Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Februar 2025, Teil 6
Redaktion
Berlin (Weltexpresso) - (Weltexpresso) - Was hat Sie an der Idee eines Films über Maria Callas gereizt?
Ich hatte das große Glück, mit Opern aufzuwachsen und mit meiner Familie über viele Jahre hinweg ins Opernhaus von Santiago zu gehen. Ich habe es wirklich von klein auf geliebt. Heute ist es noch immer komisch und schön zugleich, daran zu denken, dass wir einige der Opern, die die Callas so berühmt gemacht hatten, gesehen haben, obwohl sie selbst zu diesem Zeitpunkt schon gestorben war. Ich war schlichtweg verliebt und schwebte förmlich, nachdem ich sie erlebt hatte. Dann gingen wir heim und meine Mutter sagte: „Also, mein Sohn, nun hast du das einzig Wahre gesehen". Dann hat sie Maria Callas aufgelegt. Ich wuchs in Gegenwart einer Sängerin auf, die eine nächste Ebene erreicht und die Stimme eines Engels hatte. Später habe ich natürlich mehr über ihr Leben erfahren und nach Jackie und Spencer fühlte es sich für mich wie der richtige Abschluss einer Trilogie an. Es ist zudem mein erster Künstlerfilm und für mich persönlich hat er eine eigene Dynamik darin erzeugt, wie ich mich mit Figur und Geschichte verbinden kann.
Haben Sie das Leben von Maria Callas als eine eigene Art Oper verstanden?
Viele der Opern, in denen Maria Callas auftrat, sind Tragödien, in denen die Hauptfigur, die sie spielte, auf der Bühne oft nach der letzten Szene gestorben ist. Die Geschichten dieser Opern unterscheiden sich sehr von ihrem Leben, aber ich fand trotzdem, dass es stets eine Beziehung zwischen Maria Callas und den Figuren gab, die sie spielte. Etwas, über das ich mit Steven Knight schon ganz am Anfang gesprochen habe, war, dass wir verstehen müssen, dass dies ein Film über einen Menschen ist, der Teil jener Tragödien wird, die er auf der Bühne gespielt hat. Es gibt in MARIA eine Art versteckte Landkarte, auf der Musikstücke, die wir verwenden, seien sie nun nur orchestriert oder mit Gesang, direkt mit einem Filmmoment in Verbindung stehen. Sie sind nicht nur da, weil sie genau dort funktionieren, sie sind da, weil sie eine dramatische Funktion haben. Oper ist eine Form der Transzendenz und eine Form, Gefühle auszudrücken, die man mit Worten nicht ausdrücken kann.
Sie haben wieder mit Autor Steven Knight zusammengearbeitet, nachdem er SPENCER geschrieben hatte ...
Als ich ihn hinzu bat, stellte ich fest, dass auch Steven ein großer Opernfan ist. Es war also eine gute Idee.
Ich ging zu ihm und sagte: „Ich denke, wir sollten einen Film über die letzte Woche ihres Lebens machen." Wir haben viel über Marias Leben und das Ende recherchiert und wie die Opern, die sie gesungen hat, Parallelen zu ihrer eigenen Biografie herstellen könnten. Es war ein guter Ausgangspunkt. Als wir dann mit Angelina und Steven sprachen, wurde uns allen klar, dass es ein Film über jemand ist, der niemals Opfer war. Es geht um eine Frau, die ihren Willen und ihr Schicksal selbst in der Hand hat, die weiß, was sie tun will und wie sie es tun will. Steven hat ihren Charakter wirklich verstanden und auch, wie stark Maria Callas war.
Was hat Sie dazu bewogen, ausgerechnet das Ende von Marias Leben als Zeitabschnitt zu wählen?
Maria Callas sang ihr ganzes Leben lang für Publikum, also für andere. Ihr Privatleben war immer eng mit ihren Beziehungen verknüpft. Sie hat stets versucht, jemandem zu gefallen, sei es in einer Beziehung, gegenüber einem Familienmitglied oder einem Freund. In diesem Film beschließt sie nun am Ende ihres Lebens, es für sich selbst zu tun. Sie wird versuchen, für sich selbst zu singen. Es ist also ein Film über eine Frau, die ihre eigene Stimme finden und ihre Identität verstehen will. Sie feiert ihr Leben.
