Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Dezember 2024, Teil 8
Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – RAUB IHREN ATEM springt durch mehrere Genres, auf sehr überraschende Weise. Das hat man so noch nicht oft im deutschen Kino gesehen.
Ich persönlich liebe es, wenn bei einem Film nicht von Minute zehn aus klar ist, wohin sich das Ganze entwickelt. Wenn die Zuschauer auf eine Reise mitgenommen, an überraschende Orte geführt werden.Wir haben bei RAUB IHREN ATEM versucht, das so entfesselt zu machen, wie wir uns das im Kino wünschen. Da steckt ganz viel Liebe zum Medium Film drin. Der ganze Film lebt von dieser Mischung aus dem Authentischen, aus der Echtheit und dem Kino, dem Eskapismus. Wir haben die Momente, in denen das Publikum sagt: »Das ist wie ein Eberhofer-Krimi, nur in Schwäbisch.« Ein tolles Kompliment. Und etwas später staunen sie, wohin der Film sie von da aus geführt hat.
Unser Motto war: Nicht auf Nummer sicher gehen. Bereit sein,zu scheitern. Wenn wir schon unabhängig finanzieren, dann müssen wir der Welt auch den Film anbieten, der unserer Meinung nach fehlt. Und nicht mehr von dem, was es schon gibt.
Wie kamen sie zur Besetzung des Films?
Wir hatten das große Glück, herausragende Schauspielerinnen und Schauspieler für den Film gewinnen zu können. Die Hauptdarstellerinnen – Christina Lopes und Luisa Binger – waren ein absoluter Glücksfall für mich – beiden habe ich die Rolle angeboten, es gab kein Casting. Beide haben ja gesagt. Und beide haben sich über die Maßen vorbereitet, mit Coaches, um hier alles zu geben. Ich war so oft bei ihrem intensiven Spiel nur noch gefesselter Zuschauer. Habe beinahe vergessen, dass ich nicht selbst im Kino sitze, sondern nach dem Take ein Feedback von mir erwartet wird.
Hinter den beiden steht ein tolles Ensemble – Harald Hauber, Raik Singer und Florian Wünsche, den man beispielsweise aus SOKO Stuttgart kennt. Von einer Ikone wie Katy Karrenbauer bis hin zu so vielen talentierten Leuten für die kleinsten Nebenrollen. Selbst ein Charakter, der nur zu hören ist, wurde von Peter Flechtner gesprochen, der deutschen Synchronstimme von Ben Affleck.
Obwohl im Film auch viel Hochdeutsch gesprochen wird, kommen mit Schwäbisch und Sächsisch zwei Dialekte vor, die in Deutschland nicht die größte Beliebtheit genießen – und schon gar nicht in Verbindung mit Krimi, Liebe oder gar Erotik gebracht werden. Was waren Ihre Gedanken dabei?
Ja, man kennt es nicht, dass in ein Film, der so eine Geschichte erzählt und so aussieht, dass da auch Dialekt gesprochen wird. Wir wollten den Dialekt so einsetzen, wie wir ihn aus dem angelsächsischen Raum kennen – als lebendige Farbe, als Herkunft, als Teil einer Kultur. Wenn da ein New Yorker, ein Texaner und ein Ire in einem Raum sitzen, da geschieht dann doch allein schon was durch die sprachliche Vielfalt. Die Lebendigkeit der Sprache.
Dass bei Schwäbisch und Sächsisch nun ein gewisser Teil der Menschen immer nur Comedy vermutet, dafür kann ich nichts. Es wird leider häufig nur für diesen Effekt eingesetzt. Aber ich muss es ja nicht reproduzieren. Für mich ist Dialekt nicht reaktionär. Oder ausgrenzend. Oder albern. Es ist die Verbindung zum Kindheits-Ich. Zum Aufwachsen. Zur Familie. Zur Herkunft. Voller Farben und einer Vielfalt, die Hochdeutsch mir nicht bietet. In Schwäbisch wird geliebt. In Sächsisch wird verführt. Und in beidem wird gemordet. Jeden Tag in Deutschland. Das ist das Leben. Und da ist Humor eben nur ein Teil davon, auch in Baden-Württemberg und Sachsen.
