eine deutscheRechte Akteure im Dokumentarfilm im Kino des Frankfuter DFF

Siegrid Püschel

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Seine politischen Gegner sollte man kennen, heißt es. Dies gilt umso mehr in Zeiten der „Normalisierung“ rechter Ideologien. Doch wie gewinnt man Kenntnis über (radikal) rechte Akteure? Reicht es aus, sie aus sicherer Distanz zu beobachten oder muss man mit ihnen reden? Welche Möglichkeiten bietet dabei der Dokumentarfilm? Besitzt er die nötige politische Sprengkraft, um rechte Akteure zu konfrontieren und ihre Widersprüche sichtbar zu machen?

Die Filmreihe widmet sich an zwei Abenden diesen Fragen anhand dokumentarischer Filme über rechte Parteien und Bewegungen in Europa. In begleitenden Publikumsgesprächen soll es auch um die Frage gehen, inwieweit filmische Annäherungen an rechte Akteure auch Gefahr laufen können, ihnen eine Bühne zu bereiten und sich empathisch zu zeigen, und ob nicht sogar das Risiko besteht, der List und Verführung des politischen Gegners zu verfallen. Im Gespräch mit den Filmschaffenden sowie Gästen aus den Sozial- und Filmwissenschaften werden zudem die konkreten Herausforderungen in der Recherche und Produktion dokumentarischer Filme über rechte Akteure diskutiert.

In Kooperation mit dem Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt, dem Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung und dem Institut für Sozialforschung.
 
Termine und Filme:

Fr, 27. Juni, 17:30 Uhr
LA QUESTION DES ALLIANCES
(FR 1997. R: Jean-Louis Comolli)
In den Jahren 1989 bis 2016 hat der Filmtheoretiker und Regisseur Jean-Louis Comolli mit der Filmreihe „Marseille contre Marseille“ den Aufstieg und die Wahlpolitik der rechtsextremen Partei Front National (heute: Rassemblement National) in der südfranzösischen Stadt untersucht. Durch Interviews mit den wichtigsten Figuren der rechten Szene in der Region hat er ihre Entwicklung langfristig begleitet. Insbesondere im sechsten Film der Reihe, LA QUESTION DES ALLIANCES (1997), verbindet Comolli die politischen Fragen mit fundamentalen Überlegungen zur filmischen Arbeit: welche Strategien sind erforderlich, um der politischen Bedrohung durch die Rechtsextreme etwas entgegenzusetzen? Was ist die Aufgabe des Filmemachers? Welche Bündnisse sind erlaubt?
Mit Einführung

Fr, 27. Juni, 20 Uhr
CHRYSI AVGI: YPOTHESI OLON MAS Goldene Morgenröte: Unser aller Angelegenheit
(GR 2021. R: Angélique Kourounis)
Die schwerwiegende ökonomische Krise in Griechenland hat auch der neofaschistischen Partei Chrysi Avgi (Die goldene Morgenröte) neuen Auftrieb gegeben, durch den ihr zeitweise der Einzug ins griechische Parlament gelang. In ihrem Film beschäftigt sich Angélique Kourounis mit diesem Zusammenhang von Krise und Rechtsextremismus. Der Film verfolgt die jahrelange juristische Ermittlung der politischen Gewaltverbrechen führender Funktionäre der Partei, die als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde. Kourounis betrachtet dabei die verschiedenen Möglichkeiten des Widerstands gegen die faschistische Ideologie und den Rechtsextremismus als eine Angelegenheit, die, so der Titel, uns alle betrifft.
Mit Einführung und Filmgespräch mit Gästen

Freitag, 4. Juli, 18 Uhr
EINE DEUTSCHE PARTEI
(DE 2022. R: Simon Brückner)
Wie sieht das Innenleben der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland aus? In seinem Film Eine deutsche Partei geht Simon Brückner dieser Frage nach und setzt dazu eine bewusst zurückhaltend beobachtende Kamera ein. Zwischen 2019 und 2021 verfolgt er die Arbeit von AfD-Funktionären in verschiedenen Bezirks- und Landesverbänden sowie auf Bundesebene. Im Film führt Brückner keine Interviews, kommentiert nicht, mischt sich nicht ein. Direct Cinema im Kommunikationsraum einer jungen politischen Partei, deren radikale Flügelkandidaten gegen die vermeintlich Moderateren kämpfen. Der Film macht sichtbar, wie die innerparteilichen Konflikte und Scherkräfte bis hin zum Parteinachwuchs wirken – und wie sehr die Akteure der Partei mit dem politischen System der Bundesrepublik bereits gebrochen haben.
Mit Einführung und Filmgespräch: Simon Brückner

Freitag, 4. Juli, 20:30 Uhr
INLAND
(AT 2019. R: Ulli Gladick)
In ihrem Film begleitet Regisseurin Ulli Gladick Anhänger:innen der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und gibt intime Einblicke in den Alltag dreier Menschen, deren Weltsicht von rassistischen Ressentiments geprägt ist. Eine Kellnerin, ein Arbeitsloser und ein Beamter setzen ihre Hoffnung auf eine Partei, die das Gefühl der zunehmenden Entfremdung in ihrer unmittelbaren Umgebung am besten zu nutzen weiß. Die Regisseurin begegnet den Problemen, Ängsten und Gesinnungen ihrer Protagonist:innen mit empathischer Offenheit und Feingefühl, ohne ihren eigenen politischen Standpunkt zu verschleiern. Mit dem Untertitel „Begegnungen jenseits der Spaltung“ zeichnet INLAND ein Bild einer sich im Umbruch befindenden österreichischen Gesellschaft.
Mit Einführung und Filmgespräch: Ulli Gladick (Regie) und Gerhard Daurer (Dramaturgie und Montage)


Podcast

Im DFF-Podcast "Alles ist Film" hat Felix Trautmann (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung der Goethe-Universität Frankfurt) die Reihe vorgestellt, die er mitkuratiert hat.
Zum Podcast. https://www.dff.film/podcast/

Foto:
EINE DEUTSCHE PARTEI (DE 2022. R: Simon Brückner)
©dff.film