Sehen Sie Maria Callas angesichts ihres turbulenten Privatlebens als Überlebende?
Ich glaube, sie hat viel gekämpft und hatte sehr traurige Momente. Es gibt ja eine Menge Biografien über sie und in einigen Punkten sind sich alle einig, darunter in jenem, dass Maria Callas nur auf der Bühne glücklich war. Nur dort hat sie ihr Herz und ihre Seele wirklich ausgefüllt. Doch sie war jemand, der irgendwann erkannt hat, dass ihre Stimme nicht stark genug sein wird, um weiterhin auf höchstem Niveau aufzutreten, dem einzigen Niveau, das sie jemals akzeptieren konnte. Der Film beschreibt die Schwierigkeiten einer Person, die jenes Element verloren hat, das sie nicht nur berühmt werden ließ, sondern auf allen menschlichen Ebenen ausmacht. Wir sehen sie aber keinesfalls mitleidig an und ich glaube auch nicht, dass das Publikum Mitleid mit ihr haben sollte. Ich denke, das Publikum wird verstehen, wer sie war und warum wir es so gemacht haben, wie wir es gemacht haben, mit dieser so wunderbaren Leistung, die uns Angelina gegeben hat.
Warum ist Angeline Jolie die richtige Schauspielerin für die Rolle der Maria Callas?
Menschen wie Maria Callas und auch Angelina Jolie haben etwas an sich. Diese Frauen haben auf einer Bühne, vor einer Kamera oder auch nur in einem Raum einfach physische Präsenz. Man spürt das enorme Maß Menschlichkeit, das sie in sich tragen. Für Angie war es nicht schwer, Maria Callas zu sein und dieses Gewicht zu stemmen, eben, weil sie es ja in sich trägt. Sie hat die Vorbereitung auf die Rolle sehr ernst genommen, sechs oder sieben Monate lang. Ich sagte zu ihr: „Die beste Vorbereitung für diese Rolle ist eigentlich zu singen." Zudem besitzt Angelina ein Maß an Zerbrechlichkeit, Sensibilität und Intelligenz, welches wirklich einen Unterschied machen kann. Man hat das Gefühl, dass sie so sehr in der Rolle verschwindet, dass man in den Film gehen kann und schnell vergisst, dass man Angie sieht. Es erfordert sehr starkes und außerordentliches Talent, aber auch jemanden, der die Hingabe, die Disziplin und die Verletzlichkeit hat, um es zu leisten.
Können Sie den Prozess beschreiben, wie Angelina Jolie gelernt hat, Opern zu singen?
Es war die Herausforderung, einen Film über Maria Callas mit ihrer eigenen Stimme zu machen. Warum sollte man ihn ohne sie machen? Es ist natürlich ein essenzielles Element. Angie absolvierte verschiedene Phasen der Vorbereitung. Zu Beginn arbeitete sie mit Opernsängern und Trainern zusammen, die ihr halfen, die richtige Haltung, Atmung, Bewegung und den Akzent zu finden. Sie hat ganz bestimmte Opern oder Arien gesungen und die meisten davon sind auf Italienisch. Man muss sie richtig singen und die Tonhöhen erreichen. Es bedeutet, dass man der Melodie folgen und sie korrekt singen kann. Wir haben Angies Stimme aufgenommen, ihre Atmung, alles. Es gibt Momente in einem Stück des Films, in dem man Maria Callas in ihrer Blütezeit hört und das meiste, was man vernimmt, ist wirklich die Callas. Aber es gibt immer auch ein Fragment von Angelina und dann ist es manchmal mehr Angelina als Callas. Es ist ein mehrschichtiges Stück, das verschiedene Stimmen hat. Angelina musste sich also wirklich darauf einlassen, nicht nur, weil es dem Film mehr Möglichkeiten in Bezug auf die Illusion erlaubte, sondern auch, um den richtigen Weg für sie als Schauspielerin zu ebnen.
