stepSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Juni 2025, Teil 16


Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso)  – Überraschend, aber eine richtig gute Idee, dass dieser Film von 1990 wieder in die Kinos kommt, ein Film, den die beiden deutschen Regisseure Werner Penzels und Nicolas Humberts über den britischen Musiker, Komponisten, musikalischen Impressionisten Fred Frith schufen. Man will kaum Dokumentarfilm sagen, was immer etwas von Wiedergabe von Wirklichem, Wirklichkeit hat., wobei Wiedergabe leicht banal, auch langweilig klingt. Besser sagen wir hier, eine filmische Impression über einen Musiker, der von musikalischen Impressionen lebt, einen Multi-Instrumentalisten und Improvisatoren, der sphärische Töne hervorbringt und zum Mitmachen motiviert.

 

Gleich zu Beginn stutzt man. Da sagt doch dieser Fred Frith voller Überzeugung - übrigens auf Englisch mit deutschen Untertiteln -, dass wir in einer Welt leben, in der alles mit allem zusammenhängt. Und führt ausgerechnet als Beispiel China an, wo auch nur die kleinste Bewegung dort Auswirkungen bei uns habe. Das ist ihm wichtig, er wiederholt es. Und noch mal. Dabei sagen wir doch auf Deutsch den Spruch: „Das ist genauso, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt“, wenn wir ausdrücken wollen, welche Distanz zwischen dem dortigen Ereignis und uns hierzulande herrscht und wie egal es deshalb ist.

 

Egal ist hier niemandem etwas und es gibt auf jeden Fall keine Werteordnung, weder musikalisch, noch, was die im Film vorkommenden Personen angeht. Man muß sich einfach hinsetzten und zuschauen und zuhören, sich beeindrucken lassen, ohne ständig zu werten. Genießen, was da alles passiert. Eine Handlung? Eher nicht, eben ein Spaziergang durch’s Leben und die Welt, denn er kommt in den zwei Jahren, wo die Kamera ihn begleitet, herum dieser Musiker, dessen Weg wie damals alle über New York führt, und wie die meisten dann nach Osten, nach Japan, Tokio, Kyoto, Osaka, ins italienische Verona, rüber nach Frankreich, nach St. Remy de Provence, aus England kam er, kommt in London immer wieder vorbei, aber auch nach Leipzig und dann in die Schweiz, nach Zürich und Bern. Die Schweiz hat mitproduziert und über den Kameramann Oscar Salgado hätten wir gerne mehr gewußt, haben aber außer viel Fußball und viel über den gerade verstorbenen wunderbaren Fotografen Sebastião Salgado und dessen Sohn, den Kameramann Juliano Salgado, der mit Wim Wenders DAS SALZ DER ERDE über die Werke seines Vaters rund um die Welt als Kameramann und Regisseur fertigte. Leute mit Namen Salgado haben also schnell mit Kameras zu tun, aber leider wissen wir nicht mehr. Die Kamera ist zudem so auffällig unauffällig wie es nur geht. Meistens ist sie – immer in Schwarz Weiß - ganz dicht dabei, aber dann spielt sie sich auch auf und macht, was sie will. Schwindelig kann einem werden, genauso wie die Musik einerseits hüpft, grollt, rollt, hinauf und hinab, mal perlende, mal quietschend, mal schräg von unten rechts nach oben links, mal tänzerisch und eben auch - ganz selten – nervend.

Genau, beim Weitersehen, empfindet man auf einmal, was es ist, was einem gefällt, hier soll man nicht einer bestimmten Meinung sein, weder über den Menschen, den Mann, den Musiker Fred, noch über seine Musik oder seine Aussagen zur Welt. Man muß überhaupt nichts. Das ist sehr wohltuend in einer Welt, die einen ständig von etwas überzeugen will. Dazu gehört, dass viele Passagen ganz ohne Worte auskommen, Musik langt! Und das, was man sieht, hat oft mit ganz anderem zu tun, während man der Musik oder auch den Gesprächen lauscht, kocht da einer, wohl für die ganze Truppe, den Firth tritt ja selten alleine auf. Hier wird – denkt man – ein ganzes Rind zubereitet, denn der Kochende zerreißt die Rippenknochen, dass es nur so kracht. Das ist eben auch eine Wirklichkeit im Diesseits, wo die Musik einen doch gerne abheben läßt.

Dieser Film ist eine Überraschung und man freut sich, weil man sich gerne überraschen läßt, angesichts dessen, was als Arbeit dauernd auf einen wartet. Hoffentlich kommt der Film auch als DVD heraus, wollten wir schreiben, denn dann können ihn auch die sehen, die den am 19. Juni angelaufenen Film nicht sehen konnten, weil er vor allem in den Kinos läuft, wohin diejenigen gehen, die besondere Filme goutieren. Dabei gibt es eine DVD schon seit 2003!!

Foto:
©Verleih


Info:
Schweiz, Deutschland
1990
Original-Titel: 
Step Across the Border
Filmstart in Deutschland: 
19.06.2025

R: Nicolas HumbertWerner Penzel

P: Res Balzli

K: Oscar Salgado

Sch: Gisela CastronariVera BurnusNicolas HumbertWerner Penzel

Musik: Fred FrithJoey BaronCiro BattistaIva BittováTom CoraJean DeromePavel FajtEitetsu HayashiTim HodkinsonArto LindsayRené LussierHacoKevin NortonBob OstertagZeena ParkinsLawrence WrightJohn Zorn u.a.

Gäste: Robert Frank, Jonas Mekas, Ted Milton, John Spacely