusammen mit ihren Freundinnen geht es zu einem der angesagten Berliner Nachtclubs, den sie vorher nicht besuchen durften, da sie noch nicht volljährig waren. Doch jetzt weist sie der Türsteher ebenfalls ab, es sei eine private Veranstaltung. Das ist nicht die einzige Zurückweisung, die Hazal in letzter Zeit erfahren musste. Sie ist überzeugt, dass alles nur an ihrer türkischen Herkunft liege und sie deshalb nie recht in Deutschland ankomme. Wut hat sich schon lange aufgestaut.

Als die drei Freundinnen in die U-Bahn-Station kommen, treffen sie auf einen jungen Mann. Er ist groß und blond und ziemlich angetrunken und beginnt, sich über sie lustig zu machen. "Na, kommt Ihr von einer türkischen Hochzeit?" ruft er ihnen zu, ironisch und abfällig. Schon wieder werden sie in die Rolle von Migranten gedrängt. Er beginnt, sie anzumachen, lässt nicht locker und da reißt der Geduldsfaden. Die drei Frauen wehren sich und beginnen bald, auf ihn einzuschlagen. Die Wut steigert sich. Als er schließlich am Boden liegt, erschrecken sie doch und beeilen sich, von dort fortzukommen.

Am nächsten Tag findet Hazal Berichte über den Vorfall und ihr Foto kursiert im Internet. Kurz darauf sitzt sie im Bus Richtung Istanbul, wo sie hren Skype-Partner zu finden hofft. Dieser ist völlig überrascht, sie real zu sehen, lässt sie aber doch bei sich übernachten. Und auch für Hazal ist das Wiedersehen des Freundes, den sie nur am Bildschirm kannte, enttäuschend. Als er sich ihr sexuell nähert, lässt sie es geschehen, und muss im Grunde erleben, wie er sich an ihr genüsslich tut, ohne auch nur im geringsten an sie zu denken. Die Realität des Erwachsenwerdens trifft sie mir aller Härte, Illusionen und Träume zerplatzen wie Luftblasen und Hazal muss nun in einer fremden Stadt ihren Weg finden. Zurück nach Deutschland kann sie nicht mehr, da sie inzwischen zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Ihre Tante, die in Berlin immer eine Vertraute war, kann sie schließlich ausfindig machen, kommt nach Istanbul und versucht, Hazal zu überreden, sich zu stellen.

Fast ausschliesßich mit Laien gedreht, wirkt der Film von Aslı Özarslan authentisch und zeitweilig wie ein Dokumentarfilm. Er gewinnt insbesondere durch die schauspielerische Präsenz von Melia Kara als Hazal. Nach Auftritten im Schultheater und als Statistin ist dies ihre erste Hauptrolle in einem Spielfilm. Zurzeit studiert sie Wirtschaftskommunikation, aber sie will sich anschließend auf die Schauspielerei konzentrieren. Asya Utku wurde im Rahmen eines Streetcasting für ihre Rolle der Istanbuler Freundin Gül entdeckt. Jamilah Bagdach ist Schauspielerin und Musikerin, studiert zurzeit Soziale Arbeit und beeindruckt in der Rolle der Berliner Schulfreundin Elma.

Das Drehbuch, das Aslı Özarslan zusammen mit Claudia Schaefer geschrieben hat, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Fatma Aydemir. Ein sehr sehenswerter, von großartigen Schauspielern getragener Film ist daraus entstanden. Auf der diesjährigen Berlinale war "Ellbogen" in der Reihe "Generation" erstmals zu sehen und das Lichter Filmfest in Frankfurt zeichnete ihn in diesem Frühjahr mit dem Hauptpreis für den besten regionalen Langfilm aus.

Foto:
©Verleih

Info:
Ellbogen, Deutschland, 2024
Regie: Aslı Özarslan
Drehbuch: Aslı Özarslan und Claudia Schaefer
Kamera: Andaç Karabeyoğlu-Thomas
Besetzung: Melia Kara, Asya Utku, Jamilah Bagdach, Doğa Gürer u.a.
86 Minuten