
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ist das schon Jahre her, seit Maria Callas starb? Anders als eine andere Ikone, eine der Leinwand und des Lebens gegen die Nazis, die ihr Lebensende in Paris in einem der schönen großen Appartements zubrachte, Marlene Dietrich, starb die Callas schon mit Jahren. MARIA zu sagen, kommt mir fast anbiedernd, ja falsch vor, denn sie war immer und bleibt es: DIE CALLAS.
Warum Pablo Larraín, der mit JACKIE Kennedy und DIANA schon zuvor Frauen aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ruhmvoll porträtierte: eine Politikergattin, die Geschichte schrieb, eine Kronprozessinnengattin, die den frühen Tod fand, sich die Callas aussuchte, setzt den Bekanntheitsgrad zwar fort, schildert aber ein ganz anderes Leben als das der beiden anderen, die in pekuniär soliden, ja reichen Familien aufwuchsen. Das ist das eine. Das andere eben ist, daß die beiden anderen Frauen als Gattinnen eine öffentliche Karriere machten, die Callas aber als Berufstätige und das heißt, allein durch ihre Stimme. Das ist ein so gewaltiger Unterschied, daß folgerichtig Regisseur und Drehbuchschreiber der Kindheit, dem Erwachsenwerden und den ersten beruflichen Erfolgen einen großen Raum einräumen.
Nein, das habe ich, obwohl ich über die Callas, viel wußte, nicht gewußt, daß sie ihre Mutter schon als junges Mädchen zur Prostitution (amerikanische Soldaten) zwang, wobei einer in ihre Stimme stärker verliebt was, denn in sie. Ihre Stimme und diese ertönen zu lassen: das war ihr Leben. Doch diese geheime Botschaft vermittelt der Film mit jeder Szene. Man erfährt zudem viel über den Lebensweg, was nötig ist für die Nachgeborenen, für die auch ein Onassis nicht mehr eine bekannte Größe ist.
Fangen wir von vorne an. Angelina Jolie ist wundervoll als Maria Callas, die schmerzvoll erfahren muß, daß ihr Kapital und ihre Lebensversicherung: ihre Stimme weg ist, bzw. nur noch rudimentär vorhanden. Ich finde die schauspielerische Leistung der Jolie, die zudem nach sieben Monaten Gesangsunterricht große Teile im Film selbst singt, bewundernswert. Und daß bei der gleichzeitigen Aufführung bei den Filmfestspielen von Venedig im letzten Jahr Nicole Kidman für BABYGIRL den Darstellerinnenpreis bekam, kann ich nicht nachvollziehen, was nichts mit der schauspielerischen Leistung von zu tun hat, sondern mit deren Ausgangssituation. Mir scheint es so viel leichter zu sein, eine überspannte, durch ihren Chefinposten ausgelaugte, sehr bemühte Mutter zudem, also eine solche älter werdende Frau darzustellen, als eine Frau, bei der alles im Inneren abläuft. Denn gerade die Gefaßtheit, die Contenance, die Jolie als Maria ausstrahlt und die das Gegenteil von ihrem brodelnden Inneren zeigt, scheint mir viel schwerer und schwieriger
Wir erleben die letzte Woche der Callas, bevor sie überraschend stirbt. Sie ist in ihrer luxuriösen Wohnung in Paris’ Mitte von zwei Hausangestellten umsorgt, die man sich selbst für das Lebensende wünscht, so zugetan und gleichzeitig im guten Sinne kontrollierend sind sie: die beiden wunderbaren italienischen Schauspieler Alba Rohrwacher als Bruna und Pierfrancesco Favino als Ferruccio, die zum einen die Köchin und Seelsorgerin spielt und zum anderen den Butler, der die oft unsinnigen Ansagen wie das Herumrücken des Klaviers mit Engelsgeduld vollzieht und die von ihr versteckten Medikamente und Aufputschmittel wieder aus ihren Verstecken entfernt, denn sie ist medikamentenabhängig, das sieht man. Favino spielt diesen Mann in der Mischung aus Servilität, Bestimmtheit und Zärtlichkeit hingebungsvoll und das ist deshalb erwähnenswert, weil man kaum glauben mag, das man ihn jüngst kahlköpfig und brutal in einem neuen italienischen Film sehen konnte, die leider nicht in unsere Kinos kommen.
Bruna kocht und kocht, aber Maria ißt nicht, sie ist dünn, nachdem sie, was im Film keine Rolle spielt, sich einst in einem Jahr um 40 kg heruntergehungert hatte. Da ging es um Onassis und es ist schon eine winzige und witzige Ironie des Schicksals, daß die Protagonistin JACKIE aus Larraíns erstem Film als Mrs. Kennedy den Schwerenöter und schwerreichen Onassis heiratet. In dem Ehevertrag sei vereinbart, daß er sie nicht anrühre, hieß es damals. Und Jackie Kennedy wußte wohl, daß es sich in Europa besser leben läßt, als in diesem unheimlichen Land, als daß die USA sich heute noch deutlicher zeigen. Der Callas brach es das Herz.
Mit Hoffnung und stetem Bemühen hofft sie, ihre Stimme mit Hilfe eines sie am Klavier begleitenden Pianisten wiederzugewinnen. Und wir sehen ihr Scheitern und wie es sich in den Gesichtern und dem liebevollen Umsorgen ihrer beiden Hausangestellten widerspiegelt.
Man mag gar nicht mehr erzählen, doch vielleicht noch, wie wunderbar die Stücke, die sie sang, in den Handlungsablauf eingebaut sind, als eben das, daß Sie sich diesen Film nicht entgehen lassen sollten. Ein richtig guter Film mit einer Staunen machenden Hauptdarstellerin.
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Darsteller
Angelina Jolie Maria Callas
Ferruccio. Pierfrancesco Favino
Bruna. Alba Rohrwacher
Aristoteles Onassis. Haluk Bilginer
Mandrax. Kodi Smit-McPhee
Yakinthi Callas. Valeria Golino
Doktor Fontainebleau. Vincent Macaigne
Jugendliche Maria Callas (1940). Aggelina Papadopoulou
SS-Offizier Jörg Westphal
Stab
Regie. Pablo Larraín.
Drehbuch. Steven Knight