Mala Emde als Vera Brandes c WolfgangEnnebach AlamodeFilmDie 75. Internationalen Filmfestspiele, BERLINALE 2025, und Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. März 2025, Teil 2

Hanswerner Kruse / Hannah Wöllflel


Berlin (Weltexpresso) - Als Vera Brandes 50 Jahre alt wird, taucht auch ihr Vater auf und hält ungefragt eine böse Rede, in der er seine Tochter übel beschimpft. Dann die Rückblenden: Vera Brandes (Mala Emde) ist ein aufmüpfiger Teenager in den 1970er-Jahren.


Ständig liegt sie mit ihrem Zahnarztvater (Ulrich Tukur) im Clinch. Statt fleißig für das Abitur zu lernen, um mit Bestnoten Zahnmedizin zu studieren, beginnt sie heimlich Jazz-Konzerte zu organisieren. Dafür spannt sie auch ihren Bruder und ihre Freundinnen zur Mitarbeit in einer versteckten Wohnung ein. 

Zwei Jahre später, nachdem sie zum ersten Mal einen Saxophonisten promotete, erlebt sie in Berlin den eigenwilligen Improvisationsmusiker Keith Jarrett (John Magaro) am Klavier. Sie ist so fasziniert, dass sie für ihn unbedingt einen Auftritt in Köln organisieren will. Dazu braucht sie 10.000 Mark als Kaution für den Opernsaal, die ihr letztlich die Mutter (Jördis Triebel) hinter dem Rücken des Vaters zukommen lässt. Doch sie muss versprechen den Jazz aufzugeben und Zahnmedizinerin zu werden, wenn das Projekt misslingt.

Jarrett tourt durch Europa, jeden Abend improvisiert er an einem anderen Ort. Der Musiker ist erschöpft, wird von Rückenschmerzen geplagt und weigert sich nach Köln zu kommen. Doch sein Manager Manfred Eicher (Alexander Scheer) überredet ihn zum Auftritt. Beide fahren in einem winzigen Auto des Nachts von Lausanne nach Köln um Geld zu sparen. Ihnen schließt sich noch Musikjournalist Michael Watts (Michael Chernus) an, der nervt und beide vollquatscht - aber auch direkt zum Kinopublikum über Jazz und Improvisation spricht. Als sie morgens in Köln ankommen mogeln sie, dass sie aus dem Flieger kommen, so wie Brandes mit ihrer professionellen „Agentur“ schwindelt...

04 Koeln75 c WolfgangEnnebach AlamodeFilmEs ist Wochenende, in der Oper sind keine Verantwortlichen mehr da, um den von Jarrett geforderten Flügel „Bösendorfer Imperial“ herbeizuschaffen. Auf der Bühne steht nur ein kaputter, schlecht klingender Stutzflügel für Proben. „Das ist Schrott“, schimpft der Pianist nach einem Tastenanschlag, „darauf spiele ich nicht“, sagt er und geht. Nun beginnt der Film sehr, sehr hektisch zu werden. Brandes düst durch Köln, versucht einen edlen Flügel zu bekommen, doch der kann nicht durch den Regen gefahren werden. Zwei Klavierstimmer glauben nicht, das kaputte Teil noch rechtzeitig reparieren zu können. Und Jarrett will sowieso nicht mehr spielen. 

Brandes stürmt in sein Hotelzimmer, wirft ihm Hochmut vor und beschimpft ihn: „Jetzt könntest Du wirklich mal improvisieren und zeigen was du draufhast!“ Irgendwie fühlt sich der sensible Musiker provoziert und kommt letztlich doch mit in die Oper und spielt auf dem notdürftig reparierten Flügel. Das Konzert ist völlig ausverkauft, wird ein riesiger Erfolg und die mitgeschnittene Aufnahme ist bis heute die erfolgreichste Jazz-Soloplatte und meistverkaufte Klaviersoloaufnahme aller Zeiten. Doch der echte Keith Jarrett und sein Management mochten die Schallplatte nicht, weigerten sich das Filmprojekt zu unterstützen und erlaubten den Kino-Produzenten nicht, die Musik zu nutzen.

„Köln 75“ ist ein guter Spielfilm mit etlichen wahren, also dokumentarischen Einsprengseln, aber er ist kein Biopic und nimmt sich cineastische Freiheiten heraus. Mala Emde ist eine quicklebendige, geniale Schauspielerin, der man die Begeisterung für die improvisierte Musik sofort abnimmt. Kritiker verglichen sie mit „Lola rennt“, weil sie im letzten Teil des Werks genauso so hektisch durch die Gegend düst, um ihren Traum zu realisieren. Die Figur des Musikkritikers hilft den Jazz, die Improvisationen von Keith Jarrett zu verstehen. Aber „Köln 75“ ist kein Jazzfilm, sondern eher eine Eloge für von ihrem Metier besessene Kunstschaffende - und ein spannender Spielfilm. Denn obwohl das positive Ende bekannt ist, hofft, leidet und kämpft man mit Vera Brandes. 

 

Fotos:
© Wolfgang Ennebach / Alamode-Film

Info:
„Köln 75“, Deutschland, Belgien, Polen 2024, 115 Minuten, FSK 6 Jahre, Kinostart 13. März 2025
Regie/Buch Ido Fluk mit Mala Emde, John Magaro, Ulrich Tukur, Jördis Triebel, Alexander Scheer und anderen.