Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. Februar 2025, Teil 6
Margarete Ohly-Wüst
How does it feel?
To be without a home
Like a complete unknown
Like a rolling stone?
(Bob Dylan)
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der 19jährige Bob Dylan (Timothée Chalamet) kommt 1961 in New York an. Nachdem er erfahren hat, dass sein Idol Woody Guthrie (Scoot McNairy) wegen seiner Corea Huntington Erkrankung im Krankenhaus liegt, versucht er herauszubekommen, wo er liegt und besucht ihn dort.
Als er mit seiner Gitarre im Krankenhaus ankommt, sitzt Pete Seeger (Edward Norton) an seinem Bett und singt ihm Guthries Song “This Land Is Your Land” vor. Beide bitten den jungen Mann auch zu singen und Bob stellt ihnen sein Lied “Song For Woody” vor.
Da Bob keine Übernachtungsmöglichkeit hat, wird er erst einmal von den Pete und Toshi (Eriko Hatsune) Seeger zu Hause aufgenommen. Seeger bringt den jungen Mann, der unablässig an neuen Songs schreibt, auch in der New Yorker Musikszene unter. Dabei lernt er nicht nur Joan Baez (Monica Barbaro), sondern auch den Musik Manager Albert Grossman (Dan Fogler) kennen, der ihn unter seine Fittiche nimmt.
Während einer musikalischen Performance in einer Kirche trifft er auf Sylvie Russo (Elle Fanning), mit der er eine Beziehung beginnt und auch bei ihr einzieht.
Doch während Sylvie einige Zeit in Rom ist, beginnt Bob gleichzeitig auch ein Verhältnis mit Joan Baez (Monica Barbaro), mit der er in ihrer Wohnung nicht nur zusammen ″Blowin’ in the Wind″ singt und spielt, sondern die auch in der nächsten Zeit zusammen auftreten. Da Joan Baez schon recht bekannt ist, steigt auch der Bekanntheitsgrad von Bob Dylan. Das führt auch dazu, dass nicht nur seine Plattenverkäufe steigen, sondern er auch immer häufiger auf der Straße erkannt wird, was ihm sichtlich unangenehm ist. Allerdings erhält er auch einen Brief von Johnny Cash, der ihm schreibt, dass ihm Bobs Album ″The Freewheelin‘ Bob Dylan″ (mit Dylan und Sylvie Russo auf dem Cover) sehr gut gefallen hat.
Bob beginnt, sich an die politischen und sozialen Unruhen der Zeit anzupassen, gleichzeitig geht seine Beziehung zu Joan Baez in die Brüche.
Im Jahr 1965 beschließt er, seine Musik in Richtung des elektrischen Folk-Rock-Genres zu verlagern. Während des Newport Folk Festival 1965 verlässt ihn auch Sylvie Russo als sie bemerkt wie hervorragend Bob und Joan Baez zusammen ″It Ain’t Me Babe″ performen, doch ein betrunkener Johnny Cash ermutigt ihn, seine Musik weiter zu spielen, auch wenn es andere verärgert.
Als er dann den Wechsel zur Rockmusik bei einem späteren Auftritt während des Festivals vollzieht - er spielt z.B. ″Like A Rolling Stone″ - beginnt das Publikum ihn auszubuhen und ist erst zufrieden, als er doch noch mit der Akustik-Gitarre ″It’s All Over Now, Baby Blue″ singt.
Doch Bob Dylans Weg in eine neue Musikrichtung ist bereits vorgezeichnet…
″Like A Complete Unknown″ ist nicht der erste Film über Bob Dylan. Neben einigen Dokumentationen von musikalischen Events gibt es zwei Dokumentarfilme von Martin Scorsese und zwar ″Bob Dylan – No Direction Home″ (2005) und den Netflix-Film ″Rolling Thunder Revue: A Bob Dylan Story″ (2019). Außerdem ist noch die Filmbiografie ″I’m Not There″ als Episodenfilm 2007 in die Kinos gekommen. Unter der Regie von Todd Haynes wurde Bob Dylan von sechs verschiedenen Schauspielern gespielt, und zwar Cate Blanchett, Christian Bale, Richard Gere, Heath Ledger, Marcus Carl Franklin und Ben Whishaw. Dabei werden in sechs verschiedenen Handlungssträngen Facetten aus dem Leben von Bob Dylan dargestellt.
