lee1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. März 2025, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Übereinstimmend wird dieser Film als das persönliche Drama der Tänzerin Shelley (Pamela Anderson) angesehen, die ihr ganzes Leben lang in den Las-Vegas-Shows aufgetreten ist und nun in 'Le Razzle Dazzle' sogar als Star sich besonders anstrengt, auch besonders verantwortlich fühlt, und mitten in der Bedeutung, die ihr diese Rolle ihres Lebens gibt, vom Ende der Show erfährt, also der Absetzung dieser Produktion, der nie wieder eine derartige Revue folgen wird. Die Leute haben genug von den Kostümen, der Musik und dem die Beine Hochwerfen. 

Das ist schon richtig, aber eigentlich muß man diesen Film über das persönliche Schicksal von Shelley hinaus,  als den Abgesang einer ganzen Kultureinrichtung angesehen: dem Varieté. Historisch verbindet sich mit dem Namen Varieté für immer das MOULIN ROUGE in Paris, das in der Hochzeit des Fin de siècle gegründet wurde: 1889. Übrigens auch das Jahr des Eiffelturms. Schon zuvor gab es das L'Olympia und andere Varietés, aber das Moulin Rouge oben auf dem Montmartre wurde deshalb zum Symbol für alle, weil Henri de Toulouse-Lautrec die Werbeplakate gestaltete, die als Drucke beispielsweise in den 70er Jahren massenhaft in Wohngemeinschaftswänden hingen. 

Das Varieté war Ausdruck eines Lebensgefühls, der einer gehobenen Schicht von Männern durch die Beschleunigung des Kapitalismus sehr viel Geld, sehr viel Macht, sehr viel Verantwortung übertrug, die als Ausgleich für die Mühen  des Tages, sich des Abends in den Varietés mit Alkohol und Damen vergnügen durften. Dabei ging es nicht nur um Varietés. Aber Musik, Alkohol und Frauen waren immer dabei. Der Auftritt der Tänzerinnen, der eine lange Tradtition hat, wurde im Zeitgeschmack in neuen Formen und neuer Musik sowie neuen Kostümen gebracht, der Cancan ist der berühmteste geworden. Die Namen der Stars kennt man vielleicht wirklich durch die Plakate des Toulouse-Lautrec: Jane Avril, Mistinguett u.a. 

Dies Varieté wurde zum Vorbild, mindetens  in Europa und den Vereinigten Staaten für den Bau von Vergnügungsetablissements, aber auch - und das im großen Stil  - im erst am 15. Mai 1905 von den Mormonen gegründeten LAS VEGAS.  Schon bald  entwickelten sich nach dem Bau der Eisenbahn, bzw. der Eisenbahnstation LAS VEGAS die Casinos, das Glückspiel und eben die Varietés. 
Das waren in der Regel Nummernrevues, wo alle möglichen Raritäten gezeigt und Absonderlichkeiten gefeiert wurden. Es gab Tiershows, Zirkusnummern, Tanz. Und es gab diesen Gemeinschaftstanz von Frauen, die in farbenfrohen Kostümen, die viel vom Körper zeigen sollten, aber auch Beinfreiheit brauchten,  denn natürlich unterlag allem eine heimliche Botschaft von der Erotik des anderen Geschlechts auf der Bühne, für das  wiederum das andere Geschlecht der Männer zahlte.   

Im Film ist dies der Hintergrund, der überhaupt nicht weiter thematisiert wird. So würde man gerne wissen, wie denn heute die Funktion eines Vergnügungstempels abläuft, für was die bisherige Revue ausgetauscht wurde. Erneut muß man konstatieren, daß Gia Coppola, eine weitere Regisseurin dieser berühmten Regiefamilie , sich auf das Schicksal von Shelly konzentriert. Diese Einengung hat gleichzeitig eine Ausweitung zur Folge. Wir erfahren nämlich hautnah, wie das ist, wenn die nicht geschminkte, etwas blasse Shelly in die Umkleidekabine kommt. Die ist nicht nur ihr Zuhause, sondern daß Zuhause der ganzen Tänzerinnen . Und deren Kommunikation, wie im Hin und Her eine emotionale Bindung entsteht, kann der Film ganz wunderbar deutlich machen. Wie solidarisch einerseits, wie eifersüchtig andererseits die Frauen im Ensemble miteinander  und gegeneinander umgehen. 

Die Kostüme bilden eine feste Struktur der jeweiligen Rollen. Darum ist sinnbildlich der Riß, der entsteht, als Shelly plaudernd auf die Bühne eilt und an der Tür hängen bleibt, ratsch, auch der Riß zwischen der Hochzeit solcher Shows und ihrem Ende. Denn wir werden Zeugen, wie schnell die Zeit vergeht und tatsächlich die allerletzte Vorstellung von "Razzle Dazzle" eintritt. 
Bis es soweit ist, hat sich Shelly berappelt. Sie hat iinzwischen hre Situation, das Ende ihrer Täzerinnenlaufbahn, realisiert und akzeptiert.   Das macht im Film weniger her, als wenn sie irgendwelche Dramen aufgeführt hätte, daß ihr Lebensinhalt so endet, aber es ist viel wahrhaftiger. So paßt es auch gut, daß sie wieder Kontakt zu ihrer Tochter Hannah (Billie Lourd)  aufnimmt. Die hatte am eigenen Leib erfahren, wie das ist, wenn die Mutter woanders der Star sein will, denn sie wurde von Shelly zur Adoption freigegeben.  Obwohl es gut ging mit den Adoptiveltern, ist jedoch die Tatsache, daß die eigene Mutter auf einen verzichtete, nie wieder gut zu. machen. Aber man kann es mildern, was nun beide versuchen. 

Das eigentlich Ereignis im Film ist jedoch ganz etwas anderes, bzw eine andere. Annete (Jamie Lee Curtis) ist die Freundin von Shelly, sie ist in der Coctailbar Kellnerin und hilft der Freundin in dieser Abwrackzeit durch Ironie und tiefere Bedeutung  das Geschehen zu verdauen. Wie sie das macht, zynisch einerseits und durch ein so mutig häßliches Outfit andererseits ist der absolut beeindruckendste Moment im ganzen Film. Auch im Nachhinein stiehlt sich, wenn man an die Szene denkt, ein Lächeln ins Gesicht. So tief können eigentlich kleine Rollen und kleine Szenen in Filmen gehen, wenn die richtigen Schauspielerinnen es wagen. 
                                    
Info:
Besetzung  
Shelly     Pamela Anderson
Eddie     Dave Bautista
Annette    Jamie Lee Curtis
Jody         Kiernan Shipka
Mary-Anne.     Brenda Song
Hannah.          Billie Lourd
u.v.m.

Stab 
Regie      Gia Coppola
Drehbuch.   Kate Gersten