Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Januar 2025, Teil 2
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der junge Thomas Hutter (Nicholas Hoult) hat in Wisborg eine Anstellung bei dem seltsamen Anwalt und Immobilienmakler Knock (Simon McBurney). Er ist frisch mit Ellen (Lily-Rose Depp) verheiratet. Ellen wurde jahrelang von Alpträumen geplagt, die sowohl sexuelle Phantasien aber auch alptraumhafte Schrecken beinhalteten. Nachdem Ellen mit Thomas verheiratet war, wurden die Alpträume allerdings deutlich weniger.
Doch dann erhält Thomas von seinem Chef einen mysteriösen Auftrag, der seine Stellung in der Firma sichern würde. Er soll zum Schloss des Grafen Orlok (Bill Skarsgard) ins ferne Transsilvanien reisen, da der Graf in London ein altes Haus gekauft hat. Der Kauf dieser etwas seltsamen heruntergekommenen Villa soll dort beurkundet werden. Obwohl Ellen ihren Gatten inständig bittet, die Reise nicht anzutreten, macht sich Thomas nach Transsylvanien auf.
Thomas bittet seinen guten Freund Friedrich Harding (Aaron Taylor-Johnson) und dessen schwangere Frau Anna (Emma Corrin) sich um Ellen zu kümmern. Ellen zieht deshalb bei den Hardings ein, die auch zwei kleine Töchter haben. Sie hat aber weiterhin ihre Alpträume und außerdem Anfälle von Schlafwandeln.
Kaum in Transsilvanien angekommen macht Hutter eigenartige Erfahrungen mit der lokalen Bevölkerung, die sich vor etwas zu fürchten scheint. Obwohl ihm dann auch noch in einer Herberge sein Pferd gestohlen wird, lässt er sich nicht von seinem Auftrag abhalten und macht er sich zu Fuß durch die winterliche Landschaft zum Schloss des Grafen auf.
Als Hutter dann aber beim Schloss des Grafen Orlok angekommen ist, sind dort keine Bediensteten. Auch verhindert der Graf, dass Thomas sich sofort nach dem Unterschreiben des Vertrags wieder auf den Weg machen kann. Langsam dämmert es dem jungen Mann, dass sein Gastgeber offenbar kein normaler Mensch, sondern ein Wesen der Nacht ist.
Während Thomas noch versucht aus dem Schloss zu entkommen, ist der Graf versteckt in einer Kiste mit einem Schiff, das zu Friedrich Hardings Flotte gehört, bereits in Richtung London unterwegs. Während der Überfahrt geschehen dort seltsame Dinge, z.B. erkranken und verschwinden immer wieder Mitglieder der Besatzung.
In Wisborg merkt Ellen, dass Orlok näher kommt, denn die beiden sind auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden. Doch Harding hält Ellens Probleme für nervöse Anfälle. Trotzdem hat er inzwischen den Nervenarzt Dr. Wilhelm Sievers (Ralph Ineson) kontaktiert.
Da auch Dr. Sievers nicht mehr weiter weiß, zieht er seinen Schweizer Lehrmeister, den etwas seltsamen und von der traditionellen Medizin verstoßenen Prof. Albin Eberhart von Franz (Willem Dafoe) zu Rate, der sich gerade in der Stadt aufhält. Auch wenn Harding und seine Frau nichts von Übernatürlichem wissen wollen, hat er eine Ahnung, was mit Ellen passiert. Doch hat er die Mittel, sich der verführerischen, dämonischen Macht des Grafen entgegen zu setzen und kann er Ellen damit retten?
Das bildgewaltige Gothic-Gruseldrama geht zum Einen auf den Originalroman Dracula (1897) des irischen Schriftstellers Bram Stoker zurück und ist zum Zweiten eine Neuverfilmung des Stummfilmklassikers ″Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens″ (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau. Bereits 1979 gab es mit dem deutsch-französischer Horrorfilm ″Nosferatu – Phantom der Nacht″ eine Adaption des Stummfilms von Regisseur Werner Herzog. Die Hauptdarsteller waren damals Klaus Kinski als Graf, Isabelle Adjani als Lucy Harker und Bruno Ganz als Jonathan Harker.
Daneben ist mit ″Shadow of the Vampire″ (2000) ein Horrorfilm in die Kinos gekommen, der als eine Hommage an Friedrich Wilhelm Murnaus Originalwerk erinnert. Unter der Regie von E. Elias Merhige habe u.a. John Malkovich als Friedrich Wilhelm Murnau und Willem Dafoe als Max Schreck, dem Original-Nosferatu, mitgespielt. Willem Dafoe spielt jetzt Prof. Albin Eberhart von Franz.
