Saat 1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Dezember 2024, Teil 4

Mohammad Rasoulof

Paris (Weltexpresso) – 12. Mai 2024: Nach einer langen und komplizierten Reise bin ich vor einigen Tagen in Europa angekommen. Vor ungefähr einem Monat wurde ich von meinen Anwälten unterrichtet, dass meine achtjährige Haftstrafe von einem Berufungsgericht bestätigt wurde und kurzfristig vollstreckt werden sollte. Weil ich wusste, dass die Nachrichten über meinen neuen Film sehr bald bekanntgemacht werden würden, bestand für mich kein Zweifel, dass eine neue Strafe zu diesen acht Jahren hinzugefügt werden würde. Mir blieb nicht viel Zeit für eine Entscheidung. Ich musste eine Wahl treffen: Gefängnis oder den Iran verlassen. Schweren Herzens habe ich mich für das Exil entschieden. Die Islamische Republik hat meinen Reisepass im September 2017 beschlagnahmt. Also musste ich mein Heimatland heimlich verlassen.


Selbstverständlich lehne ich das ungerechte jüngste Urteil gegen mich, das mich ins Exil zwingt, entschieden ab. Das Justizsystem der Islamischen Republik hat allerdings so viele grausame und merkwürdige Entscheidungen getroffen, dass ich es nicht für angemessen halte, mich über mein Urteil zu beschweren. Todesurteile werden vollstreckt, da die Islamische Republik das Leben von Demonstrant:innen und Aktivist:innen, die sich für Bürgerrechte einsetzen, ins Visier genommen hat. Es ist kaum zu glauben, aber während ich dies schreibe, sitzt der junge Rapper Toomaj Salehi im Gefängnis und wurde zum Tode verurteilt. Das Ausmaß und die Intensität der Unterdrückung haben ein Maß der Brutalität erreicht, an dem die Menschen täglich mit Nachrichten über neue abscheuliche Verbrechen der Regierung rechnen. Die kriminelle Maschinerie der Islamischen Republik verstößt kontinuierlich und systematisch gegen die Menschenrechte.

Bevor die Geheimdienste der Islamischen Republik über meinen Film informiert wurden, konnten einige der Schauspieler:innen den Iran verlassen. Viele der Mitwirkenden vor und hinter der Kamera befinden sich jedoch noch im Iran und werden vom Geheimdienst unter Druck gesetzt. Sie wurden langwierigen Verhören unterzogen. Die Familien einiger von ihnen wurden vorgeladen und bedroht. Wegen ihrer Beteiligung an diesem Film wurden Gerichtsverfahren gegen sie eingeleitet, und es wurde ihnen verboten, das Land zu verlassen. Sie stürmten das Büro des Kameramanns und beschlagnahmten seine gesamte Arbeitsausrüstung. Sie hinderten auch den Tontechniker des Films an der Ausreise nach Kanada. Während der Verhöre der Filmcrew, forderte der Geheimdienst sie auf, mich unter Druck zu setzen, damit ich den Film vom Festival de Cannes zurückziehe. Sie versuchten, die Mitglieder meiner Filmcrew davon zu überzeugen, dass sie gar nicht wussten, worum es in dem Film tatsächlich ginge, dass ich sie getäuscht hätte und dass sie zur Teilnahme an dem Projekt manipuliert worden waren.

Trotz der enormen Einschränkungen, mit denen meine Crew, meine Freunde und ich während der Dreharbeiten konfrontiert waren, habe ich versucht, ein filmisches Narrativ zu schaffen, das weit entfernt ist von dem von der Zensur in der Islamischen Republik dominierten Narrativ und näher an ihrer Realität liegt. Es steht außer Frage, dass die Einschränkung und Unterdrückung der freien Meinungsäußerung nicht zu rechtfertigen ist, selbst wenn sie ein Ansporn für die Kreativität ist. Aber wenn es keinen Weg gibt, muss ein Weg gefunden werden. Die internationale Filmgemeinschaft muss den Machern dieser Filme wirksame Unterstützung zukommen lassen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung muss verteidigt werden, laut und deutlich. Menschen, die sich mutig und selbstlos der Zensur entgegenstellen, anstatt sie zu unterstützen, werden durch die Unterstützung internationaler Filmorganisationen in der Bedeutung ihres Handelns bestärkt. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, kann dies eine unschätzbare Hilfe für sie sein, ihre bedeutsame Arbeit fortzusetzen.

Viele Menschen haben geholfen, diesen Film zu machen. Meine Gedanken sind bei ihnen allen, und ich fürchte um ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen.

Foto:
©Verleih

Info:
Deutschland, Frankreich, Iran, 2024
Lauflänge: 167 Min.

Stab
Regie & Drehbuch Mohammad Rasoulof
Kamera Pooyan Aghababae


Darsteller
Iman Misagh Zare
Najmeh Soheila Golestani
Rezvan Mahsa Rostami
Sana Setareh Maleki
Sadaf Niousha Akhshi
Ghaderi Reza Akhlaghi
Fatemeh Shiva Ordooei
Frau im Auto Amineh Arani

Abdruck aus dem Presseheft