
Martina Priessner
Berlin (Weltexpresso) – Als ich İbrahim Arslan 2020 kennenlernte, wusste ich bereits, wer er war. Die rassistischen Brandanschläge in Mölln hatten mich als 23-Jährige erschüttert. Rassismus, Antisemitismus, die Kontinuitäten des Rechtsterrorismus in Deutschland, die staatliche und gesellschaftliche Ignoranz gegenüber rechtsextremen Netzwerken und die Abwesenheit von Empathie mit den Opfern sind für mich bis heute zentrale Themen.
İbrahim Arslan ist eine wichtige Stimme in Deutschland, vor allem wenn es darum geht, Betroffene zu ermutigen, ihre Stimme zu erheben. Seine eindringliche Botschaft, dass die Opfer Zeug*innen ihrer eigenen Geschichte sind und nicht zu bloßen Statisten degradiert werden dürfen, hat entscheidend dazu beigetragen, die Erinnerungskultur in Deutschland zu verändern. Beim Treffen erzählte er mir von den Briefen. Die Ungläubigkeit und der Schock über die vorenthaltene Solidarität waren ihm ins Gesicht geschrieben. Unser Gespräch hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck. Wie konnte es sein, dass diese so wichtigen solidarischen Botschaften nie bei den Opfern des rassistischen Anschlags ankamen? Und was sagt das eigentlich über den Umgang dieser Gesellschaft mit Opfern von rechtem Terror aus? İbrahims Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf: »Unsere größte Sehnsucht ist es, unsere Geschichten zu erzählen, denn dann löst sich unser Trauma auf.« Ein paar Tage später rief ich ihn an und schlug vor, diesen Film zu machen. Die vielen ungehörten, ungesehenen und nicht-erzählten Geschichten aus der Perspektive der Opfer und Überlebenden bilden den emotionalen Kern dieses Filmes. Um sie sichtbar und hörbar zu machen, brauchen wir die Kraft und die Magie des Kinos, an die ich unerschütterlich glaube. In einer Zeit, in der die Demokratie in Deutschland so bedroht ist wie seit 80 Jahren nicht mehr, stellt der Film entscheidende Fragen, gibt den persönlichen Verlusten der Opfer Raum und macht Solidarität sichtbar.
Foto:
©Verleih
Info:
Ein Film von Martina Priessner
Dokumentarfilm /
Deutschland 2025 /
96 min /
deutsch/türkisch mit UT