Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Januar 2025, Teil 8
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Fünf Männer waren dabei, als am Mittwochabend vor dem allgemeinen Anlaufen des Films im Kino, eine Vorvorstellung stattfand, im von Frauen, von jungen Frauen vollbesetzten Saal 8 des schönen Kinokomplexes Metropolis in Frankfurt. Mit Sektgläsern waren die meisten hineingekommen, mit zerknüllten Taschentüchern und wässrigen Augen gingen nach der Vorstellung wiederum die meisten heraus. Dazwischen lag das Drama von Tobias (Andrew Garfield) und Almut (Florence Pugh), in dem das Schicksal zuschlägt. Gleich mehrmals.
Die beiden begegnen sich auf ungewöhnliche Weise. Sie sitzt im Krankenhaus dem lädierten und durch Knochenbrüche auffällig verbundenen Tobias gegenüber und gesteht ihm, daß sie ihn gerade angefahren hatte. Das hatten wir miterlebt und auch, daß - Schicksal eben - er ja nur deshalb auf die Straße gelaufen war, weil er sein Einverständnis mit seiner Scheidung unterschreiben wollte - aber die Stifte leer waren oder abbrachen und er gerade neue gekauft hatte.
An dieser Szene kann man schon erkennen, wie subtil Regisseur John Crowley mit zwischenmenschlichen Situationen umgeht, die Dramatik und Dynamik in sich tragen. Denn diese doch angesichts der sichtbaren Schmerzen von Tobias und des nichtsichtbaren, aber vorhandenen schlechten Gewissens von Almut dramatische Szene, kommt nicht tragisch daher, sondern gleichsam selbstverständlich, verspielt und geradezu leicht, weshalb auch die Zuschauer lachen, was ja kein Auslachen ist, sondern ein Einverständnis mit der geheimen Komik der Situation, die ja nur Vorbote des eigentlichen Dramas ist: daß Almut zehn Jahre später Krebs hat, fortgeschrittenen Eierstockkrebs.
Diese zehn Jahre werden nun nicht linear erzählt, sondern wir Zuschauer sind ständig beschäftigt, das, was wir sehen, zeitlich einzuordnen. Ein hilfreicher Trick, nicht nur am Ball zu bleiben, sondern auch mit dem traurigen Ende schon zwischendrinnen umgehen zu lernen. Im Nachhinein könnte man sich diesen Film von Anfang bis Ende erzählt, sogar gar nicht mehr vorstellen.
So erleben wir ein Mosaik an Situationen zwischen den beiden, die alle beide ihre Gefühle vor dem anderen nicht verstecken, sondern ausleben, mal heiter, mal traurig, mal nachsichtig, mal beleidigt, mal glücklich, aber auch mal unglücklich und eher gemein. Tobias erleben wir anfangs als jemanden, der sich anstrengen muß, für eine Müsliwerbung entsprechende Glücksgefühle zu vermitteln, wenn er doch die Einstellung gerade ein siebtes Mal wiederholen muß. Almut dagegen macht praktische Sachen. Sie kocht. Sie will der Welt zeigen, daß nicht nur Männer Kochlorbeeren und Sterne erhalten, sondern sie auch. Dazu gehört nämlich ein totales Zeitmanagement, an dem sie arbeitet. Daß aus den beiden ein Paar wird, zeigen nicht nur die Eheszenen, sondern bald das kleine Mädchen, das sie endlich bekommen. Erst später weiß man, daß sie nicht leicht schwanger wurde und dies geradezu als Sieg feierte. Und es paßt völlig, daß erst viel später die vielleicht komischste Szene, die man so erst mal hinbekommen muß, gezeigt wird, wie nämlich, nachdem Almut der Wehen wegen zu früh ins Krankenhaus kam und wieder heim geschickt wurde, sie dann zu spät losfährt und ihr Kind in der Toillete einer Autobahnraststätte bekommt, unter tatkräftiger Hilfe des dortigen Personals.
Durch die vielen Einzelszenen entsteht im Zuschauer ein Bild dieses Paares und ihres Lebens, in dem sie sich wirklich aufeinander eingelassen haben, zusammen lernen, zusammen hoffen, auf jeden Fall mit ihrer Tochter zusammen glücklich sind. Da nur am Anfang Tobias der Leidtragende ist und die Tragik bei der erst einmal so gelassenen und lustigen Almut liegt, hat diese schauspielerisch viele Möglichkeiten ihrem wechselnden Gefühlschaos Ausdruck zu geben. Tobias als der Empfänger von schlechten Nachrichten kommt aus der Rolle mit Tränen in den Augen kaum heraus, das trübt ein wenig den Gesamteindruck, wenngleich, wie geschildert, es den Zuschauern - und hier bewußt den Zuschauerinnen genauso geht.
Foto:
©Verleih
Info:
108 Minuten
FSK: ab XX
UK Deutsch
Farbe
Stab
Regisseur. John Crowley
Drehbuch. Nick Payne
Besetzung
Almut. Florence Pugh
Tobias. Andrew Garfield