Murnaus Stummfilm ist eine Adaption des Vampirromans von Bram Stoker, dessen Story wiederum auf die Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Drăculea (Dracula) zurückgeht. Da Murnaus Fassung von Bram Stokers Erben nicht autorisiert war, wurden ganz einfach die Namen und Orte der Beteiligten verändert.
Neben den zwei Filmen über Nosferatu gibt es natürlich weitere Filme, die den ″echten″ Grafen Dracula als Hauptperson haben. Wikipedia hat allein 55 Einträge in der Kategorie ″Filme über Dracula″. Am bekanntesten und auch werkgetreusten gilt heute ″Bram Stoker’s Dracula″ (1992). In dem Horrorfilm unter der Regie von Francis Ford Coppola haben Gary Oldman als Graf Dracula und Anthony Hopkins als sein Kontrahent Professor van Helsing die Hauptrollen gespielt.
In den letzten Jahren gab es außerdem noch einige bemerkenswerte Filme, die sich um Charaktere aus Bram Stokers Roman drehten, wie ″Van Helsing″ (2004) von Regisseur Stephen Sommers mit Hugh Jackman als Dr. Gabriel Van Helsing, Kate Beckinsale als Anna Valerious und Richard Roxburgh als Graf Dracula sowie ″Dracula Untold″ (2014) von Regisseur Gary Shore, in dem die vermeintliche Vorgeschichte des realen Vlad III. Drăculea erzählt wird und wie und warum er zu Dracula wurde. Die Hauptrollen spielen Luke Evans, Dominic Cooper, Sarah Gadon und Charles Dance.
Außerdem sind 2023 noch zwei weitere Horrorfilme in die Kinos gekommen, die Bram Stokers Roman als Grundlage haben und zwar ″Die letzte Fahrt der Demeter″ von Regisseur André Øvredal, der auf einem einzigen Kapitel des Romans basiert und ″Renfield″ eine Horrorkomödie von Regisseur Chris McKay mit Nicolas Cage als Graf Dracula und Nicholas Hoult als dessen Diener Renfield, der im hier besprochenen Film als Thomas Hutter zu sehen ist.
Jetzt hat sich also Robert Eggers Murnaus Filmklassiker angenommen. Dabei hat er bei dem Horrorfilm nicht nur Regie geführt, sondern er hat auch selbst das Drehbuch verfasst.
Robert Eggers konnte für seine wichtigsten Rollen bekannte und aufstrebende junge Schauspieler und Schauspielerinnen gewinnen, wie Willem Dafoe als van Helsing Ersatz Prof. Albin Eberhart von Franz, Nicholas Hoult als Thomas Hutter, Aaron Taylor-Johnson als sein Freund Friedrich Harding und ein gänzlich unkenntlicher Bill Skarsgård als Graf Orlok / Nosferatu. Die zentrale Rolle der Ellen Hutter wird hervorragend von Johnny Depps Tochter Lily-Rose Depp gespielt.
Die Dreharbeiten fanden zum großen Teil in Tschechien statt, aber auch in Toronto und Rumänien, sowie an Bord eines Schiffes auf dem offenen Meer. Dabei kamen für die Filmaufnahmen auch über 2000 Ratten zum Einsatz.
Während der Originalfilm ″Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens″ in schwarz/weiß gedreht wurde, hat Kameramann Jarin Blaschke das Remake in Farbe gefilmt, durch die vielen sehr dunklen Szenen sollte der Film visuell allerdings an den Stil der Romantik des 19. Jahrhunderts erinnern. Dadurch ist dem Regisseur ein Gothic-Gruselfilm im Stil der alten Meister gelungen. Das führt dazu, dass das Remake visuell extrem beeindruckend aussieht, denn Eggers und sein Kameramann zitieren Murnaus kontrastreiche Ästhetik und übernehmen auch einige der berühmten Einstellungen. Durch das Spiel von Licht und Schatten ergeben sich tolle stimmungsvolle Bilder, die ähnlich furchterregend sind wie im Original. Dadurch erreicht Eggers, dass der Schatten des Bösen sich langsam, aber doch unaufhaltsam über die Stadt und ihre Bewohner legt, auch wenn die Bedrohung bereits in den ersten Minuten etabliert wird - ohne sie dem Zuschauer aber deutlich zu zeigen.
