
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mir war Eileen Gray durchaus bekannt, aber immer nur als exzellente Designerin von Lackarbeiten, die an die chinesische Tradition anknüpften und im hiesigen Museum für Angewandte Kunst ausgestellt wurden. Von daher ist dieser Film, der die Irin als Architektin und ungewöhnliche Frau und Künstlerin gleichermaßen darstellt, schon grundsätzlich ein Gewinn. Er ist aber auch in der Form sehr ungewöhnlich, denn verschiedene Formate wechseln hin und her: Dokumentarmaterial, fiktive Spielfilmsequenzen, also die historischen Figuren mit Schauspielern besetzt.
Dann aber wieder werden Bewertungen und Reflexionen vorgetragen, die eine weitere Ebene öffnen, denn die Architektur des Hauses, die von heute her noch souveräner scheint, als damals wahrgenommen, wird mit vielen weiteren Häusern der Zeit in den Niederlanden und Deutschland verglichen. Aber natürlich spielt das Haus E.1027 an der Küste im französischen Roquebrune-Cap-Martin die Hauptrolle.
Man möchte gleich in das Haus E.1027 einziehen, wenn man seine Lage an der Côte d'Azur erblickt. Und man wundert sich, wie die geraden Wände und modernen Formen in Weiß in diese Felsenlandschaft eingebaut, integriert wurden. Da gibt es keine Straße und gab keine Wege. Neben der Planung, die zukunftsweisend war, ist auch die Art und Weise, wie mit der Hand das Baumaterial herangeschafft werden mußte höchst ungewöhnlich. Eileen Gray hat 1929 ihr Haus fertiggestellt, aber nur relativ kurz bewohnt. Eigentlich spielt das Haus die Hauptrolle im Film, aber über Eileen Gray und ihr Leben weiß man danach auch mehr. Das fängt schon mit der Bezeichnung E.1027 an. Wer nennt denn sein Haus so formal, denkt man. Dabei hat sich die Gray mehr dabei gedacht. E. , das steht für Eileen, das folgende ist ein Zahlenspiel, denn sie plante das Haus für sich und ihren damaligen Partner Jean Badovici, den um einiges jüngeren rumänischen Architekten, den sie später im Haus zurückließ, selber weiterzog, dann aber in unmittelbarer Nähe des Ursprungshauses ein weiteres erbauen ließ.

Und genau bei solchen Stellen vermißt man dann doch eine herkömmliche Dokumentation und empfindet die Spielszenen als nicht ausreichend. Die Beziehung der Gray zu Jean Badovici wird eigentlich nur gestreift, denn das Haus ist viel wichtiger, für uns auch, aber viele ihrer Empfindlichkeiten sind schwer zu verstehen, wenn man den Charakter dieser Liebesbeziehung nicht kennt. Und gleichzeitig ist man froh, daß der Film so essayistisch die Gray weiterwandern läßt, wobei man den Eindruck gewinnt, daß sie mit zunehmendem Alter immer sicherer, auch in ihrem künstlerischen Ausdruck immer zufriedener wird.
Man verläßt das Kino mit sehr vielen Fragen, auch, warum den wenigstens heute die Frau, die sensationelle Sessel und anderes entwarf, überhaupt bekannt ist. Dieser Film gibt zumindest die Chance, dies zu ändern. Aber wie gesagt, gleichzeitig entwickelt man den Appetit auf mehr.
P.S. Die Möbel der Gray sind wirklich einfallsreich und einfach schön. Viele kennt man, ohne genauer zu wissen, daß sie von ihr sind. Wie dieser kleine runde, von Metall eingefaßte Tisch, der in den 80ern Furore machte und überall als 'Italienisch' verkauft wurde.
Foto:
©Verleih
Info:
E.1027 - EILEEN GRAY UND DAS HAUS AM MEER
Besetzung
EILEEN GRAY. NATALIE RADMALL-QUIRKE
JEAN BADOVICI. AXEL MOUSTACHE
LE CORBUSIER. CHARLES MORILLON
CHARLES MORILLON. VERA FLÜCK LOUISE
Stab
Regie: Beatrice Minger
Ko-Regie: Christoph Schaub
Drehbuch: Beatrice Minger in Zusammenarbeit mit
Christoph Schaub
KINOSTART: 24. OKTOBER 2024
SCHWEIZ 2024, 89 MIN, FARBE
IMAGE: 1.6:1 / 1.33:1
SOUND: 5.1
SPRACHE: ENGLISCH, FRANZÖSISCH
UNTERTITEL: DEUTSCH