Haben Sie nie daran gedacht, einfach die Stimme von Maria Callas zu verwenden?
Ich denke, es geht darum, ehrlich mit der Figur und ihrem Auffreten zu sein. Für mich ist es der falsche Weg, nit einer Form von Zynismus zu agieren, bei der man beispielsweise nur versucht, richtig auszusehen, der Ton zu treffen, den Mund synchron zu bewegen, aber der Schauspieler hat es nie wirklich erlebt. Es könnt sich gefährlich unecht anfühlen, und zwar nicht nur in Bezug auf die Gesangstechnik, sondern auch auf die Art und Weise, wie Angelina die Figur verkörpert. Ich glaube, in ihrer Stimme liegt eine Ehrlichkeit, die man glasklar spüren kann.
Können Sie beschreiben, wie Sie die Stimme von Angelina Jolie aufgenommen haben?
Die einzige Möglichkeit war, dass sie die Musik richtig singt und zwar laut und mit der Callas synchron ist.
Wenn man danach die Callas-Stimme in die Abmischung bringt, würde sie organisch dazu passen. Da gibt es überhaupt keine Wundertechnik. Es geht wirklich um Angelinas Arbeit und die Art und Weise, wie wir sie aufnehmen und den Klang einfangen konnten. Angelina war ihrem Gesang absolut ausgesetzt, manchmal vor 200 oder 500 Statisten. Sie selbst musste laut singen und alles, was die Leute hörten, war nur Angies Stimme. Ich hatte meine Kopfhörer auf, hörte die Orchestrierung, ein wenig Callas und ein wenig Angie, es war also eine Art Live-Mischung. Aber Angelina war vor Hunderten Menschen, stimmlich gesehen, metaphorisch nackt. Am Anfang war es schwer für sie. Sie hat sich fast bei der Crew entschuldigt, aber alle haben gesagt: „Ach, komm! Es ist toll! Mach einfach weiter!" Alle liebten sie, weil sie sich nicht nur echt gut geschlagen hat, sondern auch so mutig war.
Aristoteles Onassis und John F. Kennedy sind zwei Charaktere, die eine Verbindung zu Ihrem Film Jackie darstellen. Sind beide Werke auf gewisse Weise miteinander verbunden?
Nun, irgendwie sind sie es. Onassis und JFK waren zu Lebzeiten beliebte Menschen und sind auch heute noch Ikonen. Maria und Jackie waren sehr starke Frauen, die ihr Leben so führten, wie sie es wollten, dazu zähle ich auch Diana Spencer. Sie hatten Wechselwirkungen und Verbindungen, nicht nur durch Onassis oder JFK, sondern vor allem durch die Welt, in der sie lebten und zu der sie in Beziehung standen. Es ist eine Welt, die sehr männlich war, sie mussten darum kämpfen, ihren eigenen Platz zu finden und sie haben es geschaff.
Konnten Sie Maria in dieser Hinsicht besser verstehen, auch aufgrund der Recherchen, die Sie für „Jackie" absolviert hatten?
Ja, natürlich! Als sie sich treffen, sagt Maria zu JFK so etwas wie: „Wir sind sehr glückliche Engel, die zu dieser sehr speziellen Gruppe von Menschen gehören." Menschen, die alles tun können, was sie wollen. Sie sind wohlhabend. Sie sind berühmt. Sie haben einen außerordentlichen Platz in dieser Welt, aber sie können sich nicht von diesem lösen. Die Tatsache, dass sie dazugehören, macht sie nicht zu Freunden, aber sie sind eben Teil ein und derselben Gruppe und gehören zur Generation von Menschen, die die Welt mit Privilegien, aber auch mit Authentizität und Willen gesehen haben.
War Aristoteles Onassis, abgesehen von der Musik, die große Liebe im Leben von Maria Callas?