Regisseur des hier besprochenen Films ist James Mangold, der neben anderen Filmen auch für Drehbuch und Regie des Johnny Cash Films ″Walk the Line″ (2005) verantwortlich war, der u.a. bei den Golden Globe Awards 2006 als Bester Film – Musical oder Komödie ausgezeichnet wurde. Das Drehbuch stammt von Jay Cocks und James Mangold selbst nach dem Sachbuch von Elijah Wald: Dylan goes electric! Newport, Seeger, Dylan, and the night that split the Sixties (2015).
In dem Film wird nicht Dylans gesamte musikalische Geschichte erzählt, sondern er spielt in der einflussreichen New Yorker Musikszene der frühen 1960er Jahre und erzählt vom Beginn von Dylans Karriere und verfolgt dabei den kometenhaften Aufstieg des zu Beginn 19-jährigen Musikers vom Folksänger in kleinen New Yorker Clubs über große Konzertsäle bis an die Spitze der Charts. Der Film beginnt 1961, wenn Dylan in New York ankommt und endet 1965, wenn Dylan seinem Wandel vom Folk- zum Rockmusiker und damit von der akustischen zur elektrischen Gitarre vollführt. Er endet bei seinem bahnbrechenden Auftritt auf dem Newport Folk Festival 1965, wo er gegen den Willen der vielen Fans zusammen mit seiner Band erstmals öffentlich mit der Elektrogitarre auftritt.
Dabei hat der Regisseur zwar die Musik und Dylans Songs in den Mittelpunkt gestellt, aber der Regisseur zeigt auch, dass Dylan inmitten seines Aufstiegs zum Ruhm auch mindestens zwei wichtige intime Beziehungen knüpft.
In dem Film werden neben den regelmäßigen Besuchen bei Dylans Idol Woody Guthrie und der Unterstützung durch Pete Seeger vor allem seine intimen Freundschaften zu zwei Frauen angesprochen: Joan Baez, die damals schon als Musikerin bekannt war, und Suze Rotolo, die im Film allerdings nicht mit ihrem Namen genannt wurde, sondern Sylvie Russo heißt – die Namensänderung beruht wohl auf einer Bitte Bob Dylans, da Suze Rotolo bereits 2011 gestorben ist.Durch Corona, den Autoren- und Schauspielerstreik und durch andere Projekte musste der Drehstart immer wieder verschoben werden. Regisseur James Mangold arbeitete bereits seit 2020 als Drehbuchautor und Regisseur an dem Film, bereits seit damals mit Timothée Chalamet als Bob Dylan.
James Mangold hat dazwischen z.B. ″Indiana Jones und das Rad des Schicksals″ (2023) gedreht (in dem auch Boyd Holbrook mit gespielt hat) und Timothée Chalamet die beiden ″Dune″-Filme (2021 + 2024) sowie ″Wonka″ (2023), in dem Chalamet ja auch gesungen hat. Timothée Chalamet und James Mangold waren übrigens auch als Produzenten mit an Bord.
Die Unterbrechungen wurden aber von Chalamet intensiv genutzt, denn es gibt Aufnahmen von ihm, wie er auf dem Set von ″Dune″ intensiv seine Gesangs- und Gitarrenparts probt.
Das hat zur Folge, dass Chalamet nicht nur die Stimme und das Aussehen, sondern auch die kleinen Nuancen und die Eigenheiten von Bob Dylan (incl. der etwas verwischten Sprache) perfekt dargestellt hat. Daneben hat er nicht nur alle Lieder gesungen, sondern auch die Gitarren- und Mundharmonika-Begleitung selbst eingespielt und das nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne vor Publikum. Chalamet singt 40 Bob Dylan Songs im Film und begleitet sich dabei mit der Gitarre und der Mundharmonika, insgesamt enthält der Score 74 Musikstücke. Letztendlich wurde vom 16. März bis Ende Juni 2024 in New Jersey und Montreal gedreht.
