heretSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Dezember 2024, Teil 13

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mal gleich vorneweg: Diesen Film anzuschauen und seinen Dialoge nachzuspüren, macht einen Heidenspaß, einen sowohl intellektuellen wie auch atmosphärischen Spaß. Und am allermeisten gefällt, daß man ständig hin und herschwankt in seiner Beurteilung des Geschehens: ist der ältere Mann (Hugh Grant), bei dem die beiden jungen Mormoninnen klingeln, um ihn zu missionieren, völlig harmlos oder verbergen seine religionskritischen Ausführungen, daß noch etwas viel Schlimmeres dahintersteckt.


hereticcsDie Mormoninnen sind einmal Schwester Paxon ( Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher), die auf ihrer Missionierungstour von Tür zu Tür nun noch bei schrecklichem Regen zu dem älteren Mann müssen. Aber sie sind eisern, schummeln und nach Hause gehen, gilt nicht. Es gibt nämlich kaum etwas so Entschlossenes, wie junge Gotteskrieger und -kriegerinnen. Denn das Überzeugen, das Überreden, das Kleinbeigeben der von ihnen Missionierten verspricht ihnen auf jeden Fall das Himmelreich! Mein Gott, sind diese beiden Mädchen hinterwäldlerisch. Ja, das stimmt, aber nur auf den ersten Blick, denn schnell ahnt man hinter den naiv dahergeplapperten Sätzen von Schwester Paxon doch so etwa wie einen Verstand. Den wird die brauchen. Entscheidend ist, ob und wie sie ihn nutzt.

Erst einmal sind die beiden dem Hausherren, der sie hereinläßt und bewirkten will, intellektuell in jeder Hinsicht unterlegen. Denn er weiß über Religion sehr viel mehr als sie. Das wäre nicht wichtig. Der Unterschied ist, ob man glaubt, an Gott glaubt oder nicht. Sie tun es, er wohl nicht, anders kann man seine spitzfindigen, richtig spaßmachenden Einwürfe und Fragen nicht verstehen. Doch da ist doch noch etwas anderes? Es liegt etwas in der Luft, was schwer zu beschreiben ist und was man am ehesten mit Blaubeertörtchen, also Heidelbeertörtchen – das sind die, die auf der Kleidung immer so schrecklich blau-dunkle Flecken verursachen – umschreiben könnte. Ob es Gott gibt, kann man nicht beweisen. Ob es die Törtchen gibt schon.

Die nämlich bietet er ihnen an, den jungen, feucht geregneten Dingern. Sie sind wohl noch nicht fertig, denn seine Frau backt sie gerade, begründet er. Nur seltsam, daß es überhaupt nicht nach Backen riecht, dafür nach etwas anderem. Aber den Tee gibt es wirklich. Heiß ist er und hilft erst einmal gegen die Kälte draußen und die Unsicherheit drinnen. Der Mann ist Engländer und daß er Mr. Reed heißt, muß man sich nochmal vorsagen, Herr Leser, Herr Vorleser, Herr Belesener! Doch während wir noch intellektuell seinen Ausführungen – alles bekannte Überzeugungen von Atheisten, also nicht falsch, aber eben auf geistiger Ebene, die mit Glauben nichts zu tun hat, weil Glauben einfach eine andere Ebene ist, manche sprechen auch von Gnade – lauschen, geschehen längst Dinge, die uns hätten stärker auffallen müssen.

Den Schwestern Paxton und Barnes geht es wohl genauso, man wird eingelullt durch Mr. Reeds Worte. Zwisschendurch überlegt man, wie gut dieses Zwielicht zum Schauspieler Hugh Grant paßt. In Paddington 2, der an Weihnachten wieder im Fernsehen lief und den ich mir immer wieder anschauen kann, wegen des Bären natürlich, ach ja und wegen der Szenen im Gefängnis mit dem Koch, hinreißend, also in diesem Film spielt Grant ganz unverhohlen den Schurken, nicht einen harmlosen Gentlemanschurken, sondern einen ganz gemeinen! Aber hier ist er undurchschaubar.

Zunehmend strahlt die Atmospähre auf de rLeinwand in den Kinosaal über. Die jungen Dinger, die auf einmal den Verstand gebrauchen und einiges an intelligenten Überlegungen von sich geben, sind aufgewacht. Aus Mißtrauen wird Vorsicht und der Versuch, den Überblick zu behalten. Jetzt greifen Sie den eloquenten Villenbesitzer sogar an. Wo bleiben die Törtchen, wo die Frau?

Das müssen die potentiellen Zuschaer und Zuschauerinnen schon selber herausfinden. Denn bei solchen Filmen darf man von keinem Ende erzählen, aber durchaus sagen, daß sich das Anschauen gelohnt hat.

Foto:
©Verleih
 
Info:

STABRegie & Drehbuch Scott Beck, Bryan Woods

CAST
Mr. Reed.        Hugh Grant
Schwester Barnes      Sophie Thatcher
Schwester Paxton      Chloe East
Elder Kennedy            Topher Grace
Prophetin                    Elle Young