Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos 17. Oktober 2024, Teil 10
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - Abbasi hatte seine ersten Lebensjahre im Iran verbracht, eher er nach Europa zog. Er hatte wenig Interesse an amerikanischer Politik und war in keiner Weise vertraut mit Trumps wegweisender Beziehung zu Cohn. Er sagt: „Ich wusste eigentlich nicht, wer Donald Trump war, bis ich ihn in diesem berühmten Video sah, in dem er die Rolltreppe herunterkam [um seine Präsidentschaftskandidatur zu verkünden]“, sagt Abbasi. „Erst da wurde ich auf ihn als Figur aufmerksam. Und über Gabriel entdeckte ich dann Roy als Figur.“
Sherman reiste im Frühjahr 2019 zu einem Treffen mit Abbasi in dessen Haus in Kopenhagen, wo sie eine Woche lang über den Film als Ganzes sprachen und Ideen zur Überarbeitung des Drehbuchs diskutierten. „Er sagte unter anderem etwas, wo ich sofort mitgehen konnte, nämlich dass er sich wünschte, dass der Film gleichermaßen das System und diese Charaktere offenlegen würde“, so Sherman. „Er war der Meinung, mit Kapitalismus und Macht habe es eine besondere Bewandtnis – Trump könne nur im Kontext dieses typisch amerikanischen Systems existieren, in dem Erfolg, Geld und Macht mehr zählen als Integrität und Anstand.“
„Ich habe“, so Abbasi, „das Drehbuch überarbeitet und es stärker auf Donald als ambivalente Figur ausgerichtet. Gabriels ursprüngliche Idee war, dass es in Donalds Leben zwei Vaterfiguren gegeben hat – zum einen Fred und zum anderen Roy. Das war die Struktur. Ich hatte das Gefühl, dass man jemanden wie Donald Trump, der eine sehr komplizierte Psyche hat, in Fragmenten betrachten muss, dass man auf verschiedene Aspekte wie zum Beispiel das Älterwerden, Narzissmus oder Unsicherheiten blicken muss. All diese Dinge können ebenso wichtig sein wie eine Ideologie. Dieser Mann ist eine sehr eigenartige Mischung aus vielen verschiedenen Dingen. Ich habe versucht, möglichst viel davon im Drehbuch und natürlich im Film einzufangen.“
Eine der wichtigsten Referenzen für Abbasi bei THE APPRENTICE – THE TRUMP SRORY war Stanley Kubricks Oscar®- prämiertes Historienepos Barry Lyndon über einen irischen Gauner, der in der Oberschicht der europäischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts ein Vermögen machen will. „Ich fand das einen brillanten und überraschenden Vergleich für diesen Film – ein sozialer Aufsteiger, der die Allüren der Menschen und Kulturen um ihn herum aufsaugt, weil er selbst für nichts steht“, merkt Baer an. „Das trifft in mehr als einer Hinsicht auf Trump zu.“
Gemeinsam arbeiteten Sherman und Abbasi am Feinschliff des Drehbuchs, wenngleich sich diverse Ereignisse verschworen hatten, um zu verhindern, dass THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY in die Produktionsphase gehen konnte – nicht zuletzt die COVID-19-Pandemie, die die Welt in den Lockdown schickte. Monatelang war die Finanzierung des Films ungewiss, was Abbasi dazu veranlasste, in der Zwischenzeit einen weiteren viel gelobten Film zu drehen, Holy Spider (2022). Der auf Farsi gedrehte Krimi über eine Journalistin, die einen Serienmörder verfolgt, der es auf Sexarbeiterinnen in der iranischen Stadt Maschhad abgesehen hat, feierte ebenfalls in Cannes Premiere. Er erhielt viel Beifall und eine Auszeichnung in der Kategorie Beste Schauspielerin für Hauptdarstellerin Zar Amir Ebrahimi.
