Deutsche Free-TV Premiere am Montag, 9. Dezember 2024 beim NDR-Fernsehen
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ivan Locke (mit walisischen Akzent gespielt von Tom Hardy) hat alles, wovon er je geträumt hat: eine glückliche Ehe mit Katrina (Ruth Wilson), zwei tolle Söhne und eine erfolgreiche Karriere als Bauingenieur. Als Leiter einer Großbaustelle steht kurz vor der größten Herausforderung seiner Karriere, denn auf einer Großbaustelle in Birmingham soll am nächsten Tag das Fundament eines Hochhauses gegossen werden.
Doch am Abend vor seinem bislang größten Job bekommt er in seinen BMW X5 einen Anruf, der alles zu verändern droht. Jetzt kann eine einzige, spontan getroffene Entscheidung alles zerstören. Locke entscheidet sich an einer Ampel nicht nach rechts, sondern nach links auf die Autobahn M1 aufzufahren.
Der sonst so gewissenhafte Mann hat sich einen für den sonst pflichtbewussten Ivan völlig untypischen Fehltritt geleistet. Und plötzlich steht alles auf dem Spiel, wofür er so lange und so hart gearbeitet hat. Denn Bethan (Olivia Colman), mit der Ivan auf einer Betriebsfeier vor sieben Monaten schwer alkoholisiert einen Seitensprung hatte, wurde schwanger und steht jetzt kurz vor der Entbindung. Völlig konsterniert von dieser überraschenden Nachricht fährt Ivan jetzt Richtung London, um bei der Geburt seines dritten Kindes dabei zu sein.
Während seiner Wettfahrt gegen die Zeit und Tempolimits auf dem Weg nach London, versucht er durch mehrere Telefonate sein Leben und seine Arbeit im Griff zu behalten.
Als erstes muss er seinem leicht betrunkenen irischen Vertreter Donal (Andrew Scott) erklären, was noch erledigt werden muss. Dann ruft er seine Frau Katrina und seine Söhne Eddie (Tom Holland) und Sean (Bill Milner) an, dass er nicht pünktlich zum Fußballspiel im Fernsehen nach Hause kommen kann, telefoniert mit seinem Chef Gareth (Ben Daniels) und dem Krankenhaus, in dem Bethan, eine ältere alleinstehende Frau, seinen Sohn bekommen soll.
Ivan hat ein imaginäre Konversation mit seinem toten Vater, dem er Vorwürfe macht, weil er die Familie im Stich gelassen hat, und schwört, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Aus diesem Grund will er bei der Geburt des Kindes dabei sein, obwohl ihm die Frau nichts bedeutet. Deshalb nennt er sich auch, wenn das Krankenhaus sich erkundigt, immer nur "der Vater des Kindes"…
In ″No Turning Back″ hat der Zuschauer das Gefühl, auf dem Beifahrersitz des Autos zu sitzen, während der von Tom Hardy gespielte Ivan Locke versucht, die Kontrolle über sein Leben zu behalten. Inszeniert wurde die meisterhafte Charakterstudie von Steven Knight nach seinem eigenen Drehbuch. Kameramann ist Haris Zambarloukos. Der Score stammt von Dickon Hinchliffe.
Der Film wurde in 5 Wochen gedreht (Tom Hardy hatte nur zwei Wochen Zeit) und zwar live; d.h. Locke's BMW wurde auf einen Tieflader gesetzt und dann über Nebenstraßen gefahren, die Lichter wurden durch andere Autos der Crew erzeugt.
″No Turning Back″ spielt fast nur in Locke's Auto und das in etwa in Echtzeit. Deshalb sehen wir auch nur das bärtige Gesicht des verschnupften Ivan Locke. Die anderen Personen erscheinen nur als Stimmen in Ivans Telefongesprächen und als Namen auf dem Display seines Autotelefons – manchmal wütend, manchmal amüsiert, manchmal ängstlich, oft auch erschüttert. Den Hintergrund bilden die Autobahnlichter, die Ivans Gesicht beleuchten.
Der Film lebt von den darstellerischen Möglichkeiten von Tom Hardy und natürlich von den Fähigkeiten der anderen Darsteller, ihre Frustrationen, Ängste und ihren Ärger nur durch Sprache facettenreich und nachvollziehbar auszudrücken.
Die anderen Schauspieler – wie Ruth Wilson, Olivia Coleman, Andrew Scott oder Tom Holland - waren in einem Hotel untergebracht und per Kopfhörer mit Tom Hardy verbunden. Entweder sie riefen ihn an oder er sie. Insgesamt führt Ivan Locke während seiner Fahrt von Birmingham nach London 36 Telefongespräche.
Zusätzlich gab es Ausstattungsgegenstände wie Schubladen zum Aufziehen oder Handys, um den Spielraum der Darstellung zu vergrößern und damit Tom Hardy zu unterstützen. Tom Hardy war beim Dreh erkältet, dies wurde wunderbar dadurch in den Film eingebaut, dass Locke eine große Box Papiertaschentücher auf dem Beifahrersitz stehen hat und sich regelmäßig die Nase putzen muss.
Steven Knight gewann bei den British Independent Film Awards 2013 den Preis für das beste Drehbuch, weitere Nominierungen gab es für Tom Hardy als bester Darsteller und für Justine Write für den Filmschnitt.Auch bei Europäischer Filmpreis 2014 wurde Tom Hardy als Bester Darsteller sowie der Film für die Beste Regie und das Bestes Drehbuch nominiert.
″No Turning Back″ wurde in Deutschland als Thriller vermarktet. Wer also einen Film wie Ryan Reynolds' Sarg-Solo "Buried – Lebend begraben" (2010), den Telefonzellen-Thriller "Nicht auflegen!" (2002) mit Collin Farrell oder auch nur Robert Redfords "All is lost" (2013) erwartet, ist hier fehl am Platz, da diesem Film das Element der Todesgefahr fehlt. Nichtsdestotrotz ist dieser Film nicht minder spannend – und das liegt nicht nur an einem Tom Hardy in Höchstform, sondern auch an dem packenden Drehbuch des Regisseurs Steven Knight und den Darstellern, die in der Lage waren, den Zuschauer mit ihren Dialogen zu fesseln und keine Minute Langweile aufkommen zu lassen. Deshalb lohnt es, sich den tollen Film in Echtzeit zum ersten Mal im Free-TV anzusehen.
Foto 1 - 3: Tom Hardy als Ivan Locke während seiner Fahrt von Birmingham nach London © Studiocanal GmbH / Arthaus Filme
Info:
No Turning Back (Großbritannien, USA, 2013)
Originaltitel: Locke
Genre: Film in Echtzeit, Drama, Roadmovie
Filmlänge: ca. 85 min
Regie: Steven Knight
Drehbuch: Steven Knight
Darsteller: Tom Hardy
Originalsprecher: Ruth Wilson, Olivia Coleman, Andrew Scott, Tom Holland, Bill Milner, Ben Daniels u.a.
FSK: ab 6 Jahren
″No Turning Back″ wird als deutsche Free-TV Premiere am Mo. 09.12.2024 um 23:15 Uhr beim NDR Fernsehen gezeigt.