
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Mit der Übersetzung fangen die Probleme schon an. Denn das Märchen von Hans Christian Andersen, 1844 veröffentlicht, heißt DIE SCHNEEKÖNIGIN. Die Eiskönigin nennt sich die US-amerikanische Anlehnung und verbrämt, daß die Schneekönigin ein Herz aus Eis hat. In dieser Verfilmung kann sich die Königin nicht ganz entscheiden, ob sie Schneekönigin oder Eiskönigin ist. Dabei ist sie es ja nicht wirklich, denn wir sehen den Dreharbeiten zu einem Film zu, der von der Schneekönigin handelt, , wobei sich deren Schauspielerin Christina (Marion Cotillard) nicht ganz entscheiden kann, ob sie böse sein will oder sogar menschlich sein kann.
Wir sind zu Anfang in einem Kinderheim, wo Jeanne (Clara Pacini) sich um die Kleineren kümmert, insbesondere die kleine Rose ist ihr Schützling. Jeanne hat genug vom Heim, sie lockt die weite Welt; auf einer Postkarte, die ihr eine ehemalige Heimbewohnerin geschickt hatte, hat sie die Eisbahn in der Stadt gesehen, dort will sie hin und haut ab. Gefährlich für ein junges Mädchen, dies per Anhalter zu tun, was sie schnell erkennt, der Fahrer fährt sie aber immerhin zur Eisbahn, wo sie bewundernd auf die Eisläuferin
schaut, die perfekt ihre Runden dreht, die sich aber nicht weiter um Jeanne kümmert, als diese sagt, sie habe keine Übernachtungsmöglichkeit. Also geht sie auf die Suche und findet dann in einem großen Gebäude so etwas wie einen Schlafplatz. Ab jetzt sind wir in einer gedoppelten Geschichte. Hier wird nämlich ein Film gedreht und wir müssen höllisch aufpassen, was Wirklichkeit darstellt und was die Dreharbeiten, bei denen sich alles um den großen Star dreht: die hochberühmte, aber doch wohl auf dem absteigenden Ast befindliche Christina (Marion Cotillard).
Obwohl ja Jeanne, die sich ab jetzt Bianca nennt, eigentlich keine Ahnung vom Filmemachen hat, schafft sie es, als Komparsin dabei zu sein und als Christina sie länger beobachtet, verhilft diese ihr zu einer richtigen Rolle und lädt sie zum Übernachten in ihr eigenes Hotel ein, in dem sie dann doch nicht schläft, dann wieder doch. Man sollte es in diesem Film nicht zu genau nehmen, weshalb es auch sinnvoller ist, die Tendenz zu schildern, als die ganzen einzelnen Gegebenheiten. Christina will etwas von Bianca. Einerseits verwöhnt sie sie, andererseits ist immer der Schrecken des potentiellen Fallengelassenwerdens dabei. Sind es erotische Avancen? Man kann gar nicht anders, als später im Film genau dies anzunehmen. Aber lange entscheidet sich der Film und eben auch Christina nicht, was das Ganze soll. Zum Beispiel der Aufstieg auf die verschneite Bergkuppe, noch dazu bei Nebel und Dämmerung und der Blick in den Abgrund, zu dem sie Bianca zwingt, die einen lauten Schrei ausstößt, denn Bianca dachte, sie werde heruntergeworfen, doch Christina sagt dann nur: „Du Dummerchen“.
Dazwischen also die Dreharbeiten, wo Christina wie ein rohes Ei behandelt wird und sich alle vor ihren Ausbrüchen fürchten und wo immer das Eis, die Eiszapfen ins Bild kommen, die überall herumliegen, natürlich aus Glas und geschliffen sind, aber am Kleid der Schneekönigin am schönsten schillern und funkeln. Deswegen hat die unverfrorene Bianca auch gleich beim ersten Besuch am Set den größten vom Kleid der Königin abgerissen und in die Tasche gesteckt. Den wird sie am Schluß heimlich ins Bett von Rose stecken, deshalb heimlich, weil sie nicht dort im Heim bleibt, sondern in der Stadt leben wird.
Und noch kein Wort zu Max (August Diehl). Abgesehen davon, daß man sich freut, ihn wieder auf der Leinwand zu sehen, ist es schwierig, seine Rolle zu beschreiben. Vordergründig ist er Arzt, aber auch der Chauffeur der Primadonna, ihr Gorilla, der sie schützt, ihr Vertrauter, wenn es um Bianca geht, er könnte ja auch ihr Liebhaber sein, dafür gibt es aber wenig Anzeichen, er könnte auch der Impressario sein, der den Film finanziert. So sehr die Frauen in ihren Rollen total festgelegt sind und miteinander zu tun haben, so unabhängig ist dieser Max, den wir dann einfach zum Drehbuchautor, dem geheimen, machen, denn er weiß mehr, als er sagt.
In diesem Zwielicht bleibt der Film, der mehr als etwas Unsagbares vor sich her trägt und so tut, als ob das ein Vorteil wäre. Aber, offen zu sein, alles auf sich zukommen zu lassen, keine feste Vorstellung mit der Rolle und dem Ausgang des Films zu haben, ist dann doch zu wenig.
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Info:
Stab
Regie Lucile Hadžihalilović
Buch. Lucile Hadžihalilović, Geoff Cox
Kamera. Jonathan Ricquebourg
Besetzung
Marion Cotillard. (Cristina).
Clara Pacini(. Jeanne/Bianca).
August Diehl (Max).
Gaspar Noé (Dino).
Marine Gesbert. (Stéphanie)
Lilas-Rose Gilberti (