Neben Timothée Chalamet haben aber auch Edward Norton als Pete Seeger, Monica Barbaro als Joan Baez und Boyd Holbrook als Johnny Cash selbst gesungen und ihre Instrumente gespielt. Das führt zu einer wunderbaren Authentizität nicht nur in der schauspielerischen, sondern auch in der musikalischen Darstellung.
In weiteren wichtigen Rollen sind Elle Fanning als Sylvie Russo, Dan Fogler als Dylans US-amerikanischer Musikmanager Albert Grossman und Scoot McNairy als schwerkranker Woody Guthrie zu sehen. Weitere Weggefährten von Bob Dylan aus den Jahren 1961 bis 1965 – wie z.B. Peter, Paul und Mary - tauchen im Film nicht oder nur sehr randständig auf.
Neben der Musik ist die Darstellung von Dylans Beziehungen zu Sylvie Russo und zu Joan Baez ein wichtiger Bestandteil des Films. Beide Frauen unterstützen ihn, werden aber auch nicht immer gut behandelt. Zu Baez unterhält Dylan eine Partnerschaft, in der es sowohl um Liebe als auch um Musik ging. Es ist hervorzuheben, dass die Komplikationen ihrer Beziehung nicht nur positiv gezeigt werden, denn Baez unterstützt den jungen unbekannten Musiker bedenkenlos, erhält dafür aber manchmal nur distanzierte Reaktionen. Während des Newport Festivals singen dann beide noch einmal zusammen, allerdings zeigt Baez Dylan auf der Bühne schon den Mittelfinger. Trotzdem sind gerade ihre Duett-Szenen atemberaubend und fangen die Magie zweier ineinander verschlungener Stimmen ganz hervorragend ein.
Joan Baez verarbeitete ihre Beziehung zu Bob Dylan übrigens in dem 1975 veröffentlichen Song ″Diamonds & Rust″, der eine Reflexion über die Liebe, die Erinnerung und den bittersüßen Rest der Zeit darstellt.
Der Film wurde bis jetzt schon für über 100 internationale Film- und Festivalpreise nominiert. Bei den Golden Globe Awards 2025 waren es Nominierungen in den Kategorien Bestes Filmdrama, Timothée Chalamet als Bester Hauptdarsteller – Drama und Edward Norton als Bester Nebendarsteller, konnte aber keinen der Preise gewinnen.
Daneben gab es bis jetzt noch vier Nominierungen bei den Screen Actors Guild Awards; dort konnte Timothée Chalamet auch als Bester Hauptdarsteller gewinnen. James Mangold wurde für den Directors Guild of America Award nominiert, hat dort aber gegen Sean Baker verloren. Bei den British Academy Film Award (BAFTA) erhielt er sechs Nominierungen, u.a. als Bester Film, für das beste adaptierte Drehbuch, Timothée Chalamet als Bester Haupt- und Edward Norton als Bester Nebendarsteller., konnte dort aber keinen der Preise gewinnen.
Bei den Oscar-Nominierungen 2025 erhielt der Film acht Nominierungen (Film, Regie, Hauptdarsteller - Timothée Chalamet, Nebendarsteller – Edward Norton, Nebendarstellerin – Monica Barbaro, sowie für das adaptierte Drehbuch, Kostümdesign und Ton).
Insgesamt ist ″Like A Complete Unknown″ ein absolut sehenswerter Musikfilm, bei dem ganz sicher die Szenen des Newport Folk Festivals 1965 der Höhepunkt sind, da dabei Dylans Verwandlung vom akustischen Propheten zum elektrischen Vorreiter auch öffentlich dargestellt wird – ein ganz wichtiger Moment, denn hier wurde die Folkmusic künstlerisch verändert, was bis heute in der Musikszene nachwirkt. Deshalb sollten sich nicht nur Fans von Bob Dylan oder der Folkmusic sich diesen Film unbedingt im Kino ansehen.