Eggers hat allerdings eine wichtige Änderung zum Original vorgenommen, denn der Fokus der Story liegt liegt nicht auf dem Grafen Orlok, sondern auf Depps Ellen Hutter, die mit ihrer Darstellung aus dem auch sonst erstklassigen Cast heraus ragt. Dabei ist die große Liebe zwischen Thomas und Ellen sicher ein zentrales Thema des Films. Doch Ellen wird auch als eine junge Frau gespielt, die nicht allein nur das Objekt von Orloks Begierde sein will.
Lily-Rose Depp spielt Ellen nicht nur mit vollem Körpereinsatz, sie spielt sie als eine Frau, die auch durch die Einstellungen im 19. Jahrhundert Frauen gegenüber in ein mentales und später auch mal physisches Korsett gezwungen wird. Dabei werden deutlicher als im Original auch Themen wie unterdrückte Sexualität, das Gefühl des Verlorenseins und die Angst vor dem Fremden hervorragend angesprochen, dies wird auch dadurch unterstützt, dass Nosferatu seinen Opfern nicht am Hals, sondern in Herznähe das Blut aussaugt.
Auch wenn in dieser Verfilmung der Graf nicht die Hauptperson ist, und wenn sein Begehren zu Ellen der Auslöser des Dramas ist, ist Bill Skarsgårds Orlok zwar verführerisch, aber vor allen durch und durch bedrohlich, wenn er seinen Willen – also Ellens Hingabe - nicht bekommt. Damit ist Skarsgårds Version des Vampirs weit entfernt von Klaus Kinski als tragischem Anti-Helden in Werner Herzogs ″Nosferatu – Phantom der Nacht″ von 1979 oder auch vom dandyhaften Liebhaber wie ihn Gary Oldman in Francis Ford Coppolas ″Bram Stoker’s Dracula″ von 1992 spielte.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat dem Horrorfilm das Prädikat ″besonders wertvoll″ verliehen, da Regisseur Robert Eggers zwar die Vorbilder genau studiert hat, er dann aber doch sehr wohl ein eigenes künstlerisches Meisterwerk des Horrors erbracht hat, in dem sich die Atmosphäre eines permanenten Gruselschauers über alle Bilder legt und das damit den klaren Beweis erbringt, dass die Faszination dieses Untoten auch heute noch sehr lebendig ist.
Neben Nominierungen bei kleineren Awards erhielt der Film auch 4 Nominierungen in den technischen Kategorien bei den Critics’ Choice Movie Awards 2025 und zwar Jarin Blaschke für die Beste Kamera, Craig Lathrop für das Beste Szenenbild, Linda Muir für die Besten Kostüme sowie Traci Loader, Suzanne Stokes-Munton & David White für das Beste Make-up und die besten Frisuren.
Insgesamt ist ″Nosferatu – Der Untote″ ein durchaus gelungenes Remake von Murnaus Stummfilmklassikers von 1922. Daneben kann es der Film ganz sicher auch mit den vielen anderen Horror-Filmen über den transsilvanischen Grafen aufnehmen, dessen Story im Lauf der Filmgeschichte immer wieder erzählt wurde. Auch wenn Regisseur Robert Eggers bewusst auf Friedrich Murnaus legendären, gut einhundert Jahre alten Film zurückgreift, ist die neue Version durch die tollen Schauspielerleistungen und dem bewusst im Stil der Romantik des 19. Jahrhunderts gehaltenen Szenen doch interessant genug, dass es lohnt, sich das Remake im Kino anzusehen.
Foto 1: Lily-Rose Depp als Ellen Hutter © 2024 FOCUS FEATURES LLC
Foto 2: v.l.n.r.: Nicholas Hoult als Thomas Hutter und Aaron Taylor-Johnson als Friedrich Harding © 2024 FOCUS FEATURES LLC
Foto 3: Emma Corrin als Anna Harding © 2024 FOCUS FEATURES LLC
Foto 4: Ralph Ineson als Dr. Wilhelm Sievers, Willem Dafoe als Professor Albin Eberhart von Franz, Aaron Taylor-Johnson als Friedrich Harding und Emma Corrin als Anna Harding © 2024 FOCUS FEATURES LLC
Info:
Nosferatu – Der Untote (USA 2024)
Originaltitel: Nosferatu
Genre: Horror, Remake, Literaturverfilmung
Filmlänge: ca. 160 Min.
Regie: Robert Eggers
Drehbuch: Robert Eggers
Nach dem Originaldrehbuch von Hendrik Galeen und dem Roman Dracula von Bram Stoker
Darsteller: Bill Skarsgård, Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult, Aaron Taylor-Johnson, Willem Dafoe, Emma Corrin, Simon McBurney, Ralph Ineson u.a.
Verleih: Universal Pictures International Germany
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 02.01.2025