Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. September 2014, Teil 1

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Der spannende Politthriller nach dem Roman „A Most Wanted Man“, deutsch „Marionetten“, von John le Carré kommt am Jahrestag des Attentats auf das World Trade Center in die Kinos. Der Film erzählt von der heutigen Hysterie der Spione, nachdem sie das Verbrechen damals nicht verhindern konnten.

 

A MOST WANTED MAN

 

Die Anschläge am 11. September 2001 wurden in Hamburg vorbereitet und immer noch sind die deutschen und ausländischen Geheimdienste traumatisiert, weil sie die terroristische Gefahr nicht erkannt hatten. Mit diesem Vorspann beginnt die Geschichte des Films:

 

Die Spione sind sofort in Aufruhr, als der tschetschenisch-russische Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) illegal in der Hansestadt auftaucht. Ihre Fehler von damals wollen sie nicht wiederholen! Issa wurde zwar von russischen und türkischen Folterern halbtot gequält, aber gerade die dadurch erpressten „Geständnisse“ dienen den verschiedenen Spürnasen als Beweis seiner Gefährlichkeit: Der deutsche BND und der Verfassungsschutz, die amerikanische CIA und der britische Secret Service wollen Issa sofort festnehmen oder liquidieren. Einzig Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman), der unkonventionelle Leiter einer deutschen Sondereinheit, versucht herauszufinden, was der Verfolgte in Hamburg will.

 

Wie sich in der Parallelhandlung herausstellt, ist der Flüchtling der Sohn einer Tschetschenin und des russischen Kriegsverbrechers Karpov. Mit Hilfe der engagierten Rechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) möchte er nur die illegal beiseite geschafften Millionen seines Vaters von einer Hamburger Bank an eine tschetschenischen Hilfsfond transferieren.

 

Währenddessen gewährt die CIA Bachmann 72 Stunden für die Aufklärung von Issas Absichten und dessen Verhaftung: „Sonst machen wir das!“. Bachmann erpresst mit Hilfe seiner taffen Assistentin Erna Frey (exzellent: Nina Hoss) die Anwältin und den Bankier Thomas Brue (William Defoe), um an die gewünschten Informationen zu kommen. Doch auch Bachmann ist nur eine Marionette im Spiel der Dienste. Mehr soll hier von dem überaus interessanten Film nicht verraten werden…

 

Der Romanautor Le Carré hat selbst als Spion gearbeitet und seit den 60er Jahren großartig recherchierte Politthriller geschrieben. Die damaligen Konflikte sind immer noch aktuell und werden auch in seinen neuen Büchern aufgegriffen. Le Carrés Helden sind wie Bachmann meist eigenwillige Männer, die sich für rechtlose Individuen und gegen übergriffige Institutionen einsetzen sowie die kriminellen Machenschaften demokratischer Regierungen geißeln.

 

Die Rolle des deutschen Spions Bachmann ist mit dem Amerikaner Hoffman fantastisch besetzt: „Er war der Einzige, der in Frage kam, um diese Figur Le Carrés zum Leben zu erwecken“, meinte Regisseur Anton Corbijn. „A Most Wanted Man“ ist der letzte vollendete Film des genialen Schauspielers, in dem er - nachdem mit einem Oscar prämierten „Capote“ - eine weitere Rolle seines Lebens spielt. Hoffman starb am 2. Januar dieses Jahres an einer Überdosis Heroin. Er wurde nur 46 Jahre alt.

Man weiß nicht, ob Bachmann, anders als in der Buchvorlage, von Drehbeginn an so im Mittelpunkt der Handlung stand, Produzenten und Verleih schweigen sich dazu aus. Möglicherweise wurde der Film nach Seymour Hoffmans Tod als Hommage an ihn neu geschnitten und seine Figur kräftiger gewichtet. In Le Carrés Buch sind die Rollen der anderen Beteiligten stärker, auch psychologisch herausgearbeitet und in ihrem sozialen Kontext interpretiert. Aber wie auch immer, dieser brillante Film mit seinem großen Hauptdarsteller erzählt durchaus die Geschichte im Sinne Le Carrés, allerdings in seiner eigenen cineastischen Sprache.