Zusatz 1: Im Schlusstext heißt es, dass Bob Dylan einen Monat nach dem Newport-Festival sein ″Highway 61 Revisited″ veröffentlichte, das als eines der einflussreichsten Alben aller Zeiten gilt. Dylan und Pete Seeger kamen 1968 wieder zusammen, um ein Tributkonzert für Woody Guthrie zu spielen. Seeger spielte Folkmusik und war bis zu seinem Tod im Jahr 2014 ein bedeutender Bürgerrechtsaktivist. Joan Baez veröffentlichte über 30 Alben und schrieb 1975 den Song ″Diamonds and Rust″ über ihre Beziehung zu Dylan. Dylan selbst hat seit 1965 über 55 Alben veröffentlicht und tourt auch weiterhin weltweit. Gleichzeitig ist er der einzige Musiker, der bisher mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Allerdings nahm er an der Zeremonie selbst nicht teil.Zusatz 2: Die 23 Songs umfassende Filmmusik ist seit dem 20. Dezember 2024 als CD und als Download und seit dem 24. Januar 2025 in einer limitierten Vinyl-Version im Handel erhältlich:
1. "Highway 61 Revisited" - Timothée Chalamet (3:45 Min.)
2. "There But For Fortune" - Monica Barbaro (1:44)
3. "It Ain't Me, Babe" - Timothée Chalamet und Monica Barbaro (3:38)
4. "Maggie's Farm" - Timothée Chalamet (3:08)
5. "It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry" - Timothée Chalamet (2:21)
6. "Like A Rolling Stone" - Timothée Chalamet (3:23)
7. "It's All Over Now, Baby Blue" - Timothée Chalamet (2:21)
8. "Song To Woody" - Timothée Chalamet (2:21)
9. "When the Ship Comes In" - Timothée Chalamet und Edward Norton (2:20)
10. "The Times They Are A-Changin'" - Timothée Chalamet (3:14)
11. "Mr. Tambourine Man" - Timothée Chalamet (2:31)
12. "House Of The Rising Sun" - Monica Barbaro (2:08)
13. "Silver Dagger" - Monica Barbaro (2:33)
14. "Wimoweh (Mbube)" - Edward Norton (1:52)
15. "A Hard Rain's A-Gonna Fall" - Timothée Chalamet (3:05)
16. "Girl From The North Country" - Timothée Chalamet and Monica Barbaro (2:05)
17. "Folsom Prison Blues" - Boyd Holbrook (1:45)
18. "Don't Think Twice, It's All Right" - Timothée Chalamet and Monica Barbaro (3:08)
19. "Masters Of War" - Timothée Chalamet (2:25)
20. "Blowin' in the Wind" - Timothée Chalamet and Monica Barbaro (2:53)
21. "Subterranean Homesick Blues" - Timothée Chalamet (2:27)
22. "Big River" - Boyd Holbrook (1:42)
23. "I Was Young When I Left Home" - Timothée Chalamet (2:05)
Foto 1: Timothée Chalamet als Bob Dylan © 2024 Searchlight Pictures
Foto 2: Timothée Chalamet als Bob Dylan und Monica Barbaro als Joan Baez © 2024 Searchlight Pictures
Foto 3: Edward Norton als Pete Seeger © 2024 Searchlight Pictures
Foto 4: Elle Fanning als Sylvie Russo und Timothée Chalamet als Bob Dylan © 2024 Searchlight Pictures
Foto 5: Cover der Musik-CD © 2024 Sony Pictures
Info:
Like A Complete Unknown (USA 2024)
Originaltitel: A Complete Unknown
Genre: Biopic, Musik
Filmlänge: ca. 140 Min
Regie: James Mangold
Drehbuch: Jay Cocks, James Mangold
nach dem Sachbuch von Elijah Wald: Dylan goes electric! Newport, Seeger, Dylan, and the night that split the Sixties (2015)
Darsteller: Timothée Chalamet, Edward Norton, Elle Fanning, Monica Barbaro, Boyd Holbrook, Dan Fogler, Norbert Leo Butz, Scoot McNairy, Eriko Hatsune u.a.
Verleih: The Walt Disney Company Germany
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 27.02.2025