teufSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. November 2024, Teil 7

Redaktion

Wien (Weltexpresso) - SIE SIND VOR ALLEM ALS MUSIKERIN MIT IHREM PROJEKT SOAP&SKIN BEKANNT GEWORDEN. WIE SIND SIE ZU DES TEUFELS BAD GEKOMMEN?

Ursprünglich haben mich Veronika und Severin für die Filmmusik angefragt und mir dafür auch das Drehbuch geschickt. Die Geschichte des Films hat Vieles in mir hochgeschwemmt, und ich konnte die Themen von Trauma und familiärem Schmerz, vor allem solchen zwischen den Generationen, sehr nachempfinden. Ich wusste sofort, dass ich in das Projekt involviert sein möchte und habe den beiden geschrieben, wie sehr mich ihr Buch bewegt hat. Sie haben mich dann zu einem Casting eingeladen, bei dem wir ein paar Szenen improvisierten.


ALS MUSIKERIN SIND SIE ES GEWOHNT, ALLE ASPEKTE UND ELEMENTE IHRER KUNST KONTROLLIEREN ZU KÖNNEN. HIER MUSSTEN SIE SICH DEN FILMEMACHERN ÜBERANTWORTEN. WAS HAT SIE DAZU BEWEGT, SICH DARAUF EINZULASSEN?

Ich habe zu Veronika und Severin für meine Verhältnisse sehr schnell Vertrauen gefasst, und das war sicherlich ausschlaggebend für meine Entscheidung. Ich wusste, dass ich bei den beiden in guten Händen sein werde. Egal, was kommt. Egal, wie hart es werden wird. Darüber hinaus war es für mich sehr wichtig, dass ich in meiner Rolle als Agnes etwas zeige, das nicht nur diese eine Figur, diese eine Frau betrifft, sondern viele Frauen und das Menschen, die an Depressionen leiden, vielleicht nachempfinden können.


DES TEUFELS BAD IST EIN AUSNAHMEFALL UNTER HISTORISCHEN FILMEN, DA ER AUS DEM HARTEN ALLTAG VON EINFACHEN FRAUEN IM BÄUERLICHEN MILIEU ERZÄHLT. WAR DAS EIN ASPEKT, DER SIE AN DEM PROJEKT GEREIZT HAT?

Die Rolle von Frauen am Hof und am Land hat mich in meiner Kindheit stark geprägt und immer schon beschäftigt. Ich bin am Bauernhof in der Steiermark aufgewachsen. Ich habe das Leben und auch das Leiden meiner Mutter und Großmutter hautnah erlebt und die Geschichten meiner Urund Ururgroßmütter erzählt bekommen. Mir wurde klar, dass sie alle Opfer eines patriarchalen und erzkatholischen Umfelds waren. Deshalb finde ich auch den Film so wichtig: Weil ich diese Fülle an männlicher Geschichte so satt habe, mit männlicher Gewalt, die ganzen Kriegsfilme. Für mich füllt DES TEUFELS BAD ein Loch, weil er vom inneren Krieg, den Frauen erleben, erzählt.


WIE HABEN SIE SICH AUF DIE ROLLE DER AGNES VORBEREITET?

Ich habe viel Zeit in der Steiermark verbracht, auch, um meinen vor langer Zeit verlorenen steirischen Dialekt wieder zu erlernen. Ich habe dort auch bei einem alten Bekannten mitgearbeitet, der eine sehr ursprüngliche Landwirtschaft betreibt. Ich habe mich all der Tätigkeiten, die am Bauernhof so anfallen, erinnert und sie wieder tief in meinen Körper hineingearbeitet. Ich habe auch mein Kostüm, sobald es fertig war, im Alltag immer wieder getragen. Damit es sich wie normale Kleidung anfühlt. Eine der größten Herausforderungen für mich war die Kälte. Wir haben ja im Winter in einem eiskalten Steinhaus gedreht. Schon Monate davor habe ich versucht, mich mit Eiswürfel-Bädern und eiskalten Duschen an Kälte zu gewöhnen. Als wir dann gegen Ende des Drehs die Beicht-Szene gedreht haben und der Keller zu meiner Überraschung beheizt war, bin ich richtig ausgeflippt. Ich hatte doch davor die ganze Zeit für die schönen Atemwolken gelitten. Und jetzt, bei einer der wichtigsten Szenen, waren sie nicht da.


IHRE FIGUR IST AUCH TIEF GLÄUBIG, DIE BEICHTSZENE AM ENDE GEHT EINEM SEHR UNTER DIE HAUT. WIE HABEN SIE SICH DER SPIRITUALITÄT VON AGNES ANGENÄHERT?

Ich bin in meinem Heimatort Gnas immer wieder in die Kirche gegangen und habe dort eines Tages ein Buch gefunden. Es heißt VORBEREITUNGEN ZUM TODE und stammt aus der Zeit, in der unser Film spielt. Es beinhaltet rituelle Gebete, Fürbitten und auch Anleitungen zur Beichte für die letzten Stunden, für genau jene Zeit, in der es zum eigenen Tod hin geht. Dieses Buch hat mich während des ganzen Drehs begleitet und kurz vor Agnes’ Beichtszene habe ich es im Hotelzimmer noch einmal aufgeschlagen.