Ich glaube, Aristoteles Onassis war die Liebe ihres Lebens und ich glaube, sie hatten in ihrer Beziehung sehr unterschiedliche Momente. In den 70er Jahren, nachdem er sich von Jackie getrennt hatte, standen sie sich oft sehr nahe, aber es war eben auch eine Art toxische Beziehung, glaube ich. Maria konnte sich einfach von der Welt abkapseln und alles von ihm kontrollieren lassen. Ich glaube, es gab Momente in dieser Beziehung, die nicht sehr gesund waren. Aber ich glaube auch, dass sie am Ende ihres Lebens zu einem friedlichen Verständnis dessen kamen, was sie als Individuen und Paar ausgemacht hat.
Glauben Sie, dass ein Teil der harten öffentlichen Kritik, der Maria sich ausgesetzt sah, allein darauf zurückzuführen ist, dass sie als Frau im Rampenlicht stand?
Ja, es ist die Tatsache, dass sie eine Frau war. Sie besaß ein gewisses Temperament und sie duldete keine Unprofessionalität. Sie wurde deshalb mit Worten kritisiert, die man nie über einen Mann sagen würde.
Auch Onassis hatte enormes Temperament, aber das sollte so in Ordnung sein, weil er ein Mann war.
Maria war eine starke Frau in einer Zeit, in der es nicht wirklich toleriert wurde. Sie sagte einfach, was sie dachte. Sie war freimütig, hatte keine Angst, sagte, was sie tun wollte, und tat es auf beste Weise innerhalb ihrer eigenen Fähigkeiten, der maximalen Fähigkeiten. Und sie wurde eine Ikone. Die Menschen waren daran schlichtweg nicht gewohnt. Aber das Paradoxe ist, dass Maria erst dadurch, dass sie kritisiert wurde, zu dem wurde, was sie war. Sie wurde zu dieser unnahbaren Diva und genau das erschuf den Hunger nach ihrer Musik und ihrem Privatleben. So war sie vier Jahrzehnte lang gleichermaßen auf den Titelseiten von Klatsch- und Opernmagazinen zu sehen. Es war absolut ungewöhnlich.
Sie haben gesagt, dass Sie schon immer ein Opernfan waren. Würden Sie sich wünschen, dass MARIA mehr Neugier für das Erlebnis Oper weckt?
Die Anfänge der Oper gehen auf das 16. Jahrhundert zurück, es handelte sich um Volksmusikstücke, die auf Italienisch gesungen wurden, manchmal aus mündlicher Überlieferung heraus. Dann wurden die Stücke mit populären Geschichten der damaligen Zeit verbunden und auf der Bühne aufgeführt. Oper war also zunächst eine sehr populäre, für jedermann zugängliche Kunstform. Erst im Laufe der Jahre wurde sie zu einem anspruchsvolleren Kunstformat. Opernsänger wie Enrico Caruso, Maria Callas und Luciano Pavarotti, jetzt vielleicht Andrea Bocelli, sind Aushängeschilder, die daran gearbeitet haben, der Oper ihren rechtmäßigen Platz zurückzugeben. Sie sollte eine sehr populäre Kunstform sein und zugänglich fürs große Publikum. Ich glaube, die Callas wurde sogar dafür kritisiert, dass sie die Oper so populär gemacht hat.
Das Ziel von MARIA ist es, diese Opernsensibilität auf eine Weise zu vermitteln, die populär ist. Alle Stücke im Film sind wunderschön und breit gefächert und besitzen die Fähigkeit, jeden zu erreichen.
Foto:
©Verleih
Darsteller
Angelina Jolie Maria Callas
Ferruccio. Pierfrancesco Favino
Bruna. Alba Rohrwacher
Aristoteles Onassis. Haluk Bilginer
Mandrax. Kodi Smit-McPhee
Yakinthi Callas. Valeria Golino
Doktor Fontainebleau. Vincent Macaigne
Jugendliche Maria Callas (1940). Aggelina Papadopoulou
SS-Offizier Jörg Westphal
Stab
Regie. Pablo Larraín.
Drehbuch. Steven Knight