Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. November 2025, Teil 10
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wem schaut man da zu? Sind das nicht das befreundete Ehepaar, deren gegenseitige Animositäten schon so manches Freundestreffen störten, und überhaupt, eigentlich sind die bei den Freunden gar nicht mehr dabei, fällt einem dabei auf und ein. Oder sind es die Schwiegereltern, derem Ehealltag wir hier zuschauen oder sogar schon Oma und Opa, die jung Kinder bekommen haben und deren Enkel wir sind.
Man kennt, was man da auf der Leinwand sieht, nur eben aus den unterschiedlichen Altersperspektiven. Interessant ist das immer, aber unter die Haut geht es so richtig, wenn man im Mit- und Gegeneinander des Ehepaars Rita (Anke Engelke) und Hans (Ulrich Tukur) sich selber und seine eingeübten Sprechstrategien und Macken erkennt. Natürlich sind wir nicht so vertiert verbiestert wie Rita, deren häusliches Reglement die verbitterte ältere Frau erkennen läßt, die sich um ihr Leben betrogen fühlt und dieses Gefühl von Nutz- und Sinnlosigkeit dem vorwirft, ja ihn dafür verantwortlich macht, der täglich um sie ist und noch nicht so ganz vom Leben enttäuscht und fertig mit ihm ist. Es sind nur ein paar Bemerkungen sowie Handlungen wie das tägliche Heraufziehen und Runterlassen aller Rollläden durch die Hausherrin, und schon mutet das Haus wie ein Gefängnis an.
Anke Engelke macht das furchterregend gut und kratzt die Kurve, denn zu einer beliebigen Karikatur dieser Frau ist es nicht weit, aber gerade, wenn man dies befürchtet, wird sie individuell genau diese Rita, die ja Gründe für ihre eingekastelten Gefühle und ständigen Bewertungen der Handlungen anderer hat, bevorzugt die des Ehemannes, dem sie zudem vorwerfen kann, dass er sie mit einer Schulkollegin betrogen hat. Es war für ihn ein Ausrutscher, aber für sie potentiell ein Trennungsgrund. Rita, von Beruf Krankenschwester, scheut sich nicht, als die beiden in einem Laden für’s Badezimmer nach neuen Kacheln schauen - wobei der Konflikt schon vorprogrammiert ist, denn er will eine andere Farbe als sie, er will das sanfte Rosa, sie das kühle Blau - sie scheut sich also nicht, ihren Mann vor dem Verkäufer runterzuputzen und diesen dann auch noch in den Senkel zu stellen, als er vermittelnd dummes Zeug redet, eben auch, wie solche Verkäufer das tun, um eine Kaufharmonie herzustellen, wo er doch Konflikte mitkriegt. Aber wie sie das macht, ist schon der Erwähnung wert und zeigt, dass Rita in der abwertenden Klaviatur der Gefühle zu Hause ist. Sie weist nämlich mit ein paar Worten diesen Mann auf seinen schlecht sitzenden Anzug hin, das Schlimmste, was sie ihm sagen kann, wo dieser sich doch als präsentabel wähnt. Man hat also viel zu lachen, wozu gehört, dass einem das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt.
Höchste Zeit, mehr von Hans zu erzählen, der als Direktor einer Schule in den Ruhestand gehen soll, was ihm zwiespältige Gefühle bereitet, denn immerhin war er bisher jemand, der etwas darstellte. Aber als Nur-Ehemann rächt sich, dass er nicht mehr Hobbys gepflegt hat, da der Schulbetrieb ihn voll ausfüllte. Und genau dies fürchtet nun Rita. Ein Ehemann, der immer zu Hause ist. Wie furchtbar. Daß er ihren Geburtstag wieder vergessen hat, ist typisch. Dass er ihr rasch eine Badekappe kauft, nimmt sie sportlich und zieht sie sich direkt über im Restaurant zur Feier des Geburtstags, wozu auch der Sohn (Lukas Rüppel) gekommen ist, der den Eindruck macht, dass er die Eltern selten besucht und gerne schon gar nicht.
Und als die Eltern, sie am Steuer, den Sohn spät abends zum Bahnhof gebracht haben, geht auf der Rückfahrt bei heftigem Regen sofort der unterdrückte Streit sprachlich und mit heftigen Emotionen und Lautstärke weiter, was sich auf ihre Konzentration beim Fahren auswirkt. Ob es daran lag oder einfach Zufall und Pech, sie nimmt etwas wahr, es kracht und als sie sofort stoppt, erkennt sie, dass sie einen Radfahrer überfahren hat. Tot. Es wird sich herausstellen, dass dieser betrunken aus dem Nichts auf die Straße fuhr, aber das hilft nur wenig bei diesen furchtbaren Gefühlen, die das Überfahren und der Tod eines Menschen bedeuten. Wie aber dieses Unglück nun gemeinsam getragen wird und welche Verkrustungen sich lösen, das wird klein und fein in seinen Verästelungen dargestellt und macht einen froh. Auch Ausgeleiertes kann eine neue Form erhalten und Fragen von Schuld und Sühne, die gemeinsam getragen werden, können verbinden, wo vorher nur noch ein Abgrund herrschte. Das wird vom Ehepaar so kleinteilig, ja zart dargestellt, dass es eine Freude ist, zuzusehen und man mit neugewonnener Kraft das Kino verläßt. Verkrustete Zustände können sich ändern. Man muß es nur tun.
Foto:
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Info:
BESETZUNG
Rita Anke Engelke
Hans Ulrich Tukur
Tom (der Sohn). Lukas Rüppel
Gitti (Ritas Kollegin & Freundin) Maria Hofstätter
Edwin (Hans Kumpel & Elektroverkäufer) Markus Hering
Jens Witte Philipp Hauß
Regine Berg Katja Lechthaler
Lutz Schmauser (Fliesenverkäufer) Michael Kranz
Inge Ute Rachov
Bürgermeister Carl Achleitner
STAB
Regie & Drehbuch Neele Leana Vollmar