
Redaktion
London (Weltexpresso) - Mitte der 1970er Jahre herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände im krisengeschüttelten Argentinien. Die Regierungszeit von Isabel Perón, die nach dem Tod ihres Mannes Juan Domingo Perón 1974 überstürzt als Staatspräsidentin vereidigt wurde, war von der anhaltenden Wirtschaftskrise geprägt, von Korruption und dem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die politische Klasse.
Aus Angst vor dem Machtverlust begannen die Peronisten mit der Verfolgung von Oppositionellen und Kritikern. Zunehmende Repressalien sorgten dafür, dass Extremisten – die Stadtguerilla der Montoneros und die marxistische ERP auf der einen Seite, die regierungsnahe Todesschwadron Alianza Anticomunista Argentina auf der anderen – zu gewaltsamen Mitteln griffen. Attentate, Überfälle, Lösegelderpressungen waren an der Tagesordnung. Am 24. März 1976 putschte das Militär unter General Jorge Videla, der als Chef einer Junta für fünf Jahre das Amt des Präsidenten übernahm. Die Militärdiktatur, die bis 1983 andauern sollte, wurde zunächst von vielen Argentiniern begrüßt, ihre Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage jedoch schnell zerstört. Im Kampf gegen den Terrorismus und zur Wiederherstellung der sozialen Ordnung entfesselte Videla – wie es seit den 1960er Jahren in einigen Ländern Lateinamerikas üblich war und bis heute in vielen autoritär regierten Staaten geschieht – einen sogenannten „schmutzigen Krieg gegen die Subversiven“.
Mobile Einsatzkommandos machten nicht nur systematisch Jagd auf bewaffnete Gruppen, die in Guerillas oder kommunistischen Bewegungen organisiert waren, sondern auf sämtliche Regime-Gegner, Gewerkschafter, Studenten, Intellektuelle, Journalisten und Anhänger Peróns. Sie wurden verhaftet oder entführt, monate-, manchmal jahrelang an geheimen Orten festgehalten und gefoltert, ohne Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt und ermordet, die Leichen beseitigt. Zur perfiden Praxis gehörte, dass die Angehörigen über den Verbleib der „Desaparecidos“ und die Gründe für ihr „Verschwinden“
im Unklaren gelassen wurden, staatliche Behörden jede Beteiligung strikt abstritten und die Suche meist in einer verzweifelten, aussichtslosen Odyssee mündete.
Die Mütter der Opfer gründeten bereits 1977 eine der wenigen offenen Oppositionsvereinigungen in Argentinien, die „Madres de Plaza de Mayo“. Über Jahre demonstrierten sie jeden Donnerstag auf dem belebten Platz vor dem Regierungssitz in Buenos Aires, forderten Rechenschaft und wurden selbst wiederholt bedroht. Nachdem das Land immer mehr im wirtschaftlichen Chaos versank und der verlorene Falklandkrieg 1982 den Militärs endgültig den gesellschaftlichen Rückhalt kostete, zwang der wachsende Druck der Bevölkerung die Machthaber schließlich dazu, den Weg der Demokratisierung einzuleiten.
Die Aufarbeitung der Verbrechen begann 1983 mit dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín und dauert auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Junta noch immer an. Die Zahl der mit großer Sicherheit ermordeten „Desaparecidos“ wurde in Schätzungen von Human Rights Watch und Amnesty International auf 15.000, in Medienberichten auf bis zu 30.000 geschätzt. Die Menschenrechtsorganisation „Mütter des Platzes der Mairevolution“ ist weiterhin aktiv und kämpft bis heute um die Aufklärung über das Schicksal ihrer Kinder.
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Info:
„Der Pinguin meines Lebens“, UK/Spanien 2024, 110 Minuten, FSK 6 Jahre, Filmstart 24.4.2025
Regie Peter Cattaneo mit Steve Coogan, Vivian el Jaber, Björn Gustasson u.a.