Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. März 2025, Teil 3
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine kleine schwarze Katze läuft mit großen gelben Augen durch eine sich veränderte Welt. Nachdem sie einen Fisch gefangen hat und von hungrigen Hunden verfolgt wird, flieht sie durch ein zerbrochenes Fenster in das leerstehende Haus ihres Besitzers, der als Katzenliebhaber überall Statuen jeder Größe von Katzen aufgestellt und auch gezeichnet hat. Doch das Haus ist inzwischen unbewohnt.
Als dann eine gewaltige Flut auch das Haus überschwemmt, muss sich die Katze erst einmal auf eine der größeren Statuen retten, bevor sie gezwungen wird, doch ins Wasser zu springen und zu schwimmen.
Sie rettet sich letztendlich auf ein treibendes Segelboot, auf dem sie auf ein schläfriges Wasserschwein trifft. Während die Beiden durch die steigende Flut immer weiter abgetrieben werden, treffen sie auf andere fliehende Tiere, die sich auf Booten niederlassen und dort Schutz suchen. Zu ihnen gesellt sich der stolze Sekretärvogel, der die Katze kurz vorher vor seinen Artgenossen beschützt hat und der gutmütige und verspielte Labrador, der zu den sie verfolgenden Hunden gehört hat, aber nicht mit denen auf ein Ruderboot fliehen konnte. Später kommt auch noch ein eitler und diebischer Lemur dazu, der ganz wild darauf ist, allerlei Sachen aus den leerstehenden Häusern zu sammeln, an denen sie vorbei segeln. So unterschiedlich die Fünf in ihren Charakteren und Bedürfnissen sind, sie müssen auf der Suche nach einer neuen Heimat lernen, sich in der Zwangsgemeinschaft nun miteinander zu arrangieren, wenn sie überleben wollen. Auch lernen die Tiere nach und nach, wie man das Segelboot steuern kann, so dass das Ruder sowohl von der Katze, dem Sekretär als auch vom Wasserschwein bedient werden kann.
Während der gesamten Reise, gibt es keine Menschen in der Nähe, dafür üppige Wälder unter Wasser, so weit das Auge reicht. Daneben sind die unter Wasser stehenden Ruinen als einzige Spur einer vergangenen menschlichen Zivilisation geblieben. Gemeinsam navigierten sie das Segelboot geschickt durch die mystischen überfluteten Landschaften und beginnen sich den Herausforderungen einer sich veränderten Welt zu stellen – immer auf der Suche nach einen trockenen Stück Land.
Dabei treffen sie unterwegs nicht nur regelmäßig auf ein riesiges walartiges Tier im Wasser, sondern auch immer wieder auf andere Tiere – wie Lemuren oder die Hunde, die vor den Fluten flüchten. Doch sie lernen auch ganz langsam, dass, wenn sie heil aus ihrem Abenteuer herauskommen wollen, ihnen letztendlich nichts anderes übrig bleibt, als neue Wege zu gehen und als Team zusammenzuhalten…
Der lettische Regisseur Gints Zilbalodis erzählt in dem lettisch, französisch, belgischen Animationsfilm nach einem Drehbuch von Matīss Kaža und ihm selbst eine wunderbare Fabel über Freundschaft und das Überleben in einer Gemeinschaft, die lernen muss, Rücksicht zu nehmen und den jeweils Anderen mit all seinen Eigenarten zu respektieren.
Dabei begleitet der Film, der vollständig ohne Menschen und Dialoge auskommt, das Abenteuer einer niedlichen schwarzen Katze als Hauptdarsteller, die auf der Flucht vor einer großen Flutwelle Leidensgenossen findet, die alle nach einigen Problemen und Verständigungsschwierigkeiten bereit sind, sich auf ein respektvollen Miteinander einzulassen. Unterwegs treffen sie auch auf andere Tiere, die ihre Freunde werden, aber auch welche, die sich ihnen gegenüber nicht allzu freundlich verhalten.
Dabei erscheinen die Landschaften fast fotorealistisch und heben sich dadurch von den bewusst stilisiert und einfach gehalten Tieren ab. So hat keines der Säugetiere ein Fell, bei dem sich – wie inzwischen in Disney-Filmen üblich – jedes einzelne Haar bewegt. Trotzdem haben alle gezeigten Tiere einen ganz individuellen Charakter. Natürlich ist besonders die Katze ausgesprochen niedlich, aber auch Hund, Wasserschwein, Affe und Sekretär haben Charaktere, die äußerst mitreißend sind.
