10 ElementOfCrime Zitadelle c Superfilm NoelRichter KopiePremiere am 1. Oktober, Filmstart am 3. Oktober 2024

Hanswerner Kruse

Wir haben keine Lösung. Wir haben Lieder.“

Berlin (Weltexpresso) - Schauspieler und Regisseur Charly Hübner hat mit und über die Musikgruppe „Element of Crime“ eine abendfüllende Filmcollage gedreht. Wir sprachen mit ihm und Sven Regner, dem Sänger und Songschreiber der Gruppe, der auch als Autor erfolgreich ist („Herr Lehmann“).

 

Der Film:
Man sieht den Rücken des Schlagzeugers, dann den Sänger, dessen Stimme die folgenden, schnell geschnittenen Bilder der Stadt vor dem Mauerfall besingt: „Warm sind die Nächte in Berlin.“ Der Filmemacher begleitete die Band bei Konzerten an fünf aufeinanderfolgenden Abenden in der Hauptstadt, an denen sie zunächst in einem Privatclub, dann in immer größeren Locations bis zur Zitadelle Spandau auftraten. Doch daraus hat Charly Hübner keine klassische Musikdoku gemacht, sondern eine komplexe assoziative Bilder- und Infocollage. 

Zusammengeschnitten hat er ein Kaleidoskop von Bildern und Szenen, Songs und Gesprächen, Kommentaren und persönlichen Erinnerungen.  Zunächst kapiert man nur wenig, wenn man die Gruppe nicht kennt, doch am Ende des Films hat man im Kopf ein fantastisches Gemälde der „Element of Crime“, die vor knapp 40 Jahren zusammenfanden. Außerdem kann man der allgemeinen musikalischen Entwicklung jener Jahre nachspüren, sowie Berlin vor und nach dem Mauerfall erleben.

Die zunächst größte Überraschung (für den Autor dieser Zeilen) sind die Texte Sven Regners, der in den 1990er-Jahren - einige Jahre nach dem Ende der Neuen Deutsch Welle - begann auf Deutsch singt. Als ein FAZ-Kommentator ihn als Mischung von Bruce Springsteen und Bob Dylan bezeichnete, kam das damals einem musikalischen Todesurteil gleich, erinnert sich Regner lachend im Film. Seine Texte poetisieren Alltägliches, gleiten dann häufig sanft ins Surreale und Unwirkliche – und halten eine wunderbare Spannung zwischen Melancholie und Ironie: „Ich hab noch irgendwo ein warmes Bier zu steh'n / Du kannst die Blumen damit gießen / Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin.“

ElementOfCrime Pressebild c DCM KopieDas Gespräch
Hübner erinnert sich im Film und in unserem Gespräch, dass er einst im Osten aufwuchs, „Element of Crime“ hörte und in seiner „Teenager-Not“ dachte: „Wenn man so auf die Welt gucken kann, dann kommt man doch mit ihr zurecht."

Deshalb sagte er spontan „ja!“, als Charlotte Goltermann, die Managerin der Band, ihn fragte, ob er nicht einen Film über die Gruppe machen wolle. Wichtig war ihm dabei, dass er freie Hand bekommen würde und so war es dann auch.
Die Musiker waren jedoch zunächst sehr zurückhaltend. „Wir wollten eher keinen Film, weil wir auch Angst davor hatten, so wie Tiere vor dem Tierfilm. Denn wir können als Band nur was mit Musik machen“, meint Sven Regener, „doch, weil Charly den Film machen wollte, hatten wir Vertrauen. Denn mit ihm hatten wir schon mal ein langes Interview für das Online-Magazin Diffus, darin hat er uns unsere Musik erklärt...



Hübner war klar, der Film könne „nur eine Hommage werden. Für den musikalischen Teil war das Ensemble zuständig: „Der Live-Charakter sollte erhalten bleiben.“ Die Bild- und Musikarchive wurden für Hübner geöffnet und er hatte völlige Freiheit bei seiner assoziativen Montage. 

Immer wieder betont Regener im Gespräch, wie es ihn „geflasht“ habe, die Gruppe und sich selbst durch Charlys Augen zu sehen. Er freue sich über „diese alten Sachen, zusammen mit der Musik. Es sei spannend, „das eigene Leben auf so eine exzentrische Weise zu sehen, also ein bisschen wirr und durcheinander. Wir sehen uns selbst wie Fremde und bekommen einen ganz anderen Zugang zu unserer eigenen Geschichte. Darum hat mich das auch so berührt, weil ich es wie von außen gesehen habe.“ 

„Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“, D 2024, Regie Charly Hübner, Filmstart 1. Oktober 2024

Fotos: 
Oben: Charly Hübner / Sven Regner vor dem Konzert in der Zitadelle Spandau © Superfilm/Noel Richter
Unten: Sven Regner / Charly Hübner vor dem Interview © DCM