WOODWALKERS 004 rcm1920x1080uSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Oktober 2024, Teil 6

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) –  Katja Elsässer ist in Deutschland eine der meistbeschäftigten Tiertrainerinnen für Film und Fernsehen. Die Expertin, die in Norddeutschland den Filmtierhof betreibt, weiß genau, was mit Filmtieren umsetzbar ist und was nicht. Durch ihr gutes Netzwerk kann sie bei Filmproduktionen, je nach Bedarf, auch externe Filmtiere und Filmtiertrainer:innen an Bord holen. Gemeinsam mit dem Tiertrainer Miguel de la Torre betreibt sie die Filmtieragentur Wild Animal Actors, in der sie sich auf das Training von Wildtieren spezialisiert haben.
Im Wild Animal Actors Camp trainierten sie die Tiere für WOODWALKERS und bereiteten sie auf den Dreh vor.

Die Verfilmung von Katja Brandis‘ Bestseller war selbst für die qualifizierte und versierte Tiertrainerin ein singuläres Ereignis. „So was hat es in Europa noch nicht gegeben. Sei es aus dem Blickwinkel der Animationen durch Pixomondo, sei es aus dem Blickwinkel der vielen echten Tiere, die mitspielen, sei es aus dem Blickwinkel der Kombination von beidem“, so Elsässer. Als sie das Drehbuch zum ersten Mal las und schwarz auf weiß sah, wie viele Gestaltwandler:innen es umzusetzen gab, sagte sie nur „Ui!“.

In Berührung gekommen war Katja Elsässer mit WOODWALKERS schon lange, bevor das Projekt konkret wurde. „Es begann vor etwa vier Jahren, als uns blue eyes fragte, ob wir ein paar Tiere vor Grün drehen konnten. Zähnefletschende Wölfe und dergleichen“, erinnert sich Elsässer. Das war für den Teaser, den Corinna Mehner für die Förderungen und ihre Partnersuche erstellen ließ. Als die Tiertrainerin mit dem Dreh von „Die Chaosschwestern und Pinguin Paul“ beschäftigt war, klopfte Corinna Mehner wieder an mit der Frage, ob sie bei der Umsetzung eines „Riesenprojekts“ helfen könne.

Und WOODWALKERS ist ein Riesenprojekt: Mit 18 verschiedenen Tierrollen, darunter Wildtiere wie Pumas, Wölfe, Luchse, Bisons, Rothörnchen und Wapitis, Greifvögel wie Adler und Falken, aber auch Haustiere wie Hund, Ziege oder Hase, ist es ein beispielloses Unterfangen unter den fiktiven Filmstoffen. „Das machte es sehr aufregend“, so Elsässer, die sich von dieser Mammutaufgabe nicht abschrecken ließ. „Ich habe gesagt: Wir machen das! Denn wir, mein Partner Miguel de la Torre und ich, sind auch die Richtigen dafür, weil wir die einzigen in Deutschland sind, die auf europäische einheimische Wildtiere spezialisiert sind“, sagt die Tiertrainerin. Das ganze Drehbuch wurde in Storyboards aufgeschlüsselt, von jeder Einstellung wurde eine Zeichnung angefertigt. Monate vor Drehstart saßen die Tiertrainer:innen, die Animationsspezialist:innen von Pixomondo und die Produktion bei regelmäßigen Meetings zusammen, um jede einzelne Einstellung zu besprechen, „unter dem Gesichtspunkt: was kriegen wir hin, wo ist Animation, wo könnte es mit echten Tieren Probleme geben“, so Elsässer. „So gibt es hinterher keine Überraschungen.“

Das Finden der passenden Tiere war die erste Herausforderung, die sich aber problemlos meistern ließ. Die allermeisten Tiere kamen direkt von Wild Animal Actors – mit Ausnahme der Pumas, Bisons, Adler und Falken. „Es gibt weltweit nur drei Bison-Trainer. Das spiegelt, wie schwierig diese Tiere sind“, erzählt Elsässer. Mit einem der dreien, Marcel Krämer, ist Elsässer schon mehrere Jahre bekannt, und es war schnell abgemachte Sache, dass er mit seinen Bisons teilnimmt und eines davon Gestaltwandler Brandon in seiner Tiergestalt darstellen würde. Ebenso leicht zu beschaffen waren die Pumas: „Mein Freund Miguel hat einen guten Draht zu den Besitzern einer Tieragentur, die auch Pumas hat“, erinnert sich die Tiertrainerin. Und schließlich musste noch ein Weißkopfseeadler für Lissa Clearwater sowie ein Falken-Gestaltwandler für die Ratssitzung der Gestaltwandler im Wald gefunden werden. Diese Greifvögel hatte ein Tiertrainer aus Österreich im Angebot.

