Der Hessische Film- und Kinopreis 2024, in einer feierlichen Gala in der Alten Oper Frankfurt, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „The same procedure as every year“? Das können wir nicht mal sagen, weil wir letztes Jahr erstmalig nicht dabei waren. Aber der Gastgeber des Abends, der Hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur , wie der bisherige Begriff des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst heute lautet, weshalb wir den alten kürzeren Begriff vorziehen, der prägnant alles sagt, kann das auch nicht sagen, denn er ist neu im Amt. Zumindest absolut neu gegenüber allen vorherigen Hessischen Filmpreisen war, daß zu Beginn keine Reden geschwungen wurden, sondern es direkt losging. Zwei Moderatoren – Annabelle Mandeng und Rainer Ewerrrien - gaben sich die Stichworte hin und her und eilten durch den fast dreistündigen Abend, wobei: losgegangen ist es mit einem Geräuschimitator, Rob, der knallt, kugelt, dröhnt, hackt mit seiner Stimme, was das Zeug hält.
Zwölf Preise, bei manchen Preisen wie dem Ensemblepreis ist die ganze Bühne voll, die Gepriesenen, die Laudatoren, das alles braucht nicht. nur Raum, auch Zeit, selbst wenn die Moderatoren angenehm nur moderierten und nicht die Chance,auf der Bühne zu stehen, für eigene Scherze nutzten. Insbesondere Annabelle, aus Österreich eingeflogen, hielt Tempo, aber das machte dann auch immer wieder einen geschäftsmäßigen Eindruck. Der hierzulande geborene und aufgewachsene Ewerrrien – übrigens sind beide im Hauptberuf Schauspieler – konnte nette Ideen ausführen, wenn er im Smoking mehr als overdressed die für den Drehbuchpreis Nominierten in zuvor produzierten Filmen zu Hause aufsuchte und nach ihren Beiträgen fragte und dann im selben Gewand auf die Bühne sprang und dem Gewinner gratulieren konnte.
Da dachte ich noch, drei Männer, eine Frau, oh je, schon wieder, aber es kam anders. Überwiegend wurden Frauen prämiert. Und das ist auch gut so, daß derzeit der Nachholbedarf von weiblichen Aspiranten im Film- und Fernsehgeschäft immer deutlicher wird. Und auch, daß Frauen öfter gegen den Stachel löcken und sich auf neues Terrain wagen. Insbesondere Frauen aus dem Migrantenmilieu. Darüber wird noch zu sprechen sein.
Mit Anna Schöppe, seit 2020 Geschäftsführerin der HessenFilm und Medien GmbH, war die Richtige am Mikrophon, über die derzeitige Entwicklung im Filmgeschäft zu sprechen. Wir wollen nicht die schon im Vorartikel genannten Preise und ihre Träger wiederholen, sondern jetzt nur betonen, was uns auffiel. Daß die vom hr produzierte TV-Serie DIE ZWEIFLERS eine gelungen Sache ist, hat sich rumgesprochen und wird durch das Aufrufen der Serie in der Mediathek täglich bekräftigt. Da hinkt der hessische Newcomerpreis (7 500 Euro) für den Ideengeber der Serie denen von Cannes etwas hinterher, was auch der ausgezeichnete David Hadda, leicht ironisch auf sein Alter bezogen, anmerkte. Andererseits will man in Hessen dann auch wiederum betonen, daß die Serie eine hessische ist, was sich Minister Timon Gremmels durch Verleihung und Ansprache auch nicht entgehen ließ. Auch der Ensemblepreis des Hessischen Rundfunks für seine eigene Produktion DIE ZWEIFLERS geht in Ordnung, denn derzeit wird die 2. Staffel produziert und es gelingt dieser Serie das Alte und das Neue zu verbinden. Auf der einen Seite wird so witzig, wie jüdische Witze einfach deutlicher selbstironisch sind als anderswo und auch derber über sich selbst herziehen, echt vom Leder gezogen, andererseits werden familiäre Konflikte nicht nur ausgebreitet, sondern zu lösen versucht. Wie bunt, wie unterhaltsam es da zugeht, ist alles zu sehen, zwischen Tragödie und Komödie. Endlich wieder eine echt jüdische Verfilmung.
Meine Güte, ich hatte mitgeschrieben, aber zehn Artikel sollen es nicht werden, darum eine Einschätzung, die eine persönliche ist, aber von sehr vielen auf der Feier nach der Preisvergabe geteilt wurde. Es war einfach auffällig, daß ein Preis nach dem anderen immer denjenigen zugesprochen wurde, die aus dem Migrantenmilieu stammen, was ein dummer Begriff ist, mir fällt aber kein besserer, die ausgezeichneten Personen umfassender Ausdruck ein. Bis auf wenige Ausnahmen sind von der Dreierauswahl der zwölf Preise immer ganz zufällig Migrationsthemen und Migranten und Migrantinnen Sieger geworden.
Spätestens seit Minister Gremmels dies auch noch betonte („Geschichten und Erfolge wie diese sind ein Stachel im Fleisch der Rechten in diesem Land“) und daraus das weltoffene Hessen ableitete, wurde einem etwas mehr als blümerant zu Mute. Das haben nämlich die Angesprochenen gar nicht nötig, als Sonderposten herausgehoben zu werden. Die sind auch so gut. Eine derartige Einseitigkeit der Auswahlentscheidungen ruft eher das Gegenteil hervor: Argwohn. Argwohn nämlich, daß künstlerische Belange zweitrangig und die politische Botschaft wichtiger sei und hier instrumentalisiert werde.
Schade, ein solches Geschmäckle haben die Ausgezeichneten nämlich nicht verdient. Ich selbst kann inhaltlich die unbekannten Filme nicht werten, aber es gab einige, die die Werke kannten und mit den jeweiligen Jurys nicht einig waren.
Darum auch noch ein Wort zu Barbara Sukowa, die zu erleben den meisten Anwesenden das Wichtigste war. Sie war auch schön, sprach lieb und dankte. Als sie am Schluß davon sprach, daß sie ihren Regisseuren danke, fiel der Name nicht, der angebracht war: Margarethe von Trotta. Ihr nämlich verdankt sie ihr Ansehen in der deutschen Filmlandschaft, in der sie solch tolle Rollen wie Rosa Luxemburg und Hannah Arendt verkörpern konnte, und auch die schlecht angesehen Gudrun Ensslin darstellen durfte; es gibt Filme, die hier nicht so einschlugen, obwohl sie ausgezeichnet sind, wie die mit den beiden Schwerstern….Wie auch immer, Barbara Sukowa, deren Erfolg für mich untrennbar mit von Trotta verbunden ist, nachdem Fassbinder ihren Start ermöglichte, sagte zu ihr kein Wort.
Anders war es letzten Sonntag zugegangen. Da nämlich wurde im B3 Filmfestival besagte Margarethe von Trotta für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Die nun wiederum hatte davon gesprochen, daß ihre Filme auch durch die tollen Darstellerinnen zu diesen Erfolgen wurde und hatte dabei ausdrücklich Barbara Sukowa genannt.
Fotos:
Minister Gremmels und Sunnyi Melles, Hauptdarstllerin in DIE ZWEIFLERS
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