SIE HABEN EIN BUCH AUS DER KIRCHE ENTWENDET?

Geborgt. Mittlerweile liegt es wieder in der Kirche.


WELCHE ROLLE SPIELTE RELIGION IN IHRER KINDHEIT UND JUGEND?

Ich bin mit meinen Großeltern väterlicherseits im selben Haus aufgewachsen. Beide waren sehr gläubig, und obwohl ich damals noch sehr klein war, erinnere ich mich an das kalte Weihwasser auf meiner Stirn, wenn meine Großmutter mir ein Kreuzzeichen gegeben hat, damit ich nicht ins Fegefeuer falle. Es gab auch viele Stunden, in denen ich mit ihr den Rosenkranz beten musste. Nach dem Tod meines Großvaters hat meine Großmutter eine schwere Depression entwickelt, die leider als solche weder erkannt noch behandelt wurde. Sie lag oft mit dem Kopf auf dem Küchentisch oder im Bett mit einem Geschirrtuch über ihrem Gesicht, die Arme gefaltet in die Luft streckend und die Himmelmutter anrufend, dass sie ihr doch bitte helfen solle. Beide Großeltern haben wir zuhause beim langwierigen Sterben begleitet, und mein Vater hat sie bis zum Ende gepflegt. Die katholische religiöse Prägung empfinde ich als sehr zwiegespalten. Sie hat sowohl schreckliche als auch wundervolle Seiten.


AGNES’ RELIGIOSITÄT HAT AUCH MIT SINGEN ZU TUN. DAS WIRD IHNEN ALS MUSIKERIN VON ANFANG AN NAHE GEWESEN SEIN, ODER?

Ja. Ich hatte auch die schöne Aufgabe, alte Musik für den Film zu suchen und im Besonderen ein Marienlied zu finden, das für Agnes stimmig ist. Es sollte ein Lied sein, das sich durch den gesamten Film zieht, und auf das sie sich immer wieder zurückbesinnen kann.


ALS SOAP&SKIN HABEN SIE AUCH DIE MUSIK FÜR DES TEUFELS BAD KOMPONIERT. KEINE EINFACHE AUFGABE BEI EINEM HISTORISCHEN FILM.

Veronika, Severin und ich waren uns schnell einig, dass wir historische Klangfarben wollen, also eine Klangwelt, die auf die damalige Zeit Bezug nimmt, aber durchaus auch in die Gegenwart verweist. Ich habe etwa eine historische Flöte aus Armenien namens Duduk eingebaut und mit einer Drehleier gearbeitet, was immer schon ein Traum von mir war. Meine Stimme habe ich diesmal vor allem sphärisch für die inneren Stimmen von Agnes eingesetzt, etwa mit einem Schrei, der als langgezogener Ton immer wiederkehrt.


SIE SELBST SAMMELN TOTE INSEKTEN, IHRE AGNES HAT IM FILM, WIE ES SCHEINT, EINE BESONDERE BEZIEHUNG ZU SCHMETTERLINGEN.

Agnes hat eine Sensibilität, die in der damaligen Zeit schwer Anerkennung fand. Sie sollte besonders empfindsam für Vogelstimmen sein, diese auch nachpfeifen und nachsingen können. Daraus sind im Film die Schmetterlinge geworden. Der Grund dafür war folgender: Es gab ein kleines, beheiztes Häuschen am Hauptdrehort, in dem ich mich aufwärmen konnte, und in dem sich alle möglichen Insekten aufgehalten haben, darunter auch Schmetterlinge. Ich hatte sofort den Impuls, dass sie in diesem Film mitwirken sollten. Dazu gibt es auch eine Vorgeschichte. Ich war acht Jahre alt, als meine Oma gestorben ist. Es kam während der Abschiedsmesse ein Schmetterling in die kleine Kapelle geflattert. Er warf Schatten, was ich als Kind sehr magisch fand. Auf meine Frage „Ist das die Oma?“ antwortete mein Vater „Ja, sicherlich“. Er selbst starb mehr als ein Jahrzehnt später. An seinem ersten Todestag spielte ich in der Gnaser Kirche ein Konzert, und beim Lied VATER setzte sich ein Schmetterling zu mir ans Klavier.

Foto:
©Verleih

Info:
von Veronika Franz & Severin Fiala
Österreich / Deutschland 2024Deutsch, Untertitel: Englisch121'Farbe

Stab
Regie
Veronika Franz, Severin Fiala
Buch Veronika Franz, Severin Fiala
Kamera
Martin Gschlacht

Besetzung
Anja Plaschg (Agnes)
David Scheid (Wolf)
Maria Hofstätter (Schwiegermutter Gänglin)

Abdruck aus dem Presseheft