„Den Rest haben wir selbst gestellt“, so Elsässer. Bei den 18 Tierrollen blieb es aber nicht. Viele Tiere hatten auch Doubles, wie zum Beispiel die Rothörnchen, oder konnten nicht ohne Gesellschaft reisen. Ein Bison etwa braucht immer einen Bison-Partner, „das sind keine Einzelgänger“, so Elsässer. Die Rothörnchen hat Elsässer sehr jung bekommen. „Sie wurden von der Mutter aufgezogen und dann jugendlich zu uns gebracht. Vom ersten Tag an haben wir Vertrauen aufgebaut, uns mit ihnen beschäftigt, sie mit Leckerlis gelockt“, so Elsässer. Tiertrainer-Kollegin Suzi hat vor das Fenster ihres Zirkuswagens, in dem sie auf dem Filmtierhof lebt, eine Voliere gebaut. „Wenn sie das Fenster öffnet, können die Rothörnchen zu ihr oder sie zu den Rothörnchen. Im Vortraining beschäftigt man sich mit den Tierchen täglich fünf, sechs Stunden bis zu den Dreharbeiten“, so Elsässer.

Manche Tiere konnten überhaupt nicht mit zu den Dreharbeiten on Location, weil es für sie zu stressig geworden wäre, wie etwa der Luchs, der Fuchs oder das Wapiti. Diese Tiere wurden vor Grün gedreht. „Das Wohl der Tiere steht immer an erster Stelle. Wir bauen auf dem Filmtierhof sogar gerade ein eigenes Greenscreen-Studio, wo diese Aufnahmen künftig entstehen werden“, erzählt Elsässer. Für die BärGestaltwandlerin Berta McNally, die aus Katja Brandis‘ Büchern bekannt ist, wurde mit keinem echten Tier gearbeitet. „Ich finde die Haltung von Bären extrem schwierig. Deshalb habe ich von Anfang an gesagt, dass wir mit keinem echten Bären drehen werden, sondern dass der Bär mit Hilfe der Animation entstehen muss“, so Elsässer.

Jede Tierart ist anders, bringt eigene Herausforderungen mit sich. Auf die Situation an einem Filmset werden sie in einem oft jahrelangen Vortraining vorbereitet „Die Tiere sind wirklich sehr unterschiedlich. Die Wölfe zum Beispiel sind sehr empfindlich. Regieassistent Marc Kluge hat sie als scheue Hunde bezeichnet. Das trifft es ganz gut“, schmunzelt Elsässer. Wölfe sind schnell unsicher, wenn sie in Situationen kommen, die sie nicht kennen, wo sie Misstrauen haben. Dann funktioniert gar nichts mehr. „Da liegt die Arbeit wirklich in jahrelanger Vorbereitung und ganz viel Vertrauen zwischen Tier und Trainer“, führt Elsässer aus.

Eine zusätzliche Herausforderung war die Tatsache, dass WOODWALKERS als Reiseproduktion an mehr als einer Location über drei Länder hinweg entstand. Neben verschiedenen Settings in Deutschland wurden Teile in Österreich und Südtirol gedreht. „Der Puma brauchte an jeder Location vier bis fünf Tage – ohne Filmteam! –, um sich einzugewöhnen. Sonst wäre eine Performance nicht möglich gewesen. Wir haben stets ein riesiges Areal eingezäunt mit zwei Meter hohen Zäunen“, erzählt Elsässer, „um die nötige Sicherheit zu gewährleisten.“ Die Bisons reisten in einem 17 Meter langen Truck. Mit dem über die engen Bergstraßen zur Location in Südtirol zu gelangen, war ein Abenteuer. „Da lag der Stress. Gar nicht mal an der Arbeit mit den Tieren vor Ort. Aber in der Organisation. Kommen auch alle an, sind alle Trainer da, sind die Zäune safe etc?“, sagt Elsässer.

Oberste Priorität hatte die Einhaltung der Haltungsrichtlinien der Tiere in den verschiedenen Ländern. In Österreich ist es zum Beispiel Pflicht, dass Rothörnchen eine Voliere im Ausmaß von 3x3 Meter haben, die der Raben musste 25 Quadratmeter bemessen. Den Wölfen wurden mindestens 400 Quadratmeter Auslauf umzäunt, die Pumas brauchten 300 Quadratmeter. Auch über die Gehege gespannte Netze kamen zum Einsatz, und natürlich mussten Schleusen eingebaut werden. „Um die Sicherheit der Tiere zu gewährleisten, haben wir als Hauptverantwortliche nachts im Wohnwagen immer bei ihnen übernachtet. Der Rest des Teams war in Hotels untergebracht“, erzählt Katja Elsässer. Die Gefriertruhe voller Fleisch war immer dabei. Ein Wolf frisst pro Tag etwa 1,5 kg, wie Elsässer berichtet. Der Adler verdrückt sechs bis acht aufgetaute Küken. Ein Puma bekommt während der Arbeit 600 Gramm Fleisch pro Tag. „Wichtig ist, mit dem Puma erst zu arbeiten und so spät wie möglich das Fleisch als Belohnung oder Lockmittel zu benutzen. Wenn die 600 Gramm verbraucht sind, ist der Puma satt und hat Feierabend. Dann macht er gar nichts mehr“, sagt die Tiertrainerin.

