“München 1970 – Als der Terror zu uns kam“, Film und Gespräch im naxos.Kino am Dienstag, 19. August, Teil 1
Klaus Hagert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tatsächlich kommt die vom Veranstaltungsmacher Wolf Lindner konzipierte Filmreihe „überLeben“ den Intentionen der Redaktion des Weltexpresso sehr nahe, daß es Zeit ist, sich in Deutschland erneut und intensiv mit der jüngsten Vergangenheit zu beschäftigen, damit wir alle daraus lernen, was wir in in unserer Region politisch zugespitzten Zeiten (Israelis-Palästinenser, Isis-Bewegung, judenfeindliche Anschläge und öffentliche Äußerungen, Ukraine-Konflikt...) selbst tun können.
In diesem Sinne schreibt der Veranstalter: „Das Naxos.Kino ist auch dafür, dass es mit seinen Filmen heiße Eisen anpackt. Am kommenden Dienstag 19. August 2014 um 19.30 Uhr ist es mal wieder so weit! Es geht also um Terrorismus weltweit, das Jahr 1970 und den Abschuss eines Swiss-Air-Flugzeuges durch palästinensische Terroristen. Dieses Datum bedeutet sozusagen den Einstieg in das "Terror-Jahrzehnt" 1970 - 1980. Im abgeschossenen Flugzeug kam auch der Onkel des Regisseurs Georg M. Hafner, Rudolf Crisolli, ums Leben, damals Nahostkorrespondent des ZDF. Das mag ein Grund sein, warum Hafners Film so persönlich, dicht und ehrlich daher kommt. Geht es doch um nicht weniger als die Kritik des Umgangs der "Linken" mit dem Terrorismus.“
Aufgepaßt! Es geht hier nicht um München 1972. Es geht nicht um die Geiselnahme am 5. September, das als Olympia-Attentat oder Massaker von München in unserem kulturellen Gedächtnis so stark eingebrannt ist, daß es wohl alles andere verdrängt hat, was schon zuvor an terroristischen Anschlägen gegen jüdische Einrichtungen oder Menschen in der immer noch jungen Bundesrepublik geschehen war. An solche Anschläge gemahnt dieser Film, zwei Jahre vor dem großen Attentat, das die Freilassung von 232 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen und die Freilassung von Andreas Baader und Ulrike Meinhof (RAF) erzwingen sollte und angesichts der eher stümperhaften, auf gezielte Terrorakte nicht vorbereiteten deutschen Polizei, zur Gründung der Antiterroreinheit GSG 9 führte. Diese konnte dann erfolgreich die am 13. Oktober 1977 von vier palästinensischen Attentäter entführte Lufthansa Maschine Landshut am 18. Oktober 1977 in Mogadischu kapern unter Befreiung alle Geiseln, nachdem der Kapitän zuvor von den Attentätern erschossen worden war, von denen drei durch die Aktion der GSG getötet und eine Attentäterin schwer verwundet worden war. Die Tode in Stammheim (Raspe, Ennslin, Baader) waren daraufhin die Folge.
In diesem heutigen Film von Georg M. Hafner geht es um den Beginn der schrecklichen rund zehn Jahre währenden Attentatsserie in Deutschland am 10. Februar 1970. Rudolf Crisolli war also Chefreporter des ZDF. Als er im Februar 1970 als Korrespondent nach Israel geschickt wird, stirbt er auf dem Weg dahin durch einen Bombenanschlag palästinensischer Terroristen auf eine Swissair-Maschine, die kurz nach dem Start nahe Zürich abstürzte. Warum musste ausgerechnet Rudolf Crisolli sterben? Die Suche nach Antworten auf diese persönlichen Fragen führt mitten hinein in das politische Klima der 70er Jahre, das Erbe der 68er Bewegung, die Radikalisierung der linken Bewegung und die Anfänge des modernen Terrorismus. Der Film zeigt eindrucksvoll, dass die blutigen zwölf Tage im Februar 1970 eine Warnung hätten sein müssen. Stattdessen aber wurden alle Vorboten verdrängt, um die vorgesehenen heiteren Spiele von München 1972, mit denen Deutschland die Erinnerung an die Nazi-Olympiade 1936 tilgen wollte, atmosphärisch nicht zu belasten.
Der Film „München 1970“ erinnert aber auch an den bis heute nicht aufgeklärten und weitgehend vergessenen Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus und das dortige Altersheim in München im gleichen Zeitraum und lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, die damals meinten, den gerechten Kampf der Palästinenser in Deutschland mit allen Mitteln unterstützen zu müssen. „Die Generation der 68er, die wütend die verdrängte Nazivergangenheit der Eltern anprangerte, machte gemeinsame Sache mit der Judenfeindschaft der arabischen Genossen. Die handelnden Personen, so sie noch leben und so sie reden, sind heute im gesetzten Rentenalter. Sie haben mit Erinnerungsschwächen zu kämpfen, mit Rheuma und steifen Gelenken. Es sind Bombenleger darunter, Brandstifter, Mörder. Sie haben ihre Strafen verbüßt, aber die wenigstens haben etwas dazu gelernt.“
Zum Filmgespräch kommen der Regisseur Georg M. Hafner und der Frankfurter Publizist Wolf Wetzel. Die Moderation hat Wolf Lindner, Leiter des naxos-Kino. „Georg M. Hafner gilt selbst als ausgewiesener Linker, einer, der den 'Marsch durch die Institutionen' dem terroristischen Draufhauen aus voller Überzeugung vorzog.“ Hafner war bis zu seiner Pensionierung vergangenes Jahr Abteilungsleiter beim Hessischen Rundfunk. In dieser Zeit hat er zahlreiche hochpolitische bis explosive Dokumentarfilme betreut und den Weg auf dem Bildschirm geebnet. Insoweit wiegt Hafners kritischer Rückblick besonders schwer. Der zweiter Gast beim Filmgespräch ist der Frankfurter Publizist Wolf Wetzel, der nicht zuletzt mit seinem Buch "Die Hunde bellen… Von A bis ®Z "Es ist eine Zeitreise durch die 68er Revolte und die militanten Kämpfen der 70er bis 90er Jahre.
INFO:
Dienstag, 19.August 2014 19.30 Uhr, Naxoshalle
München 1970 – als der Terror zu uns kam
Dokumentarfilm von Georg M. Hafner
Theater Willy Praml – Naxoshalle, Wittelsbacherallee 29, Eingang Waldschmidtstraße 19 / Hinterhof
Kontakt: Wolf Lindner, Tucholskystraße 57, 60598 Frankfurt, Telefon 069/70794910,
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www.naxos-kino.org