Etwa zur gleichen Zeit begann THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY richtig an Zugkraft zu gewinnen, da weitere Produzenten verbindliche Zusagen machten, den Film zu unterstützen. Daniel Bekerman, Gründer und Chef der kanadischen Produktionsfirma Scythia Films, hatte zwar noch nie mit Abbasi zusammengearbeitet, nannte aber Border als einen seiner Lieblingsfilme der letzten 20 Jahre; Bekerman war maßgeblich daran beteiligt, die Dreharbeiten zu THE APPRENTICE nach Kanada zu holen. „Trump ist, wie die meisten politischen Figuren, die in unserer Kultur und unseren Köpfen auftauchen, teils Mensch, teils Mythos – das gilt für die Art und Weise, wie er wahrgenommen wird, und zwar egal von welcher Seite des politischen Spektrums. Dieser Film beleuchtet Bereiche, die noch nicht so gut erforscht sind. Wie ist die Person, die sich hinter dem Mythos verbirgt, so geworden? Wie sind die Person und der Mythos zu der Figur verschmolzen, die wir erkennen?“
Produzent Louis Tisné, der Border produziert und Ende 2022 mit dem Regisseur zusammen eine dänische Produktionsfirma namens FILM INSTITUTE gegründet hat, erklärt: „Ali und ich haben beide Philosophie studiert. Uns verbindet die Liebe zum Analytischen, daher auch die augenzwinkernde Anspielung in unserem Firmennamen. Er hat eine unglaubliche Fähigkeit, Charaktere mit einem zutiefst menschlichen Blick zu betrachten.“
Jacob Jarek von Profile Pictures, der Abbasi von der Filmhochschule kannte und sowohl sein gruseliges Spielfilmdebüt Shelley (2016) als auch Holy Spider produziert hat, war sofort bereit, wieder mit dem Regisseur zusammenzuarbeiten, diesmal an seinem ersten englischsprachigen Spielfilm.
„Ali reizt immer Grenzen aus und hat ein Talent, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die unbequem und kontrovers sein können, aber unserer Aufmerksamkeit bedürfen“, sagt Jarek. „Das tut er nicht, weil er eine bestimmte politische Agenda hat, sondern aus einem natürlichen Drang heraus, die Menschen aus ihrer üblichen Wahrnehmung zu locken. Er sieht eine Notwendigkeit und einen Sinn darin zu ergründen, wie es dazu kam, dass Dinge sind, wie sie sind – wie eben ein Serienmörder im Iran mit dem Mord an Dutzenden von Frauen binnen kurzer Zeit davonkommen konnte, oder wie Donald Trump zur mächtigsten Person der Welt werden konnte.“
Ruth Treacy und Julianne Forde von Tailored Films aus Irland waren schließlich die letzten Produzentinnen, die sich der Produktion anschlossen. Beide waren, so sagen sie, fasziniert von der Idee einer „Entstehungsgeschichte“ von Donald Trump, wie sie von Ali Abbasi erzählt wird. „Man denkt sofort an den Satz ‚Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut’“, so die Produzentinnen. „Dass die Zuschauer den Kontext und die Zutaten sehen, die nach und nach hinzugefügt, in eine Form gebracht und gebacken wurden, bis der Mann entstanden war, den wir heute alle aus den Medien kennen, finden wir unheimlich spannend. Das ist auch enorm wichtig, um einschätzen zu können, wie wir alle in Zukunft von den Medien und den Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, beeinflusst werden.“
Fortsetzung folgt
Foto:
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Info:
Besetzung
Donald Trump. SEBASTIAN STAN
Roy Cohn. JEREMY STRONG
Ivana Trump MARIA BAKALOVA
Fred Trump. MARTIN DONOVAN
Mary Anne Trump. CATHERINE MCNALLY
Freddy Trump. CHARLIE CARRICK
Russell Eldridge. BEN SULLIVAN
Roger Stone. MARK RANDALL
Stab
Regie ALI ABBASI
Drehbuch GABRIEL SHERMAN