Und so gehen wir das in dem Film auch an. Wenn eine Zuschauerin, ein Zuschauer die Geschichte dieser beiden Frauen durchlebt, ihnen so nahe kommt – dann hoffe ich, dass sie irgendwann die Menschen sehen und nicht mehr den Dialekt. Trotzdem ist nicht alles Drama. Es wird zum Glück auch viel gelacht bei RAUB IHREN ATEM. Gerade unser Polizist Joggl flucht und bruddelt auf Schwäbisch, dass es eine helle Freude ist.
Der Look ist sehr außergewöhnlich für einen deutschen Film.
Das hängt sehr mit der erwähnten Liebe zum Kino zusammen. Wir verbeugen uns innerhalb unserer Möglichkeiten vor dem Kino, das wir lieben. Und versuchen, die filmische Sprache zu sprechen, die uns selbst erreicht. Die Noir-Vibes unserer Geschichte, die Thriller-Elemente, die haben eine gewisse Ästhetik einfach verlangt.
Der Film bietet kurzweilige Unterhaltung, wird aber in manchen Momenten auch überraschend intensiv und emotional. So erwartet das Publikum auch eine außergewöhnliche, recht lange Liebesszene zwischen Laura und Maxine. Wie hat das Publikum darauf reagiert?
Davor hatte ich vermutlich die größte Angst: Gehen die Zuschauerinnen, die Zuschauer hier mit und lassen sich auf dieses detailreiche, emotionale, sinnliche Spiel ein? Umso erleichterter war ich nach der Weltpremiere, wie gut gerade auch diese Szene ankam. Wie viel sie den Menschen bedeutet hat. Denn hier wird ganz viel über die beiden Figuren in Bildern, in Handlungen erzählt. Für mich persönlich ein Highlight.
Wir haben diese Szene mit den beiden Schauspielerinnen, Luisa Binger und Christina Lopes, entwickelt und dann mit Florian Federl einen erfahrenen Intimitäts-Koordinator hinzugezogen. Er hat nicht nur für einen Ablauf gesorgt, der für die Schauspielerinnen sicher war, sondern auch mit viel Handwerk und Kommunikation unterstützt. Nur so war es möglich, am Ende diesen Reichtum an Empfindungen und Gefühlen auf die Leinwand zu bringen.
In vielen Momenten, auch gerade bei dieser Szene, fällt die Filmmusik auf. So opulent ist man das aus dem deutschen Film nicht immer gewohnt.
Wir haben keine Angst vor großen Gefühlen, vor großen Bildern oder großer Musik. Manche finden die Wahrheit im Ein-Personen-Theaterstück, die anderen in der gewaltigen Arie einer Oper. Nichts ist richtig oder falsch und weniger ist nicht automatisch mehr. Antonio Fernandes Lopes – Komponist und Co-Produzent – hat hier eine gigantische Leistung erbracht. Was die Musik in allen Momenten des Films, aber gerade auch in dieser Szene noch herausarbeitet – unfassbar. Ich hab’ geweint, als ich dieses Stück zum ersten Mal gehört habe. Das intensive Spiel von Luisa und Christina, Kamera, Schnitt, diese Musik – das war einfach magisch. Dafür wird man Filmemacher.
Foto:
©Verleih
Info:
Raub ihren Atem
Land Deutschland
Länge 110 Minuten
Sprachfassung Deutsch (teils Schwäbischer und Sächsischer Dialekt)
Technisches DCP, 2K flat, Dolby 5.1 & 7.1
FSK 12
Kinostart 26. Dezember 2024
Abruck aus dem Presseheft