Fannys Reise TV1TV Tagestipp nicht nur für Jugendliche am Samstag, 9. November 2024 bei KiKA

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Die in Baden-Baden geborene Fanny Eyal (Léonie Souchaud) lebt seit zwei Jahren zusammen mit ihren beiden jüngeren Schwestern Erika (Fantine Harduin) und Georgette (Juliane Lepoureau) in einem Kinderheim in Creuse, wie viele andere jüdische Kinder auch. 1943 ist Fanny 13 Jahre alt. Sie schreibt regelmäßig Briefe an ihre Mutter, beide hoffen auf ein baldiges Wiedersehen der Familie.


Doch dann müssen alle Kinder umgehend das Heim in Creuse verlassen, denn das Vichy-Frankreich ist nicht mehr sicher vor den Deutschen, auch weil das Heim von einem örtlichen Priester an die deutschen Soldaten verraten wird.

Fanny und die anderen Kinder kommen in einem italienischen Heim bei der strengen, aber gütigen Madame Forman (Cécile de France) unter. Dort lernt Fanny in der Küche den etwas älteren Elie (Victor Meutelet) kennen, der ihr viel über ″die Krauts″ erklärt und mit dem sie auch heimlich Radio hört.

Als die Heimleiterin die Nachricht von Mussolinis Inhaftierung erfährt, ist sie alarmiert und sorgt dafür, dass die Kinder sofort das Heim und den Ort verlassen. Madame Forman gibt den Kindern neue, nicht-jüdische Namen und bläut auch den Jüngsten ein, was sie sagen dürfen und was nicht.

Bereits am Bahnhof auf dem Weg in die Schweiz müssen die Kinder improvisieren, deshalb will die Heimleiterin erst später wieder zu ihnen stoßen und überträgt Fanny die Verantwortung für die Kinder. Ganz auf sich gestellt machen sich Fanny und die Kinder auf ihre beschwerliche und lebensgefährliche Reise Richtung Schweiz, ohne zu wissen, was sie unterwegs erwartet, auf wen sie unterwegs treffen und wem sie dabei trauen können…


Fannys Reise TV2"Fannys Reise" ist nicht der einige Jugendfilm über unbegleitete Flüchtlingskinder in Europa während des 2. Weltkriegs, die in den letzten Jahren entstanden sind. Der bekannteste Film ist vermutlich ″Auf Wiedersehen, Kinder″ (1987) von Regisseur Louis Malle, basierend auf Erlebnissen in seiner Zeit als Schüler eines katholischen Internats während des Zweiten Weltkriegs.

Ebenso bekannt ist vermutlich der französische Film "Belle & Sebastian" (2013), in dem jüdischen Flüchtlingen von Frankreich aus in die Schweiz geholfen wird. Im österreichischen Fernsehfilm "Die Kinder der Villa Emma" (2016) fliehen Kinder und Jugendliche aus Österreich und Deutschland über Kroatien, Slowenien und Italien in die Schweiz. 2020 ist dann der britische Film "Nur ein einziges Leben" (nach dem Jugendroman Warten auf Anja von Michael Morpugo) entstanden, in dem ein junger Schäfer unter den Augen der deutschen Soldaten hilft, eine Gruppe jüdischer Kinder über die Pyrenäen nach Spanien zu bringen. Ein weiterer Film ist "Der Pfad" (2022), in dem ein Junge versucht, über Frankreich und Spanien nach Portugal zu gelangen, dessen Familie aber nicht jüdisch ist, sondern aus politischen Gründen von der Gestapo verfolgt wird.

Das hier besprochene Drama beruht auf dem Buch Le journal de Fanny: Suivi de Les enfants juifs au coeur de la guerre von Fanny Ben-Ami, die als Fanny Eyal 1930 in Baden-Baden geboren wurde und jetzt als Künstlerin in Israel lebt, und das sie auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen geschrieben hat. Im Unterschied zum Film, in dem es 9 Kinder sind, die zusammen mit Fanny in die Schweiz fliehen, waren es in Wirklichkeit 29 Kinder, aber dann wären die einzelnen Charaktere in der Masse untergegangen. Regisseurin ist Lola Doillon, die auch zusammen mit Anne Peyregne das Drehbuch verfasst hat.

Die Regisseurin hat eine bewegende Story nach einer wahren Begebenheit ausgesprochen spannend verfilmt. Dabei kann man sich als Zuschauer sehr gut in die Situation von Fanny hineinversetzen. Auch wenn der Film in einigen Szenen für einen Jugendfilm recht dramatisch und grausam ist, hat er trotz aller Tragik auch viele glückliche Szenen, in denen die Kinder an kleinen Dingen Freude finden können und versuchen während ihrer Flucht trotzdem einfach Kind zu sein – Beispiele sind dabei das Auflesen von Victors Geld oder das Planschen im Wasser. Gerade Jugendliche können sich sehr gut in die Lage und Gefühle Fannys hinein versetzen, die gezwungen ist, in ihrem Alter, ohne Erwachsene plötzlich große Verantwortung zu übernehmen, dabei ist sie zwar nicht die Älteste aber die Vernünftigste und Mutigste der Kinder.

Fannys Reise TV3Insgesamt ist ″Fannys Reise″ ein sehr gut inszeniertes Drama, das historisch nah dran bleibt und konsequent aus der Sicht der Kinder erzählt wird. Die jugendlichen Darsteller spielen ihre Rollen hervorragend. Bei aller Dramatik ist es ein Film, der Hoffnung schüren kann, aber der auch zeigt, wohin Gewalt und Hass führen können, wer zu aller erst darunter leidet und wie sinnlos eine solche Menschenverachtung eigentlich ist.

Foto 1: Fanny (Léonie Souchaud) und die Kinder © Atlas Film GmbH
Foto 2: Fanny (Léonie Souchaud) und Madame Forman (Cécile de France) © Atlas Film GmbH
Foto 3: Fanny (Léonie Souchaud) und ihre Schwestern Erika (Fantine Harduin) und Georgette (Juliane Lepoureau) © Atlas Film GmbH

Info:
Fannys Reise (Frankreich, Belgien 2016)
Originaltitel: Le Voyage de Fanny
Genre: Drama, 2. Weltkrieg, jüdische Kinder auf der Flucht, Literaturverfilmung
Filmlänge: ca. 85 Min.
Regie: Lola Doillon
Drehbuch: Anne Peyregne und Lola Doillon nach der Originalvorlage Le journal de Fanny: Suivi de Les enfants juifs au coeur de la guerre (2011) von Fanny Ben-Ami
Darsteller: Léonie Souchaud, Fantine Harduin, Juliane Lepoureau, Ryan Brodie, Anaïs Meiringer, Lou Lambrecht, Cécile de France, Elea Körner, Alice D'Hauwe, Jérémie Petrus, Igor van Dessel, Malonn Lévana, Lucien Khoury, Stéphane De Groodt u.a.
FSK: ab 6 Jahren
″Fannys Reise″ wird am Sa.09.11.2024 um 13:30 Uhr bei KiKA gezeigt.