Es werden die Haltungen und Ausdrucke der Tiere wie Angst, Überraschung oder Erleichterung nie vermenschlicht, sondern ausgesprochen realistisch dargestellt. Wunderbare Szenen sind dabei, wenn die Katze plötzlich ihrem Spieltrieb nachgeht und versucht, den baumelten Schwanz des Äffchen zu fangen, der Hund einem Ball nachjagt oder die Katze dem Lichtkegel hinterher hüpft, als sich die Sonne in einem Spiegel fängt, in dem sich der Lemur bewundert.
Da es in dem Animationsfilm keine Dialoge gibt, achtet man als Zuschauer umso intensiver auf den Sound von Gints Zilbalodis und Rihards Zaļupe wie Vogelgezwitscher, Flügelschlag, Katzenwäsche, Krallen am Segel, Spritzen des Wasser, Scheppern von Gegenständen, Regen, der auf das Deck tropft, oder auch das Knarren des Bootsrumpfes.
Ein weiterer wichtiger Pluspunkt des Films ist die lebhafte animierte Kameraführung, mal ist sie unter Wasser, mal am Himmel oder auch in extremer Nahaufnahme. Damit verleiht sie dem actionreichen und spannenden tierischen Survivalfilm eine ganz eigene lebendige und intensive Note.
″Flow″ wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat ″besonders wertvoll″ ausgezeichnet, da Regisseur Gints Zilbalodis Film ein außergewöhnlich originelles animiertes Meisterwerk ist und ein Film, der sein Publikum quer über alle Altersstufen hinweg begeistern kann.
Die FBW Jugendfilm Jury vergibt 4,5 von 5 Sternen, da Regisseur und Drehbuchautoren ohne Worte ein vielschichtiges und doch leicht verständliches Kunstwerk schaffen, das gerade dadurch hervorragend funktioniert. Die Jury empfiehlt den Film ab 6 Jahren.
Der Animationsfilm hat bis jetzt schon viele internationale Film- und Festivalpreise gewonnen oder wurde dafür für nominiert. Lettland hat den Film als Beitrag für die Oscarverleihung 2025 in der Kategorie Bester Internationaler Film eingereicht, dort erhielt er auch eine Nominierung ebenso in der Kategorie Bester Animationsfilm. Letztendlich konnte ″Flow″ als erster lettischer Film überhaupt den Award für den besten Animationsfilm gewinnen. Weitere Gewinne waren z.B. beim Europäischer Filmpreis 2024 und bei den Golden Globe Awards 2025 jeweils als Bester Animationsfilm.
Nominierungen gab es z.B. bei den Critics’ Choice Movie Awards 2025 als Bester fremdsprachiger Film und als Bester Animationsfilm, er konnte aber in beiden Kategorien nicht gewinnen. Dagegen hat er bei den British Academy Film Awards 2025 als Bester animierter Spielfilm und als Bester Kinder-/Familienfilm oder bei dem französischen César 2025 als Bester Animationsfilm gewonnen.
Insgesamt ist ″Flow″ ein bildstarkes und faszinierendes Animationsabenteuer ganz ohne Worte und ein künstlerisch hochwertiger und visueller Genuss mit wunderbar stimmungsvollen Bildern, das die Schiffsreise einer einfallsreichen Tiergemeinschaft ganz unterschiedlicher Herkunft über die überflutete Erde durch eine menschenleere Welt zeigt, die lernen muss, dass nur soziale Toleranz und die Erkenntnis, dass es gerade ihre Unterschiede sind, sie gemeinsam stark machen. Es macht Spaß, den humorvollen, spannenden und bedächtigen Szenen zu folgen. Der wunderbare Animationsfilm ist sowohl für Kinder als auch Erwachsene unbedingt sehens- und nachdenkenswert.
Foto 1: Die Katze © 2024 Dream Well Studio, Sacrebleu Productions, Take Five
Foto 2: Der Sekretärvogel und der Labrador © 2024 Dream Well Studio, Sacrebleu Productions, Take Five
Foto 3: Der Lemur © 2024 Dream Well Studio, Sacrebleu Productions, Take Five
Foto 4: Das Boot treibt durch überflutete Ruinen © 2024 Dream Well Studio, Sacrebleu Productions, Take Five
Info:
Flow (Lettland, Frankreich, Belgien 2024)
Originaltitel: Flow
Genre: Animation, Abenteuer, Umwelt
Filmlänge: ca. 85 Min.
Regie: Gints Zilbalodis
Drehbuch: Gints Zilbalodis, Matīss Kaža
Verleih: MFA+ FilmDistribution e.K.
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 06.03.2025