Bisons sind Vegetarier und werden mit etwa 20 Kilogramm Heu pro Tag gefüttert. Bisons sind sehr eigen, unnahbar. „Die wollen nicht angefasst werden, lassen sich auch nicht locken“, weiß Elsässer zu berichten. Sie hat während der Dreharbeiten viel darüber gelernt, „wie Bisons ticken“. Das Gelände musste so eingezäunt werden, dass man die Zäune im Bild nicht sieht. An den Wegen, die das Bison entlanglaufen sollte, wurden Menschen versteckt. „Wenn wir feststellten, dass das Bison falsch abbiegen will, gaben wir den Leuten in den Verstecken Bescheid. Sie zogen ein Band hoch, dass das Bison sehen konnte, dass hier der Weg zu Ende war“, berichtet Elsässer. Außerdem ging das Bison immer dorthin, wo sein Bison-Freund stand. Es wurde also stets eine Art Ziel gebaut, an dem der Freund hingestellt wurde. „Es durfte nur nichts im Weg stehen, Bisons sehen sehr schlecht.“ 

Bei den Tier-Aufnahmen war es wichtig, die Tiere in ihrem natürlichen Umfeld zu zeigen. Die Tiere bewegen sich ganz frei. Mit Bestimmtheit kann sie sagen, dass es den Tieren zu jeder Sekunde gut ging. „Wir kennen alle unsere Tiere von klein auf. Unsere Tiere werden zu nichts genötigt, das würden sie auch gar nicht mit sich machen lassen. Ich finde es immer schrecklich, wenn ich Hundebesitzer sehe, die ihre Hunde zum Arbeiten drängen. Wären wir gemein zu unseren Tieren, wären sie weg. Der Rabe würde einfach wegfliegen. Der würde sich nicht umsetzen, einen Ast höher oder einen Ast tiefer, wenn er keinen Spaß dabei hätte. Wir schauen ganz genau, präzise, haben das Gespür und sagen der Produktion ganz offen, dass diese oder jene Einstellung, diese oder jene Anforderung höchstens noch einmal geht – sonst muss es die Animation richten.“

Die schönsten Erinnerungen sind Situationen mit „magic moments“, wie Elsässer sie nennt. Als Beispiel berichtet sie von einer Studioszene, in der das Rothörnchen durchs Fenster reinkrabbeln, über eine Bank laufen und zu einem Rucksack gehen sollte, wo ein Portemonnaie deponiert war, aus dem es Geld und Kreditkarte klauen sollte. „Wir haben die Szene oft geprobt und die Übungs-Portemonnaies mit Leckerlis gefüllt, damit die Tierchen wussten, dass es sich lohnt, diese zu öffnen. Am Drehtag saßen meine Kollegin und ich dann muxmäuschenstill vor dem Rothörnchen, haben es nur angeschaut und positive Energie geschickt. Und das Hörnchen marschiert los und macht alles genauso, wie es im Drehbuch stand! Das sind einfach magic moments!“

Jedes Tier hat einen eigenen Charakter. Auch innerhalb einer Art. „Wir haben zwölf Wölfe im Wild Animal Actors Camp, und da gibt es auch manche, die nicht beim Film arbeiten wollen. Ebenso eignen sich nicht alle Hörnchen. Unsere Aufgabe ist es, den Charakter dieser Tiere zu erfassen und zu überlegen, welches Tier welcher Aufgabe gewachsen ist. Mehr als Bitte und Danke sagen und positive Energie schicken geht nicht.“

WOODWALKERS hat einen besonderen Stellenwert für Katja Elsässer. „Normalerweise bist du mal mit einem deiner Wölfe oder einem der Raben für ein oder zwei Tage bei Dreharbeiten. Aber dass nun so gut wie alle unsere Herzenstiere, mit denen wir hier tagein tagaus leben, bei einem so wunderschönen Projekt zum Einsatz kommen, ist schon toll!“ Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr das, was jedes Mal nicht funktioniert hat. „Ich habe den Leuten am Set eingebläut, dass sie auf keinen Fall Essen draußen liegen lassen sollen, wenn die Raben kommen. Und was ist passiert? Gleich am ersten Drehtag hatte jemand Wurstbrote im Wald vergessen. Schnapp – die Raben sehen das sofort. Und weg sind sie mit ihrer leckeren Beute. Dann muss man warten und hoffen, dass sie noch Lust haben, mit uns zu drehen“, so die Tiertrainerin schmunzelnd. 

Foto:
©Verleih

Info:
Woodwalkers (Deutschland 2024) 
Genre: Fantasy, Jugendfilm, Abenteuer, Romanverfilmung
Filmlänge: ca. 100 Min.
Regie: Damian John Harper
Drehbuch: David Sandreuter
nach den ersten beiden Romanen Woodwalkers, Staffel 1: Woodwalkers: Carags Verwandlung (2016) und Gefährliche Freundschaft (2017) der gleichnamigen Jugendbuchreihe von Katja Brandis
Darsteller: Emile Cherif, Lilli Falk, Johan von Ehrlich, Sophie Lelenta, Emil Bloch, Olivia Sinclair, Oliver Masucci, Martina Gedeck, Hannah Herzsprung, Lucas Gregorowicz, David Wurawa, Anton Noori, Eugen Bauder-Taibi u.a.
Verleih: Studiocanal GmbH